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Tagebuch rispe
2018-11-02 13:39
Das Leben ist zu kurz um sich in die falsche Form zu pressen
Das Leben hat sich weitergedreht. Meine Große ist seit Juli ein Jahr in Irland. Ihre Stimmung ist inzwischen stabiler, wobei immer wieder Sehnsuchtseinbrüche kommen. Anfänglich hatte sie richtig Pech mit ihrer Gastmutter (der Vater hatte sich kurz zuvor umgebracht, wovon sie meiner Großen gar nichts mitgeteilt hatte). Dementsprechend war die Stimmung auch im Haus. Die Kinder schwer Traumatisiert, die Mutter ebenso, die nun einfach allein für die Familie sorgen musste. Sie war am Anschlag und schrie alle ständig an, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, der MIttlere Sohn 12, war sehr gewalttätig seinen Schwestern gegenüber. Das Thema "Vater" wurde einfach nicht angesprochen. Und in diese Atmospähre kam meine Sophia mit rein... Das war nicht gesund. Letztlich hat sie sich heimlich eine andere Familie in Dublin gesucht und als die Mutter mal wieder einen Wutausbruch hatte hat sie uns kontaktiert. Wir haben einen Bekannten aus Irland angerufen und der hat sie dann abgeholt. Inzwischen ist sie bei einer Dubliner Familie. Dort gefällt es ihr gut, sie kommen gut miteinander zurecht und sie ist einfach zentraler, was das Weggehen für eine 18jähre erheblich vereinfacht. Wenn sie zurückkommt, wird sie erwachsen sein. Sie vermisst schon, ihr spießiges Deutschland.Weihnachten kommt sie für 2 Wochen heim. Das wird wunderbar.

Komisch ist das schon, wenn man plötzlich ein Kind weniger zu Hause hat und es dann auch noch so weit weg ist, dass man es nicht mal eben besuchen kann. Aber ich weiß, dass diese Erfahrung für sie einen einzigartige sein wird, die sie die Welt mit anderen Augen sehen lassen wird. Das nimmt ihr keiner mehr. Sie weiß wie es ist, sich allein zu behaupten und sich in einem völlig fremden Umfeld zurecht finden zu müssen. DAs wir sie so stark machen. Das war uns wichtiger, als sie sofort nach der Schule in eine Ausbildung reinzupressen. Allerdings wird sie in den Weihnachtsferien sehr wohl Bewerbungen schreiben, denn wenn sie zurück ist, geht ihr Leben weiter...


Bei mir hat sich auch viel getan. Ich habe meinen Abschluss zur Heilerziehungspflegerin mit erfolg bestanden und im Anschluss auch einen der wenigen Studienplätze zur Heilpädagogin ergattern können. Seit Oktober sitz ich nun in der Hochschule und studiere. Irgendwie hab ich das noch nicht so recht begriffen. Das Leben als Student ist wesentlich entspannter, als ich es während der Ausbildung erlebt habe. Das wird sich zur Prüfungsphase sicherlich ändern. Auch kann ich es noch gar nicht recht glauben, dass ausgerechnet ICH tatsächlich für den STudienplatz auserwählt wurde. Mir ist schon klar, dass ich einen sehr guten Abschluss und die damit verbudene Hochschulreife erlangt habe, aber es kommt einfach nicht bei mir an. Vielleicht hat das damalige Scheitern in der Regelschullaufbahn und er Gymnasialzeit so große Spuren hinterlassen, dass mein Selbstwert gar nicht so leicht aufzumöbeln ist. Nun, schauen wir mal, ob das irgendwann auch ankommt.

Nebenher habe ich inzwischen diverse Bewerbungen laufen, denn ich möchte nebenher noch etwas dazu verdienen. Bevorzugt als FaMchkraft in der Behindertenarbeit, aber auch eine geringfügige Bürostelle wäre okay (immerhin bin ich ja auch gelernte Kauffrau). Da mein Mann Erzieher ist, wäre ein reines Studentenleben viel zu kostspielig. Einen Kredit (den es ja für ältere Studenten gibt) möchte ich nicht unbedingt aufnehmen.


Ich find es jedenfalls erstaunlich, welche Fahrt mein Leben aufgenommen hat, welche Freude ich inzwischen am Lernen gefunden habe und dass ich gerade (ohne dass ich es wirklich checke) übver mich hinauswachse. Mein Mann steht hinter mir, das ist wichtig.

Dass man nie zu alt ist um seien Träume zu erfüllen, dass hab ich jedenfalls verinnerlicht. Denn mit 40 und mit 3 Kindern im Hintergrund fängt nicht jeder an zu studieren. Aber das Leben ist einfach zu kurz um sich in die Falsche Form pressen zu lassen.

Kommentare

01:47 04.11.2018
Das liest sich richtig gut! Dann mal Daumendrück für ein erfolgreiches Studium!
Und die erste irische Gastfamilie - unglaublich
Good luck !
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07:14 03.11.2018
Das hört sich für mich nach einer tollen Entwicklung aller an. Deine Tochter wird sogar aus der schlechten Erfahrung viel lernen...zB, dass es immer eine Lösung gibt. Und du bist mit deinem Studium sicher auch ein Vorbild. Viel Erfolg!
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16:03 02.11.2018
Schön dass es euch gut geht.

Schon hart, dass deine Tochter erst so einen schweren Start dort hatte. Aber gut, dass sie dort weg konnte
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