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Tagebuch rispe
2012-04-23 20:00
Nachruf Babette
So, wir fahren dann morgen also zu Babettes Beerdigung. Sie war alt, das ist wahr. Ich glaub auch nicht, dass sie sonderlich Angst davor hatte. Sie war sehr christlich und in ihrer Art ein eher ruhiger wenig verbissener Mensch. Sie hatte kurze,struppige Haare die grau waren (eine Strähne ließen noch ihre dunkle Haarfarbe erahnen), war ca. 1,55 und sehr schlank und drahtig. Sie sah bis zum Schluss immer irgendwie hübsch aus. Ihre Augen waren braun mit einem leichten grünen Flirren drinn. Babette trug eine Brille mit einer Goldfassung und ihre Zähne waren zu gerade um noch echt gewesen zu sein. Auf ihre Klamotten legte sie nie sonderlich wert, war sie doch eh (zumindest bis letztes Jahr) immer auf dem Feld. Meist war es eine wildgemusterte Jogginghose und ein weites T-Shirt. Wenn sie Traktor fuhr hatte sie meist ein gelbes Kopftuch auf, dass dann immer wie eine Bischofsmütze aussah, weil der Wind es aufrichtete. Babette war der erste Mensch den ich kennenlernen durfte, der mir klar zeigte, dass Freundschaft auch dann geht, wenn ein irre großer Altersunterschied da ist. Babett war fast 60 Jahre älter als ich. Sie war auf der einen Seite sehr gläubig und konservativ, auf der anderen Seite auch unglaublich unabhängig und stark. Sie ließ sich damals (sie wohnte ja in einem kleinen kath. Dorf) scheiden, da ihr Mann ein Trinker war und ständig Affären hatte. Das war vor über 60 Jahren. Sie zog ihren Sohn Pankratz alleine auf und das tat sie scheinbar gut. Pankratz ist ein toller Mensch - wie seine Mutter es war. Wie soll ich das am Besten beschreiben. Ich würde sagen, dass sie obwohl sie nicht viel von der Welt gesehen hatte einfach so offen für alles war und keinem was reinredete. Sie wollte nur mal wissen wo genau Paul denn her sei und dann wo Irland denn genau liege.

Sie hatte mich genauso gern wie ich sie. Das weiß ich. Wir waren Freunde. Sie mochte meinen Papa und meine Mama auch.

Sie hat mir damals gezeigt wie man die Hexenkreise sieht, die sich bilden wenn die Maipfiffer sprießen. Überhaupt hat sie mir die Maipfifferernte erst gezeigt. Noch im letzten Jahr hat sie mich angerufen um mir mitzuteilen,dass die Pilze jetzt da sind und ich mich mit dem Sammeln beeilen solle, sonst würden sie wurmig werden. Ich hab ihr dann gesagt, sie solle sie lesen und selbst essen. Sie liebte Maipfiffer. Mich würde nicht wundern, wenn wir morgen auf unserem Grundstück sind und welche aus der Erde geschossen sind. So als symbolisch letzter Gruß von meiner Babette.

Babette war gut darin Blumengestecke zu binden. Sie arbeitete lange Zeit für den Graf Stauffenberg und kümmerte sich dort um die Gestecke. Ihre Bindereien sahen nicht aus wie die Sträuße eines Floristen, vielmehr waren sie die Zusammenfassung der Jahreszeit in der die Sträuße entstanden. Sie konnte das. Und wie.

Bis sie 90 war war sie jede Woche 2 mal dabei, wenn Brot gebacken wurde.Das hieß mitten in der Nacht ich glaub um 4 aufstehen und den Ofen vorheizen, Teig vorkneten etc. Die Familie besitzt einen großen Steinofen der vor dem Haus steht. Dort fertigten sie immer so um die 70 Laiber Brot. Die Getreidekörner wurde auf diese Holzschiebeteil gelegt und in den Ofen gehalten. Dann wurde ein "Vater-unser" gesprochen. Waren die Körner golden und nicht verbrannt, dann hatte der Ofen die richtige Temperatur.

Kann mir gar nicht vorstellen wie es ohne sie sein wird da draußen. Sie wird mir so fehlen. Sie war wirklich ein ganz besonderer Mensch. Bescheiden, leise und so ungeheuer stark.

Ich hoffe sie hatte eine gute Reise und es geht ihr gut, da wo sie jetzt ist.

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2012-04-23 20:00