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Tagebuch rispe
2009-04-04 10:44
Letzte Kraftreserven
Ich bin heut immer noch total platt, bzw. mir tun einfach die Füße weh wie Hölle. Das war vielleicht ein Tag gestern. Wow. Also, ich beginn mal von vorne...

Zuerst hab ich meine Kleine in die Schule gefahren um die Lehrerin zu fragen, ob meine Kleine heut eher gehen darf, um ihren Opa im Krankenhaus zu besuchen. Die Lehrerin ist super und hatte da auch keinerlei Einwände. Jedenfalls brauste ich, nachdem mich ca. 10 Mütter angesprochen haben wo der Kleine denn ist ( ich mein was ist das denn für ne Frage? Denken die ich hab mir nen Medizinball an den Bauch gebunden?), weiter um noch Blumen zu kaufen... Grabschale schön fertig bepflanzt. Die sieht jetzt richtig toll aus. Mama würde es gefallen.

So, jetzt mußte meine Kleine wieder von der Schule geholt werden, dann ging es weiter in die Stadt um meine Freunde, die sich netterweise bereiterklärt hatten zu schleppen, abzuholen. Leider hatten die gestern wohl ausgiebig gefeiert und hatten noch voll die verquollenen Gesichter und ein Dunst lag in der Wohnung. Puh.... Jedenfalls brauchten die ne Weile um sich zu regenerieren und dann starteten wir weiter. Zwischenzeitlich erhielt ich noch nen Anruf von nem Ebay-Verkäufer, der mir ne ersteigerte Babywanne mit Gestell vorbeifahren wollte. Also, noch mal heim... MAN.... Da war es erst Vormittag! Kind war jedenfalls ruhig im Bauch.

Dann fuhr ich rasch auf die Autobahn um bei meinem Vater im Krankenhaus vorbeizuschauen... Wollte ja auch mit ihm klären, dass ich seine Sachen aus der Wohnung hole und sie aufs Wochenendgrundstück stelle. Dass er sich nich sorgen muss und die Sachen nicht weggeworfen werden, von dieser Firma die die nächste Woche kommen wird...

Jedenfalls lag Papa immer noch auf der Intensiv, als wir dann im 100 km entfernten Hospital ankamen. War ja schon ne ganze Ecke Fahrt, die hinter uns lag. Meine Kleine wollte unbedingt mit, aber der Anblick war alles andere als schön. Ihm irgendetwas mitzuteilen, daran war gar nicht zu denken... Dieses Bild war einfach furchtbar. Seine Hände waren fixiert, er lag zusammengekrümmt im Instensivbett und das Dialysegerät pumte sein Blut durch die Schläuche. Er war völlig weggetreten. Hin und wieder kam er zu sich - so für ne halbe Minute und brabbelte irgendwas total Unverständliches. Ich sah schon an seinem Gesichtsausdruck, dass er kurz strahte wenn er uns erkannte, aber ich war geschockt. Die Tränen schossen mir in die Augen. Okay, ich war ja meistens von ihm genervt, aber ihn als menschliches Gemüse daliegen zu sehen, war schon heftig. Einige Male verstand ich was er sagte. Einmal sagte er, er wolle mit, versuchte sich von der Fixierung zu lösen, was nicht gelang und dann fragte er nach meinem Freund, den ich dann auch gleich nach mir reinschickte. Ich hatte auch das Gefühl, er erschrak, als er bemerkte, dass ich ihn betrauerte mit Tränen in den Augen. Jedenfalls riss er seine gelben Augen weit auf und starrte mich fast tröstend an. Schrecklich. Der Arzt wollte mir keine genauen zeitlichen Prognosen geben, was ja auch seriös ist. Er sagte mir aber schon, dass auch das Hirn betroffen ist, von der Unterversorgung, bzw. die Nieren und Leber auch dem Herzen zum Opfer gefallen sind. Ich weiß auch nicht, aber diese Situation war so schrecklich. Ich mein, auf einmal war ich soooo erwachsen, mit meinem Kind an der Seite und dem Baby im Bauch. Wie mein Leben seiner Wege geht und er bei der Endstation angekommen ist. Wie ich jetzt diejenige bin, die noch einige Jahre kraftvoll die Dinge lenkt um dann vielleicht auch mal so dazuliegen.

Ich ging dann erst mal raus und brauchte frische Luft. Ich wußte ja, dass ich weiter musste. Ich gab meinem Freund noch die Zeit beim Papa reinzuschauen... Eigentlich wußte ich immer, dass mein Papa wieder wird und er zumindest einen gewissen gesundheitlichen Level wieder erreicht, aber diesmal???? Ach....

Ich sammelte meine Freunde vom Café ein, die mir geduldig zuhörten... Mein Kind und Freund kamen auch noch dazu und wir fuhren in mein Heimatdorf. Dort musste ich erst mal zum Friedhof und die vertrockneten und verwelkten Schalen entfernen um die Platte zu reinigen und meine neue Schale hinzustellen. Das Grab sah wieder nach was aus. Viel Zeit um Zwiesprache zu halten blieb nicht, denn ich wußte die Wohnung wartete, außerdem waren meine Freunde mit dabei und mir fehlte die Ruhe. Also ging ich gleich weiter....

Ich gönnte mir jetzt ein kurze Pause und stopfte mir erst mal genüßlich 2 Wurstbrötchen rein und setzte mich vorm Metzger. Erst mal kurz Kraft tanken. Das war wichtig, denn ein wichtiger und auch höchst emotionaler Schritt lag ja noch bevor. Die Auflösung meines Elternhauses.

Wir fuhren nach gegönnter Auszeit gleich hin, aber ich war anfänglich total überfordert. Ein paar Stunden Zeit zu haben um durchzusehen, was sich ein Leben lang angesammelt hatte... Das ging irgendwie schlecht.

Irgenwann kam ich dann aber doch in den Tritt und packte wie ein Weltmeister. 4 Fuhren mit dem VW-Bus und dem Hänger waren es... Es war schier wahnsinnig. 7 geschlagene Stunden waren wir am räumen und völlig matsch. Ich könnte oft über meine Mama und ihren Sammelwahnsinn schmunzeln. Da fand sich z.B. eine Tüte mit ca. 20 Seifenschalen. Wer zum Henker braucht soviel davon, wenn überhaupt eine???? In allen Farben und Fariationen waren die da vorhanden.
Auch lustig waren die 40 verschiedenen Milchkännchen. Ich wüßte nicht, dass wir je eine benutzt hatten

Abends kurz nach 22 Uhr waren wir dann fertig. Zwischenzeitlich war meine Hose im Schritt geplatzt (was mir total wurscht war) und ich hatte dicke Füße wie ein Elefant. Es war Zeit heimzufahren. Die letze Fuhre waren Mamas Blumen. Die sind jetzt noch im Bus und ich muss die nachher mit meinem Freund ins Haus räumen...

Man sieht, es war ein Höllentag und ich bin mit meinem Freund und der Kleinen zuhaus angekommen einfach in die Federn gefallen.

Das Lob von meinem Freund war mir aber das Schönste an diesem Tag. Er sagte: Meinst Du ich sehe nicht was Du da geleistet hast??? Ich selbst bin fertig, aber Du trägst noch unser Kind, hast Deine Kindheit gerade in Kisten gepackt und Dich von dem Elternhaus verabschiedet und Deinen Vater betrauert. Das alles an einem Tag.

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Kommentare

22:37 05.04.2009
Voll lieb, wie ihr mitfühlt und mich unterstützt. danke
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19:21 04.04.2009
bei dem, was du da hinter dir hast, ist es eigentlich ein Wunder, dass es nicht schon gekommen ist.
Du bist sehr tapfer, und dein Freund hat dir da ja ein total schönes, ehrliches Kompliment gemacht.
Viel Glück wünsche ich dir von ganzem Herzen!
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12:08 04.04.2009
respekt. wie baby2 schon sagt, nun kann es wohl kommen
ich hoffe es lässt dich nicht zu lang warten jetzt.
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11:35 04.04.2009
Ich denke JETZT kann euer Baby auch kommen...du hast die für dich derzeit mit wichtigen Dinge erledigt...und nun hast du die "geistige" Ruhe um das Baby zu bekommen.
Mein Gefühl sagt mir...jetzt ist es Zeit für euer Baby :o)

Alles Gute für die Geburt!!!
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