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Tagebuch Rain
2005-07-08 00:42
London
Die letzte Zahl,die ich mitbekommen habe,bevor ich einfach nicht mehr konnte...
... 37 Todesopfer und eine sehr große Anzahl Verletzter,davon Schwerverletzte,unter anderem mit Verbrennungen und Amputationen.
So viele Menschen,die hoffnungsfroh und unschuldig in einen neuen Tag gestartet sind.
Menschen auf dem Weg zur Arbeit,zu Freunden und Verwandten.
Touristen,aufgeregt,diese wunderschöne,offene und freundliche Stadt zu erkunden.
Fröhliche Menschen und Menschen,die Kummer auf dem Herzen hatten.

Keine Naturkatastrophe,keine Technik,die versagt hat,keine Monster wie im Horrorfilm.
Nein,es waren Menschen,die dies ihren Mitmenschen und deren Angehörigen bewusst angetan haben.Menschen,denen sie nie zuvor begegnet sind,die ihnen nichts getan haben.
Haben Leben ausgelöscht und zerstört,Lebensträume und Hoffnungen durchkreuzt und zunichte gemacht,Wunden geschlagen,die vielleicht niemals mehr heilen werden.

Vor wenigen Tagen noch hat sich ein Schriftzug eingebrannt in meine Seele,während der Live 8 - Übertragung:

"These are your fellow human beings"(so lautete er,denke ich).
Your fellow human beings.Deine Nächsten.

"...Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst..." - das Gesetz,das alle zehn Gebote beinhaltet,das höchste aller Gesetze.

Mir wurde bewusst,dass ich dieses Gebot der Liebe nicht annähernd hinreichend gelebt habe.Im Rahmen meiner Möglichkeiten habe ich versagt,
habe meine Nächsten im Stich gelassen,die Hunger und Krankheit erleiden,während es mir gut geht.

Nun aber haben Menschen ihre Mitmenschen,Geschöpfe Gottes wie sie selbst,aktiv getötet,ihnen Arme,Beine,Gesichter,Träume und so viel mehr geraubt.
Welche Ideologie auch immer dahinter steckt,es macht für mich keinen Unterschied.
Was mich so sehr quält ist der Gedanke,dass es Menschen gibt,die der Meinung sind,ihre Sache rechtfertige dieses Opfer.
Was mich quält ist,dass es Hass gibt,der jedes Mitgefühl,jede Menschlichkeit tötet,so dass Menschen anderen Menschen diese Dinge antun können.

Hass löst niemals ein Problem.
Rache löst niemals ein Problem.
Beides beendet nicht den Kreislauf von Schmerz und Gewalt und dem Leid unschuldiger Menschen,
sondern nährt ihn und erhält ihn am Leben.

Wer darauf setzt,durch Rache und durch Hass Befreiung und Erleichterung von ihm zugefügten Leid oder Unrecht zu erlangen,
betrügt sich selbst.
Unterwirft sich und opfert und dient eben der Macht,
die ihn selbst verletzt und zerstört hat.

Ich möchte weinen und kann doch nicht weinen.

In der Bibel steht:
Lass Dich nicht vom Bösen überwinden,sondern überwinde das Böse mit dem Guten.

Manchmal aber ist das Ausmaß an Schmerz so groß,dass es unsere Sinne so unvorstellbar übersteigt,so dass es uns schier unmöglich erscheint,noch Liebe in unseren Herzen aufzubringen,um dem Hass zu widerstehen,der sich unserer Herzen bemächtigen will.

Und doch wünsche ich mir so sehr,dass die Menschen,die jetzt unter ihren Schmerzen,seelisch und körperlich,zusammenbrechen,
dennoch die Kraft haben,
diesem Hass zu widerstehen.

Um ihrer selbst willen.

Dass die Liebe den Hass besiegt,
der sie sonst verzehren würde,
dass nicht der Hass
am Ende Sieger über alle ist,
über die Täter,die vielleicht selbst einmal Opfer waren,
und über diejenigen,die sie jetzt zu Opfern gemacht haben.

Ich bin stolz auf all jene,die geholfen,Ruhe bewahrt,beruhigt und getröstet haben,wo und wie sie nur konnten,die in all dem Chaos da waren und da sind für all jene,die sie brauchen.
Und ich hoffe und bete für die Betroffenen und für uns alle,dass es uns gelingt,die Liebe in uns nicht sterben zu lassen.

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2005-07-08 00:42