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Tuesday, 23. April 2024
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Tagebuch Romreise
 1904-10-26 hh:mm
In der Sixtinischen Capelle

Mittwoch machten wir uns mit (...) bewaffnet u. voll großer Erwartungen in die Sixtinischen Capelle auf. Man kommt durch ein ganz kleines enges Treppchen hinauf u. zu einem ebenso engen u. kleinen Thürchen hinein. Im ersten Augenblick war ich wirklich enttäuscht ich sah zuerst überhaupt nichts als zwei große mächtige Gerüste, die in der Mitte der Kapelle standen. Beim langsamen gründlichen Ansehen lernt man dann aber die ganze Macht und Grandiosität der Deckengemälde überschauen und verstehen und wird davon geradezu überwältigt.

Großartigeres als die Erschaffung des Menschen kann man wohl nicht sehen. Leider ist das Ansehen der Deckenbilder sehr angreifend und ermüdend, man renkt sich dabei fast den Hals aus und hatte ich anständig Angst, mir meinen Kopf auszurenken, was mir ja schon einmal passiert ist.

Wir werden wohl noch oft in die Sixtina gehen, etwas dermaßen Schönes und Großartiges kann man nicht mit einem Male abmachen. Unter den Fenstern sind viele teilweise sehr schöne Fresken von Botticelli, Perugino u.s.w. Auf der einen großen Wand ist Michelangelo's "jüngstes Gericht".

Mittwoch Nachmittag giengen wir alle zusammen in die Villa Medici. In der Villa ist nichts Sehenswertes außer einer großen Gallerie von Gipsabgüssen berühmter Statuen. (nichts) dagegen ist der Park wundervoll, ganze Lauben von zugestuzten Steineichen, prachtvoller Blick auf Rom u. das Alabanergebirge.

Abends beim Nachhausekommen bekam ich zu meinem ganz unsagbaren Schrecken ein Telegramm von zu Hause: Keine Meerfahrt mehr. Ich konnte mir diese Veranlassung zu telegraphieren natürlich absolut nicht denken und erschrak deshalb beim Erhalten des Telegramm's ganz fürchterlich.

Es ist wirklich arg, daß sich Mama so sehr absorgt und abquält, sie thut mir so furchtbar leid, denn ich weiß wie sie darunter leidet. Aber anderseits ist es wirklich unnatürlich, alle andern Eltern nehmen es doch viel leichter und freuen sich im Gegenteil, wenn ihre Töchter etwas ausführen. Das mit der Meerfahrt begreife ich nun allerdings, ich wußte gar nicht, daß Segeln gefährlich ist; aber Donnerstag bekam ich einen sehr lieben schönen Brief von Papa und Mama, indem sie sich sehr entsetzten über unsre Touren ohne männliche Begleitung und mir darin verbieten, irgend welche Touren außerhalb Rom's mitzumachen.

Es würde mir, ich muß es zu meiner Schande sagen, doch schwer, dies zu versprechen, um so mehr, als die Andern am nächsten Tag nach Tivoli wollten, wo ich dann also gleich nicht mit konnte.

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1904-10-26 hh:mm