Luxus
Es ist kurz vor 23:30 Uhr und ich merke, ich gewöhne mich immer besser an die Zeitumstellung.
Mein Magen arbeitet wieder relativ normal und müde werde ich auch erst, wenn es dunkel wird.
Dieser Tag war irgendwie eigenartig.
Ich stand morgens um kurz nach 08:00 Uhr auf, ging in den Frühstücksaal des Mariott-Hotels in dem ich wohne und widmete mich der Tageszeitung.
Das Handy klingelt, L. ist dran.
Ich hob ab. Sie strahlte durch dieses Telefon. Sie strahlte so wahnsinnig, dass ich Angst hatte, sie hätte etwas genommen.
Doch nichts! Sie ist glücklich, ihr Leben gefällt ihr auf einmal…
Das war das erste Mal das ich aus ihrem Mund gehört habe „Ich liebe mein Leben!“.
Das war es nur, was sie mir nur mitteilen wollte.
Mittags war ich mit Ch. und seinem Lebensgefährten, den verurteilten Sexualstraftäter S. zum Essen verabredet.
Ich verließ das Hotel und ging durch die Stadt zum verabredeten Punkt.
Während ich durch Downtown schlenderte, zündete ich mir eine Zigarette an.
Ich ging, meine Gaulloises im Mund und auf einmal fühlte ich mich ein bisschen fremd.
Ich fühlte mich, als würden mich alle anstarren (obwohl das nicht der Fall war).
Singapur ist ein striktes No-Smoker-Land.
Hier ist es absolut selbstverständlich in öffentlichen Einrichtungen wie auch auf belebten Plätzen nicht zu rauchen.
Aber ich bin ein Suchtbolzen. Ich brauche dieses verdammte Nikotin um meine Gedanken zu ordnen, um für einen kurzen Augenblick aus mir auszubrechen.
Ich brauche den beißenden Rauch in meinem Hals, um auszunüchtern!
Und der ekelhafte Husten, der sich manchmal blicken lässt ist das Ergebnis meines masochistischen Verhaltens meiner Lunge gegenüber.
Nach dem Essen ist es ein Genuss!
Also kurz gesagt, Zigaretten oder eine Zigarre hab ich immer bei mir.
Nur das mit einem Raucherzimmer im Hotel war ein Problem.
Dann muss ich es eben heimlich tun! Auf dem Balkon… Ich kann nicht wegen jeder Zigarette die elf Stockwerke runterfahren…
Mittags traf ich also Ch. und S.
S. war groß! Fast so groß wie ich (und bei mir sind es stolze 1.94 m).
Ch. (mickerige 1.78 m groß) sieht aus wie sein kleiner Bruder.
S. lächelt mich an und gibt mir seine Hand. Ich weiß nicht, aber ich sehe immer diesen Menschen, der ein kleines Mädchen vergewaltigt hat vor mir. Es war zwar damals 16 und das Opfer 13 aber ich weiß nicht ob das Alter irgendetwas rechtfertigt... .
Im Gespräch beim Essen zeigt sich, das S. sehr gebildet ist. Er studiert Politologie in Singapur.
Wir haben uns blendend unterhalten und manchmal Ch. dabei abgehängt… .
Er war nicht sauer, er hat sich gefreut.
Den Nachmittag über haben wir noch einen kleinen Stadtbummel gemacht.
Und als ich Abends beim Essen saß und aus dem Fenster des Hotelrestaurants blickte fragte ich mich, ob das Fassade war, von diesem Frauenschänder oder ob er wirklich so herzlich ist wie er aufgetreten ist.
Ich würde den Gedanken darüber, was er gemacht hat, aus der Welt lassen, denn er scheint sich geändert zu haben, doch irgendetwas in mir versucht es zu verhindern… Warum zum Teufel?

Und so sitze ich auf dem Balkon meines Hotelzimmers, blicke auf die beleuchtete Stadt, rauche eine Zigarette, trinke ein Glas australischen Shiraz und denke mir … Scheiße, was für ein Luxus!