Die Verabredung
Bevor ich den Ort auswählte, hatte ich darüber nachgedacht, welcher für unsere Verabredung wohl am passendsten sein könnte. Es gibt viele Winkel in der Stadt, aber auch kleine Dörfer in der Umgebung und entfernte Ortschaften auf dem Land, die uns besonders gefielen, und wo wir uns auch oft getroffen hatten. Aber dieser Platz entspricht Dir mehr als jeder andere, und deswegen habe ich ihn ausgewählt. Vor meinen Augen verdoppelten ein tiefes Blau die weißen Segel. Ein schimmerndes Grün - abgetönt und versilbert in den Olivenbäumen, strahlend in den Blättern der Johannisbrotbäume, irisierend in den Pinennadeln - eröffnet mir Wege der Hoffnung und lässt mich Dir näher sein.
Ich bin zu einer viel früheren Uhrzeit hierher gekommen, als wir uns gewöhnlich verabredeten, weil für mich unsere Begegnung mit Tagesanbruch begonnen hat. Von hier habe ich die aufgehende Sonne betrachtet, und ich habe sie aufsteigen sehen, gelb und anschwellend bis zur prallen Mittagssonne. Und jetzt, wo der Abend herabsinkt, lausche ich ungeduldig und gespannt auf die Autos, die die Straße entlangfahren, auf einen Motor, der abgestellt wird. Im Augenblick habe ich kein Glück. Deshalb beginne ich Dir zu schreiben. Wie geht es Dir, und wo bist Du? Meine Vorstellungskraft lässt nach, wenn zuviele Kilometer zwischen uns liegen. Manchmal denke ich, sie ist schwach, weil sie nur Dinge und Personen erreicht, die nahe sind; fast zum Greifen nahe. Für mich ist es einfach, dich an meiner Seite zu denken, so als ob Du schon dagewesen wärst, als ich hierher kam.

Carmen Riera

Hinter diesem Text steckt mehr als ein Funken Fantasie...