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Tagebuch rispe
2009-06-24 20:50
Rückblick
Lang war ich nicht mehr hier. Das hatte eigentlich nur den Grund, dass ich endlos Probleme mit dem Anschluss hatte, aber das ist nicht der Rede wert. Bei uns geht so ziemlich alles Drunter und Drüber, denn der Kleine fordert seinen Tribut. Schön ist es mit ihm, aber auch Zeitintensiv - ganz klar. Die Nächte mach ich nicht zum Hauptthema, denn schließlich kann ich von so ner kleinen Wurst auch nicht erwarten Nachts keinen Hunger zu haben. Er trinkt eben und dann schlafen wir beide weiter. Ansonsten ist er einfach ein riesen Kind. Groß und schwer und wenn das so weitergeht bekomm ich noch nen Buckel vom ständigen Stillen und der gebückten Haltung. Schön ist, dass er inzwischen Lächelt und nur noch 90 % des Tages mit Motzen verbringt!

Interessant waren die Kommentare die ich erhalten habe bezüglich dem Thema Tod. Mein Vater selbst war nämlich einer der Kandidaten, die ein solches Nahtoderlebnis hatten. Man stell sich einen ruppigen Franken mit Tirolerhut und Schnauzer vor, der am Wirtshaustisch alle anderen mit seinem lauten Geplärre in Grund und Boden schreit. Ausgerechnet er hatte so ein Erlebnis, als er am offenen Herzen operiert wurde. Tja, erst wollte er nicht recht damit rausrücken, denn so was war in seinen Augen bisher ja nur "a Gschmarr" und "a blöds Gewaaaafff". Tja, seine Meinung ändertes sich dann natürlich schlagartig und er wurde zum Kirchengänger. Zugegeben, auch da verweigerte er sich oft, wenn z.B. der Pfarrer forderte dass sich alle an den Händen fassen sollten. So war er eben, mein Papa. Stur, verbort und ein Eigenbrödler. Naja, trotz der anstrengenden Zeit die wir mit ihm hatten geht er mir schon ziemlich ab und ich hätte sie gern in meinem Leben. Ich weiß gar nicht so recht, ob es meinen Brüdern ähnlich geht. Vielleicht nicht ganz so intensiv, schließlich bin ich ja doch jedes Wochenende in der alten Heimat auf dem Wochenendgrundstück, auf dem er sein Unwesen trieb. Ich versuch alles so zu machen dort, dass es ihnen gefallen hätte. Wir haben Bäume gepflanzt und ich putz dort fast so wild wie es meine Mutter immer tat. Zugegeben, ganz so arg schaff ich das nicht. Aber ich arbeite dran. Kann ja nicht jeder so ein Putzteufel sein wie sie es war. Wenn sie wieder mal abgespült hatte und man trank z.B. Kaffee am Tisch und passte nicht auf oder hielt sich vielmehr an der Tasse fest, so landete die sofort in der Spüle, egal ob sie nun halbvoll war oder nicht. Nervig damals, im Nachhinein liebenswert.

Jedenfalls haben wir auf dem Wochenendgrundstück ganz viele Obstbäume gepflanzt und Obststreucher. Die Plazenta ist unter einem Kirschbaum gelandet und somit ist der Baum der vom Kleinen. Hoffentlich wächst er schön und er kletter drauf rum, wenn er größer ist. Ist schön zu sehen, wie sich mein Freund krumm macht für das Stückchen Land, meine Eltern wären schier aus dem Häuschen gewesen. Ich vermiss sie schon sehr. Zeit heilt nicht alle Wunden, sie vernarben eben nur.

Mein einer Bruder (der als Kind mein Liebster war) hat mir eine Postkarte geschrieben und mir mitgeteilt, dass er froh war, dass es an Papas Beisetzung so friedlich verlaufen ist zwischen uns Kindern. Was soll ich damit nur anfangen. Ihm eine Postkarte zurückschreiben mit "Finde ich auch!"? Albern finde ich dass. Ich bin ja dabei ihnen die Bilder von unserer Kindheit auf CD zu brennen und werd ihm dann nen Zettel beilegen, dass ich auch froh war keinen Stress am offenen Grab meines Vaters zu haben. Ich kenn mich, ich bin nicht nachtragend, wobei mir von meinem anderen Bruder und meinem Freund schon die Meinung gegeigt wurde nicht zu milde zu sein und einfach "Schwamm drüber" zu sagen. Die Vorwürfe waren ja schon krass wenn man zurückdenkt: Dass ich das Pflegegeld klauen würde, was ich anhand von Belegen widerlegt hatte (zumal meine Eltern ja sogar bei mir waren) und dann die Sache, weil das mit Papa bei mir nicht bis zum bitteren Ende geklappt hatte... Auch sollte ich ja zu meinen Eltern ziehen, dass ich Haus und Kind und Mann hatte schien keinen zu inter. Ich war die Tochter die pfegt. Nur von ihnen konnte auch keiner sein Leben aufgeben, also hätte ich am Zug sein sollen. Aber das kommt mir eigentlich schon ziemlich weit weg vor, denn die richtig gravierenden Sachen waren der Sterbeprozess und der letzliche Tod meiner Eltern. Alles andere ist mir inzwischen so etwas von egal.

Das Erbe wurde interessanterweise von uns allen Kindern ausgeschlagen. Es wäre ein Wald gewesen, aber ich glaube die Angst davor die anderen würden ausbezahlt werden wollen war wohl bei uns allen die größte. Keiner traut mehr irgendwem. Nun, meine Tante - die ältere Schwester meines Vaters - ruft mich seit ca. einem Jahr öfter an. Sie wohnt 700 km entfernt. Jedenfalls haben wir über Papa gesprochen, sein wildes Lotterleben in jungen und auch nicht mehr so jungen Jahren. Ich wußte ja von meiner Halbschwester und den Halbbruder hat er mir auch im letzten Jahr gebeichtet. Vielleicht nehmen die ja das Erbe an, ich werd jedenfalls die letzte sein, die da irgendwas fordert. Ist ja sogar schön, wenn es in der Familie bleibt und es waren und sind ja seinen Kinder. Wer und wo auch immer sie sind. Übermorgen hätte er jedenfalls Geburtstag und wäre 68 geworden. Ich werd an ihn denken und hoff alles ist gut für ihn.

Jetzt ist es schon so spät und die anderen zwei (mein Freund und meine Süße) hocken noch in der Wanne. Ich will sie auch gar nicht stören, denn sie lieben sich so. Wahnsinn, wie die sich in die Herzen geschlossen haben. Fast könnte ich eifersüchtig sein, aber die Freude darüber überwiegt. Eine solche Bindung zu haben ist einfach was ganz Besonderes. Ich verabschiede mich jetzt mal trotzdem für heute. Der Tag fing früh an und morgen werd ich wahrscheinlich wieder mit einem zahnlosen Lächeln geweckt.

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Kommentare

17:26 25.06.2009
Ich hatte, als ich 27 Jahre alt war, auch ein Nahtodeserlebnis. Zwar bin ich vom Typ her sehr anders, als dein Vater es war (Ex-Hippie und so), aber auch mein Leben hat sich verändert. Der Tod hat jeden Schrecken verloren, nur vor einem längeren Siechtum habe ich Angst.
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2009-06-24 20:50