Seit Monaten begleitet mich dieser Spruch sowohl auf den Weg ins Büro als auch auf den Weg nach Hause und wenn ich ehrlich bin, dann trifft der Spruch auf mich zu. Und gerade nach dem Vorfall vom letzten Samstag paßt das wie die Faust aufs Auge. Gut, mittlerweile reden mein Vater und ich wieder normal miteinander, aber man kann eben nie wissen, wann es zum nächsten Krach kommt. Ich nehme mir jedes Mal vor, den Mund zu halten, aber das kann ich einfach nicht. Warum soll ich mich auch immer ruhig verhalten? Wenn jeder seine Meinung sagen darf, darf ich das doch wohl auch. Gleiches Recht für alle. Ich habe da noch die Worte im Ohr, die meine Mutter mal sagte, als wir am Bodensee waren: wenn man sich gut versteht, dann kann man sich auch mal die Meinung sagen. Seit wann? Keine Ahnung. Ich habe auch sogar meine Freiheiten. Ich weiß allerdings nicht, wann ich die nehmen kann. Sitze ich am Rechner, fragt meine Mutter, ob ich schon von der Arbeit zu Hause bin. Wenn ich für sie was bestellen soll, dann kann es meiner Mutter nicht schnell genug gehen. Über all diese Sachen habe ich mehr als einmal gesprochen, aber so lange man mich nicht in Ruhe läßt, sehe ich mich leider gezwungen, mir das von der Seele zu reden. Wenn es mehr nicht ist, dann ist alles gut.

Wir sind fertig: mit dem Bad, mit den Nerven, mit allem. Heute haben meine Eltern den Rest aufgeräumt und geputzt. Morgen kommt der Typ, um das Bad abzunehmen und zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Ich kann mich nicht beklagen. Länger hätte ich die Handwerker nicht ertragen können. Wenn mein Vater auf die Idee gekommen wäre, die Küche zu tapezieren, wäre ich ins Hotel gezogen. Man kann es auch etwas übertreiben. Genau wie das ständige Gemecker meiner Mutter. Auf der einen Seite geht ihr das alles auf die Nerven, auf der anderen Seite findet sie es toll, wie sehr ihr mein Vater hilft. Was will sie denn? Auch das ist mir mittlerweile egal. So lange ich meine Ruhe habe, ist mir alles egal. Wir bekommen nächste Woche Freitag ein neues Auto. Am Montag hat sich mein Vater das Auto gekauft. Es ist in weiß, eine Farbe, die mir nicht wirklich paßt. Meine Mutter findet die Farbe schön, aber Geschmäcker sind ja verschieden. Vielleicht gefällt mir die Farbe ja auch, wenn wir das Auto haben. Ich lasse mich überraschen. Wenn ich im nächsten Jahr an den Bodensee komme, ist mir so alles egal. Mein Chef kann die Entscheidung nicht verstehen. Das kann ihm doch egal sein. Mein Vater muß das Auto fahren und nicht er. So sehe ich das. Er soll sich lieber um seinen Kram kümmern.

Meine Mutter geht mir mal wieder auf die Nerven. Gut, wann macht sie das nicht, aber das macht den Braten nun auch nicht mehr fett. Da erzählt sie mir wirklich und tatsächlich, daß man zu ihrem Geburtstag einen Gast eingeladen hat. Ich weiß nicht, ob sich meine Mutter das vorstellen kann, aber ich war bei dem Telefonat dabei. Das hat sie gar nicht mit bekommen. Sie war der Meinung, daß mein Vater am Dienstag das Telefonat geführt hat. So kann man sich täuschen. Wenn es schon so weit ist, dann ist das traurig. Zumindestens hat sie heute eingesehen, daß sie gewisse Dinge mehrmals fragt. Das ist doch mal ein Anfang. Ich frage mich, wie das passieren kann. Meine Mutter liest die Tageszeitung, sie liest mittlerweile wieder Bücher, was das Zeug hält und die Nachrichten sieht sie auch jeden Tag. Es kann also nicht so schwer sein, sich gewisse Dinge zu merken. Daß man was vergißt, ist normal, das passiert mir auch oft und ich bin ein paar Jahre jünger wie meine Mutter. Aber das, was meine Mutter bringt, ist wirklich nicht mehr feierlich. Vielleicht gibt sich das ja irgendwann. Und wenn nicht, dann ist das eben so. Gut möglich, daß es schlimmeres gibt, ich weiß es nicht und wenn ich ehrlich bin, dann will ich es auch nicht wissen. Es bringt ja doch nichts.