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Tagebuch PetraM
2017-04-24 13:51
Mo. 24. April 2017 (Zwischeneintrag)
Ich stehe seelisch völlig neben mir, muss jetzt erst mal alles verarbeiten.

Heute Morgen bin ich normal zur Arbeit gefahren, habe dort mit der üblichen Routine (Post, Telefon usw.) angefangen.

Dann "leuchtete" mein Handy, dass ich einen Anruf bekomme. Diese Nummer kannte ich nicht. Aber ich kriege viele "Werbeanrufe", reagiere darauf deswegen nicht.

Unser Krankenhaus hat eine ähnliche Nummer. Ich wurde direkt total nervös. Kurz darauf bekam ich die Mitteilung, dass jemand auf meine Mail-Box gesprochen hat. Das habe ich natürlich sofort abgehört.

Ja, das Krankenhaus. Meiner Mutter geht es nicht gut. Ich solle bitte so schnell wie möglich dorthin kommen. Mehr wollten sie am Telefon nicht sagen.

Ich fing sofort total an zu zittern, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Meinen Tisch habe ich nur "etwas" aufgeräumt (Computer ausgemacht), einen Teil der Sachen ließ ich direkt dort.

Meine gute Kollegin kam direkt an, dass sie mich zu dem Krankenhaus fahren würde. Das fand ich total lieb von ihr. Ich war so durch den Wind, konnte nicht mehr klar denken. Immer wieder kamen mir (auch vor Angst) die Tränen.

Die Autobahn war frei, ruck-zuck war ich im Krankenhaus.

Ich meldete mich sofort auf der Station. Ich musste dann erst (ein paar Minuten) in einer Ecke warten. Mir wurde schon gesagt, dass meine Mutter nicht mehr auf dem bisherigen Zimmer liegen würde. Ein ganz schlechtes Zeichen.

Dann kam die Ärztin. Sie ging mit mir direkt zur Intensivstation. Dort liegt meine Mutter auf einem Einzelzimmer.

Sie ist letzte Nacht ins Wachkoma gefallen. Sie starrt vor sich hin, spricht nicht, guckt durch einen hindurch, reagiert auf gar nichts mehr. So wurde sie heute Morgen von der Krankenschwester aufgefunden.

Die Ärztin hat mir erzählt, dass an der Leber wohl doch Metastasen sind. Die Leber und die Nieren haben die Tätigkeit eingestellt. Die Leber ist dafür da, Fremdstoffe aus dem Körper zu transportieren. Ohne Leber wird sie in Kürze eine Blutvergiftung bekommen.

Die Ärztin geht davon aus, dass ihr Bauchraum (der doch so aufgebläht ist) ebenfalls voller Metastasen ist.

Es gibt gar keine Chance mehr. Sie gehen nicht davon aus, dass sie nochmals richtig ansprechbar sein wird. Sie bekommt ab sofort ganz starke Schmerzmittel (noch höhere als bisher) und Schlafmittel (da sie immer so unruhig ist, sich hin und her wälzt).

Bisher wurde sie ja noch gegen Krebs behandelt, für Mittwoch stand ja die nächste Chemo an. Ich musste ihr mein Einverständnis dafür geben, dass ab sofort alle Behandlungen (bis auf Schmerzmittel und Schlafmittel) eingestellt werden.

Nach Hause kommt sie ganz bestimmt nicht mehr.

Es kann schnell gehen (womöglich schon kommende Nacht, in den nächsten Stunden), kann sich so aber auch noch über Wochen hinziehen.

Aber mit vielen Wochen ist nicht mehr zu rechnen.

Ich musste auch ihr auch verbindlich sagen (eine andere Ärztin war als Zeugin mit dabei), was sie im Falle eines Herzstillstandes machen sollen, womit sie früher oder später halt rechnen. Reanimieren oder nicht? Aber danach würde sie nur weiterhin im Wachkoma vor sich hin vegetieren. Nein, darüber hatten wir schon vorher (auch mit meiner Mutter) gesprochen. Wenn es passiert, wenn das Schicksal entscheidet, dann akzeptieren wir es.

Es gibt verschiedene Varianten vom Bauchspeicheldrüsen-Krebs. Meine Mutter hat eine sehr aggressive Variante. Dass es so schnell wächst, jetzt plötzlich so schnell gehen würde (mit Ausfall der Leber und diesem Wachkoma), damit hatte gar keiner gerechnet. Die Ärztin hat wirklich gedacht, dass die Chemo helfen würde, der Krebs langsamer wächst, dass sie noch ein paar Jahre hätte (und in Kürze wieder nach Hause könnte). Mit dieser Situation hat gar keiner gerechnet.

Sie ließen mich dann mit meiner Mutter alleine. Ich war noch ein paar Minuten bei ihr, konnte es seelisch aber nicht. Meine Mutter konnte rund um die Uhr bei meinem Vater und ihrem Freund (letztens) am Sterbebett sitzen, auch als beide im Koma lagen. So bin ich aber nicht, das schaffe ich seelisch nicht.

Meine Mutter war "wach". Sie war am stöhnen, wollte sich im Bett immer wieder hinsetzen (die Ärztin wollte ihr kurze Zeit später wieder eine Schlaf-Spritze geben). Vielleicht hatte sie auch "Druck", musste aufs Klo. Sie hatte zwar eine "Windel" an, aber sie hatten vergessen, ihr einen Katheder zu legen (auch das sollte kurz danach dann noch gemacht werden).

Ich streichelte ihre Hand und ihre Wangen, sagte immer wieder zu ihr, "Mama, ich bin es, es kommt gleich jemand, der dir hilft". Immer und immer wieder. Aber sie reagierte gar nicht auf mich. Laut Ärztin (ich traf sie dann nochmals auf dem Flur) hat sie mich auch nicht erkannt. Sie würde zwar spüren (wahrnehmen), wenn jemand in ihrer Nähe ist, aber wer das ist, was derjenige will, das bekommt sie nicht mehr mit.

Ja, also ich dort dann nach ein paar Minuten wieder raus kam, empfing mich draußen schon die Ärztin. Wir gingen zum "Emfang" der Intensivstation. Dort musste ich auch (nochmals) unsere Telefonnummern (also Handy und Festnetz) angeben. Für den Fall der Fälle würden sie mich rund um die Uhr anrufen. Wenn ich möchte, könnte ich dort rund um die Uhr zu meiner Mutter kommen.

Sie boten mir ein Glas Wasser an, aber ich wollte nicht (hatte ja eh meine Arbeitstasche und Wasser dabei). Sie boten mir auch seelsorgerliche Betreuung an, aber ich wollte nur noch dort raus. Raus an die Luft. Mein Freund hat noch Frühschicht (ist etwa in einer Stunde zu Hause). Er hat schon auf meinen Anruf gewartet (sein Chef wusste schon Bescheid, dass ich anrufen würde). Ich wollte ihm erst mal alles erzählen. Er hatte schon so was befürchtet, so schlecht wie meine Mutter gestern schon drauf war.

Ja, heute ist also der 1. Tag vor dem Tag X, also ihrem Todestag. Keiner weiß, wie lange es dauert, wie es jetzt weiterhgeht. Aber besser wird es ganz bestimmt nicht mehr.

Ja, ich weiß auch gar nicht, was dann im ganzen (wenn sie stirbt) auf mich zukommt.

Sie hat ja immer noch einen relativ großen Bekanntenkreis. Ihre Handys wurden aus gemacht, die haben sie in ihrem Tischchen liegen gelassen.

Auf die Intensivstation kommen nur die nächsten Angehörigen (also ich und mein Freund, im Prinzip auch ihre Schwester, aber mit der habe ich ja eh keinen Kontakt).

Ja, wie das jetzt läuft, weiß ich auch noch nicht. Meine Telefonnummer und Handynummer kennen nur wenige. Auf jeden Fall nicht die Bekannten meiner Mutter. Unsere Telefonnummer ist auch eine Geheimnummer.

Die Anderen wollen sie anrufen oder besuchen gehen und erfahren dort nichts (Datenschutz, nur ich bekomme Auskunft). Ja, das weiß ich wirklich noch nicht, wie das jetzt läuft. Im Grunde sind mir diese fremden Personen auch egal, viele von denen kenne ich persönlich ja gar nicht. Aber trotzdem haben auch sie ein Anrecht darauf zu erfahren, was mit meiner Mutter los ist.

So, jetzt muss ich erst mal was essen. Heute Mittag war es mir vor Aufregung total schlecht. Ich musste hier dann erst mal schreiben, erst mal wieder alles los werden. Aber jetzt knurrt langsam mein Magen. Jetzt muss ich was essen.

Seelisch geht es bei mir jetzt total Auf und Ab. Es kommen immer wieder ein paar Tränen, dann beruhige ich mich wieder, denke an was anderes, bis dann die nächsten Tränen kommen.

Nein, dass es jetzt so schnell geht, damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Es ist seelisch wirklich verdammt schwer und hart für mich.

Kommentare

02:33 25.04.2017
Das war ja wirklich schockierende Momente - erinnert mich (natürlich) auch an diese harten Zeiten mit meinen Eltern, auch wenn es nun schon ein paar Jahre her ist.
Und ich finde es gut, dass Du, entsprechend den vorangegangenen Gesprächen mit Deiner Mutter, keine Verlängerung anstrebst. Hatte seinerzeit bei meinem Vater nicht den Mut dazu, ließ nach einem Arztgespräch nochmals eine Therapie machen, das hat den Krankenhausaufenthalt dann nur um 2-3 Wochen verlängert, hätte nicht sein müssen, im Nachhinein ...
Dir die besten Wünsche!
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19:26 24.04.2017
Es tut mir auch leid, dass du gerade so schwer zu tragen hast.
Andererseits ist es ja auch im Sinne deiner Mutter, dass sie nicht mehr ewig lange leiden muss - sie hatte nach der ersten Chemo ja schon so etwas angedeutet, oder?
Vielleicht kannst du dich damit trösten, dass deine Mutter im Wachkoma vermutlich wenig Schmerzen hat und die Ärzte sicher auch viele Medikamente geben, damit sie sich nicht quälen muss.

Die Bekannten deiner Mutter werden ja spätestens durch eine Todesanzeige erfahren, was geschehen ist, wenn man diese in die örtliche Zeitung setzt. Sie sollten im Moment wirklich nicht deine Sorge sein, denn besuchen könnten sie deine Mutter ja ohnehin nicht.

Weine nur. Das tut gut - auch wenn es nichts ändert.

P.S. siehe auch private Nachricht
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15:19 24.04.2017
Danke Ja, es ist wirklich sehr hart.
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14:37 24.04.2017
Das tut mir sehr leid.
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