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Tagebuch rispe
2009-09-15 08:28
Urlaubsnachtrag

Nachtrag meiner Notizen aus dem Urlaub:

Ich schreib jetzt einfach noch mal, was gestern so wunderbar war. Ich bekam spontan Besuch von Babette. Schon von Weitem war ihr alter Hanimog-Traktor BJ 54 zu hören. Ich ging raus aus der Halle und sah sie mit ihrem wehenden gelben Trekker antuckern, hinten hatte sie Salat aufgeladen.Erst war ich nicht so angetan, denn eigentlich wollte ich meine Ruhe doch das änderte sich bald. Sie zeigte mir ihre Kornähren, die in den Backofen gelegt werden um zu testen ob der die richtige Temperatur zum Brotbacken hat. Man legt sie in den Ofen, betet ein Vaterunser und wenn die Ähren im Anschluss golden sind, können Brotlaiber reingeschoben werden (Holzofen). Babette ist 88 Jahre und eine kleine, drahtige Frau mit T-Shirt und Jogginghose mit Löchern. Sie hat stets einen Gehstock bei sich. Ihre Haar die unter dem Kopftuch vorblitzen sind kurz und grau. Oh, was diese Frau schon gesehen und erlebt hat. Sie erzählte mir von ihren zwei Brüdern, die sie so liebten, dass sie ihr während des Krieges als Soldaten oft 50 Mark schickten. Viel Geld damals. Deswegen war sie oft schöner gekleidet als andere Frauen der Gegend. Sie erzählte mir wie einst einer ihrer Brüder ihr ein altes Fahrrad Marke "Vaterland" mit der Bahn schickte und sie dann immer mit dem Rad zum Einkaufen konnte . Ich fragte sie, ob sie meinen Großonkel und meinen Urgroßvater gekannt hatte. Ja, sie kannte sie! Sie erzählte mir, wie mein Urgroßvater den roten Presssack katholischen und den weißen Presssack lutherischen nannte. Sie war eine Verbindung zu meinen Vorfahren. Sie hatte sie gekannt und gesehen. Ich nie! Gütig sind ihre Augen und ihr Verstand glasklar. Sie ist etwas ganz Besonderes, diese Frau. Sie schilderte mir, wie sie sich damals für eine Scheidung entschied, ihr Mann trank, schlug und betrog sie. Er hätte vermutlich all ihr Hab und Gut, dass sie mit in die Ehe gebracht hatte versoffen. Sie fühlte sich wie eine Außenseiterin, eine Geschiedene inmitten eines katholischen Dorfes

Ich kann nicht sagen was sie umgibt, doch ihre Ruhe, ihre schlichte Art Dinge beim Namen zu nennen, ihre ungenierte Art Fragen zu stellen. Sie ist bezaubernd, diese einfache,alte Bäuerin. Ich wünsche mir vom Herzen sie wird 100 und ich darf ihren Geschichten noch ganz oft lauschen. Sie berührt mein Herz auf eine eigenartige Weise. Und wie sie mich wieder fragte:

Brauchst Du Eraäpfel (Kartoffeln) oder a Gmüs (Gemüse)?Soch fei wos! Ach, sooo lieb.


Ein weiterer Tag:

Es war eine ungewöhnlich ruhige Nacht. Ryan - mein Held - schlief das erste mal durch. Abends um ca. 8.00 Uhr ist er eingeschlafen und heut morgen um 6.30 Uhr hab ich ihn beim checken nach Lebenszeichen geweckt. Komisch geträumt hatte ich allerdings wieder mal. Meine Eltern und ich standen auf dem Parkplatz des Friedhofs, auf dem sie beide begraben sind. Da fuhr ein älterer Mann auf einem Uraltmotorrad vorbei (evtl. unsere alte Zündap). Mein Vater meinte dass wäre der Vater vom Großonkel Fritz, ich glaubte das nicht. Schließlich müsste der weit über 100 und somit tot sein.

Es scheint mich einfach hier alles zu sehr an meine Eltern zu erinnern. Überall sind Bilder von Ihnen. Fast wie eine riesige Gedenkstätte. Vielleicht sollte ich das ein wenig ändern - oder auch nicht?! Gegen 9.30 Uhr sind wir dann mit einer Bauersfamilie mit aufs Feld und haben Kartoffeln gelesen. Was die uns ständig geben (für lau) paßt auf keine Kuhhaut. Gestern gab es wieder frisch gebackenes Brot (lecker) und heute Kartoffeln und Überkolraam (Kolrabi). Zusätzlich auch noch nen kleinen Sprachkurs für meinen Freund (Ich bräuchert amol die Krätzn (Gemüsekorb)) Ich hab jetzt gerade Steak mit frischem Gemüse gemacht und unsere Bleibe geputzt, während mein Freund trotz Regen Holz schlichtet. Wahnsinn, wir gleichen uns immer mehr der Rollenverteilung meiner Eltern an. Hach, es ist so schön hier in meiner Heimat, die Natur um uns herum bzw. wir mitten drin. Man atmet förmlich Frieden und Ruhe. Warum hab ich das als junges Ding nur nicht erkannt???? Jetzt pendel ich zwischen zwei Welten und hab 2 Bleiben. Die friedlichere ist def. hier in der Fränkischen Schweiz. Meine Tochter ist gerade - es ist 15.00 Uhr ins Dorf zu Freundinnen- und Ryan schläft. So schön kann das Leben sein, durch winzige Kleinigkeiten. Ich glaube mitlerweile von mir behaupten zu dürfen, dass ich erkannt habe wieviel Freuden einem am Tag geschenkt werden. Man muss sie nur erkennen.



Heute waren die Mädels vom Dorf bei uns und haben mit unserer Tochter gespielt. Mein Freund hat am Baumhaus und ich an meiner Pappmaché-Frau gewerkelt. Anschließend bin ich ins Dorf gefahren und hab versucht zu einer alten Schulfreundin Kontakt aufzunehmen, hoffte sie wäre da. Hab nur kurz mit ihrem Mann gesprochen (den hatte ich in der Jugend doch auch mal geknutscht, oder??? [Bild nicht gefunden]). Jedenfalls rief sie mich vorhin an und wir verabredeten uns auf morgen. Es ist schön hier, es wärmt mein Herz! Schon allein, dass ich mich aus meiner Trägheit rausgerissen hab und wieder rumwerkel grenzt an ein Wunder. Ich schien schon so gefangen im Glauben, dass die Zeit dafür einfach verstrichen sei.

Ich hüpfte hier auf dem riesigen Stück Land gerade im Bikini rum, als ich ein Auto nahen sah. Schnell wie ein Blitz sprang ich in die Halle und warf mir was über. Kaum die Halle verlassen sah ich auch schon einen weitläufigen Bekannten, vielmehr den Bekannten meines Vaters. Otto! Ein Maler und ein Mann der kein Bier stehen lassen kann. Er stieg singend aus dem Wagen!Gedenklied selbstgetextet zu Ehren meines Vaters! Puuuhhhh!!!!Jedenfalls hatte er die neue Mieterin der Wohnung meines Vaters im Schlepptau. Oh, was war das??? Eine Frau, Ende 40 mit grauem Haar, das Blond war ihr völlig rausgewachsen. Ihre ältere Tochter war ca. 16, ihre Jüngere 5 Jahre. Sie war unangenehm und schwer zu ertragen. Wenig freundlich, mehr aufdringlich mit ihrer neugierigen Art. Sie liebäugelt nun mit dem Gedanken, mein Elternhaus von meinem Bruder abzukaufen. Es wäre schade wenn der erste Eindruck stimmt und Komplett-Assis mein Elternhaus zu eigen machen. Sie erzählte mir, was sie für Bäume im Garten umgemacht hat. Sichtbar stolz. Mir spannte die Brust. Ich war Kind als die gepflanzt wurden. Diese Frau hatte kein Feingefühl. Sie arbeitet als Pflegerin im Altenheim des Dorfes. Wenn mein Vater dort angekommen wäre, hätte sie ihn gepflegt. Eine schaurig-traurige Vorstellung. Jedenfalls bin ich froh im Frieden zu hocken, fernab der Mieterin und potentiellen Käufern. Ich sitze hier im Idyll, dass meine Eltern erschufen, an dem wir gemeinsam weiterarbeiten. Es ist kein Garten, es ist teils Wald teils Wiese. Man kann darauf spazieren gehen und der Zaun schützt vor Tieren. Wenn die Sonne hier im Sommer untergeht, scheint es, als trinke der Himmel Rotwein.

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