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Tagebuch rispe
2008-12-21 11:05
Nächstenliebe
Gestern hat mal wieder die Verpflichtung gerufen. Ich hatte mit meinem Bruder, der einzige der mir von den 3en erhalten geblieben ist, abgesprochen, dass wir uns bis zum 02.01.09 abwechseln mit den Besuchen bei Papa, denn während der Zeit hat die Pflegekraft Urlaub. Also bin ich gestern zu ihm gefahren, er hat sich auch wahnsinnig gefreut uns zu sehen, aber ich sah es nur als Pflichtbesuch. Ich bin so kalt ihm gegenüber geworden und versuch das ständig zu überspielen.

Natürlich seh ich, dass er Altersmilde geworden ist, aber dass er noch genauso toben kann wie eh und je, trotz seiner Gebrechen, dass hab ich ja genau gesehen, als er bei mir lebte und das ist nun wirklich noch nicht lange her. Jedenfalls ist es schon echt traurig wie ich empfinde, schließlich ist er doch mein Vater. Aber seine ständigen verwirrten Alleingänge, in der Annahme manche Dinge noch allein in die Hände zu nehmen und dabei alles zu Verkomplizieren und seine egoistische Haltung - dass sich die Welt nur um ihn dreht, schnüren mir die Luft ab.

Vielleicht ist es einfach die Vergangenheit, die eine wahre Liebe nicht zuläßt, nur Verpflichtung und Nächstenliebe ihn nicht sich selbst zu überlassen. Jahrelang hat er uns Kinder und seine Frau schlecht behandelt, die Kindheit war geprägt von Gewalt und Tyrannei. Nun wimmert er förmlich nach unserer Gunst.

Doch noch immer sieht er nur sein Schicksal im Fordergrund, da kommt keine Frage nach unserem Befinden, es wird nur über ihn gesprochen. Was für ein Mensch, denk ich mir da nur, was für ein Egomane.

Ich kann nur hoffen, dass meinen Kinder nicht eines Tages so empfinden, wenn ich mal alt bin. Dass meine Kinder zu mir kommen, weil sie mich sehen wollen und nicht aus dem Muss herraus. Die Hoffnung habe ich, denn ich gebe meiner Tochter die ganze Liebe die ich in mir trage. Mehrmals am Tag sage ich ihr wie sehr ich sie liebe und wir umarmen uns wo wir gehen und stehen. Eine Eltern-Kind-Beziehung, wie sie schöner nicht sein kann. Trotzdem möchte ich nie so eine Belastung für sie sein, wie mein Vater es für mich ist.

Die Frage, was denn mein Empfinden gewesen wäre, wenn meine Mutter an seiner statt bei uns geblieben wäre, stellt sich mir gar nicht. Ich weiß, wie sehr ich sie liebte, wie wundervoll sie war und wie oft wir uns sahen und telefonierten. War sie mir doch das Wichtigste was ich im Leben mit hatte.

Wenn ich sie jetzt besuche, liegt sie mir zu Füßen und eines Tages wird es meiner Tochter genauso ergehen, wenn sie mich besucht. Ich steh an ihrem Grab und kann sie nicht greifen, nur bei ihrer Gedenkstätte verweilen. Gestern habe ich ihr wieder einen Besuch abgestattet und kann nur vermissen, mehr bleibt mir nicht.

Witztig war, dass ich von ihr vor Jahren mal einen alten Ring bekam, den ich mir leihen wollte. Ein Erbstück meiner Uroma. Jedenfalls kannte meine Mama mein chaotisches System und traute dem ganzen wohl nicht. Scheint wohl so gewesen zu sein, dass sie den Ring eines Tages wieder mit nach Hause nahm. Allerdings ohne es mir zu sagen... Tja, dass ich ihr den Ring wieder bringen sollte, sagte sie mir des öfteren. Ich sagte, jaja, der liege bei mir daheim (in Wahrheit hatte ich keine Ahnung wo er war). Im Nachhinein weiß ich warum sie immer so geschmunzelt hatte dabei, denn sie wußte ihn ja wohlverwahrt in ihrer Schmuckkiste. Erfahren hab ich das erst nach ihrem Tod. Wie konnte die Gute sticheln und mich hochnehmen.

Nun, die Weihnachtstage sind auch schon aufgeteilt zwischen meinem Bruder und mir, damit Papa nicht allein ist. Das Mitgefühl das wir empfinden, haben wir unserer großartigen Mutter zu verdanken, denn seiner Brutalität uns Kindern gegenüber sicher nicht. Fakt ist, dass wir ihn nicht alleine lassen, aber dass wir wissen, was man für einen einsamen alten Mann tun kann, der im Grunde keinen mehr hat, weil er sein Leben falsch gelebt hat.

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Kommentare

12:33 21.12.2008
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