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Tagebuch Necki
2005-12-28 19:55
Das Buch der lächerlichen Liebe
Das Buch der lächerlichen Liebe
Milan Kundera

In merkwürdige Sehnsüchte und Begierden verstrickt sind Kunderas Helden in den sieben thematisch miteinander verbundenen Erzählungen. Die Macht der Gefühle erweist sich jedoch zuletzt stets als Maskierung und die Liebe als lächerliches Spiel, bei dem es zuweilen um Kopf und Kragen geht. Episodenhaft werden verschiedene Arten der Liebe zwischen unterschiedlichen, komischen Paaren vorgeführt, wie etwa zwischen dem Herrn Assistent und Klara sowie den Zatureckys im ersten Teil. Stets ist die Liebe dabei nicht ehrlich, sondern einseitig, unmöglich oder einfach nur ungleich motiviert. Zwischen kleinen Momenten des Glücks und der Harmonie, die Kundera beschreibt, müssen die Paare jedoch in grotesken Situationen die Absurdität ihrer Beziehungen erkennen.

Ein paar Auszüge aus dem Buch.

...Martin kann, was ich nicht kann. Jede beliebige Frau auf jeder beliebigen Straße ansprechen. Ich muss gestehen, dass ich in der langen Zeit, da ich Martin kenne, einiges von seinen Fähigkeiten profitiert habe, ich liebe die Frauen nicht weniger als er, doch fehlt mir seine draufgängerische Frechheit. Martin hingegen hat den Fehler, dass für ihn die sogenannte "Festnahme" der Frauen häufig virtuoser Selbstzweck ist, bei dem er es dann bewenden lässt. Deshalb sagt er oft, nicht ohne eine gewisse Bitterkeit, er gleiche einem Stürmer, der seinem Mitspieler uneigennützig die Bälle zuspiele, worauf dieser dann billige Tore schieße und billigen Ruhm ernte....

...Ich dachte ständig an diese Fahne. Und auch daran, dass es bei dieser Frauenjagd von Jahr zu Jahr immer weniger um die Frauen und immer mehr um die Jagd als solche ging. Unter der Voraussetzung, dass es von vornherein um eine "vergebliche" Verfolgung geht, kann man täglich eine beliebige Anzahl von Frauen verfolgen und so aus der Jagd die "absolute Jagd" machen. Ja: Martin geriet langsam in eine Situation, in der es nur noch um die absolute Jagd ging...

...Martin saß neben mir und erholte sich langsam von seinem Unmut.
"Hör mal" sagte er zu mir, "ist diese Medizinstudentin wirklich so erstklassig?"
"Ich sag´s dir doch. Auf dem Niveau deiner Jarmila."
Martin stellte mir weitere Fragen. Ich musste ihm die Studentin von neuem schildern.
Dann sagte er: "Vielleicht könntest du sie mir nachher übergeben, oder nicht?"
Ich wollte glaubwürdig bleiben: "Das dürfte schwierig sein. Es würde ihr sicher etwas ausmachen, dass du mein Freund bist. Sie hat strenge Prinzipien..."
"Sie hat strenge Prizipien...", sagte Martin traurig, und man konnte sehen, dass er es bedauerte.
Ich wollte ihn nicht quälen.
"Es sei denn, ich täte so, als würde ich dich nicht kennen", sagte ich. "Du könntest dich vielleicht für jemand anderen ausgeben."
"Phantastisch! Zum Beispiel für Forman, wie heute."
"Auf Filmleute pfeift sie. Sportler sind ihr lieber."
"Warum auch nicht?" sagte Martin, "das lässt sich alles machen", und nach einer Weile waren wir mitten in einer Debatte. Der Plan wurde von Minute zu Minute konkreter und schaukelte in der anbrechenden Dämmerung bald schon vor uns wie ein schöner, reifer, leuchtender Apfel.
Erlauben Sie mir, diesen Apfel mit einer gewissen Feierlichkeit den goldenen Apfel der ewigen Sehnsucht zu nennen....

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