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Tagebuch pitoresk
2008-04-25 11:01
gut gekaut ist halb verdaut
Wenn es einen Berg gäbe, auf dem man die ganzen superklugen Sprüche, die man so im Laufe seines Lebens von den Eltern, Großeltern und anderen Verwandten zwangsweise zu hören bekommt, dieser "Sprücheberg" würde schnell der höchste Berg der Erde sein. Einer dieser Weisheiten, an denen wohl noch niemand vorbei gekommen ist, lassen Eltern regelmäßig beim gemeinsamen Mittagessen ab: gut gekaut ist halb verdaut. Mit anderen Worten, man solle doch langsam essen.

Ich bin ein Schnellesser, ein Schlinger. Ich kontere in der Regel mit einem anderen Allgemeinplatz zurück: wer schnell isst, arbeitet schnell. Wer sich wohl diesen Spruch ausgedacht hat?

Jedenfalls kommen mir dabei immer philosophische Gedanken, wie wenig man eigentlich eine gute Verdauung bei sich zu schätzen weiß. Alles selbstverständlich, was? Dabei ist der Verdauungsapparat ein hochkomplexes System, durchzogen von unendlich viel Nervensträngen und es ist zudem sehr störanfällig. Also eigentlich ist es schon sehr seltsam, wenn hier alles reibungslos funktioniert.

Je älter man wird, desto mehr freut man sich dann das gewisse Selbstverständlichkeiten noch funktionieren: das man beim Laufen keine Schmerzen hat, das man gut schlafen kann, das die Verdauung funktioniert. Und tatsächlich wusste ja schon der Philosoph Epikur, dass es vier essentielle, also lebenswichtige, Dinge im Leben eines Menschen gibt, die er jeden Tag benötigt: Essen, Trinken, Schlafen und Freundschaft. Wenn man auf eines dieser vier Dinge auch nur für einen Tag verzichtet, wird man dies mit seiner physichen und psychischen Gesundheit bezahlen müssen. Neben diesen sogenannten primären Notwendigkeiten, gibt es noch die Sekundären, die nicht lebensnotwendig, aber nützlich sind. Dazu zählte der Philosoph pikanterweise die Sexualität.

Es ist übermittelt, dass sich Epikur oftmals, nach langer Enthaltsamkeit, eine Hure bestellte (nichts ungewöhnliches im antiken Griechenland), dem Druck aber bis zum Eintreffen der Dame nicht aushielt und sich zuvor selbst erleichterte. Was ein wenig seiner eigenen Theorie widerspricht, da er Sexualität als natürlich, aber nicht notwendig kategorisierte. Es ist eben doch notwendig.

Und dann gibt es laut Epikur noch die tertiären Freuden, die weder natürlich noch notwendig sind, die eitlen Freuden. Das sind all die Freuden, die heute im Fokus der Öffentlichkeit stehen: also, sich schick anziehen, schminken, ausgehen, ein dickes Auto fahren etc. Und der Philosoph mahnte; wer eine eitle Freude befriedigen will und dafür eine primäre Freude vernachlässigt (zum Beispiel nicht mehr ausreichend schläft), der kann niemals glücklich sein. Interessante Gedanken, oder?

Das Leben ist doch wirklich merkwürdig. Am Anfang sorgen die Eltern dafür, dass das Kind nach dem Essen ein Bäuerchen macht. Der Säugling kann sich sprachlich nicht artikulieren und macht in die Hose. Und genau so endet dann das Leben als alter Mensch: man kann sich bei Alzheimer sprachlich nicht mehr ausdrücken, man hat die Körperfunktionen nicht mehr so unter Kontrolle (unwillkürlich muss man pupen und rülpsen und gibt dem nach) und man macht wieder in die Hose. Der Kreis schließt sich damit. Wer sich das Leben ausgedacht, muss ein Komiker gewesen sein.

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Kommentare

16:05 25.04.2008
Lese heute das erste mal bei dir - und mein erster Gedanke - schade, das ich dich nicht schon vorher "entdeckt" habe. Du schreibst sehr eindrucksvolle Beiträge - werde wohl hier noch einiges nachzuholen haben.

Wünsche dir ein schönes und vor allem sonniges Wochenende! LG
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2008-04-25 11:01