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Tagebuch MI
2006-06-19 15:52
Worüber ich wenig schreibe (7)
Es gibt einige Dinge, die ich hier in meinem Tagebuch ausklammere oder auf die ich wenig zu sprechen komme. Das hängt einerseits damit zusammen, daß diese Dinge an meinem Selbstbild kratzen bzw. mir unangenehm sind (man soll das Selbstbild doch einfach mal Selbstbild sein lassen), und daß sie in der Regel unabänderlich sind bzw. offenbar nicht in meiner Macht stehen.

Ich schreibe wenig über Sex, weil ich keinen habe, seit die Kinder da sind. Das frustriert mich sehr, aber es scheint nicht in meiner Macht zu liegen, daran etwas zu ändern. Wenn Sex nun einmal nicht stattfindet, dann kann ich nur darüber schreiben, daß er nicht stattfindet und mich das frustet.

Meine berufliche Situation hat sich seit meinem Berufseintritt vor gut 10 Jahren wenig geändert. Natürlich gab es innerhalb der Laufbahn einige neue Wege, die ich beschritten habe. Aber der ganz große Wurf ist nicht dabei und ich bin nach wie vor ratlos, wie ich den mal zustande bringen kann.

Da gibt es immer noch diese klassische Filmszene, die ab und an bei mir abgespielt wird: Mann kommt nach Hause, schmeißt die Tasche in die Ecke und sagt: "Ich habe gekündigt, weil ich eine viel bessere Stelle gefunden habe!" Oder: Mann kommt mit Sektflasche nach Hause: "Ich wurde befördert und erhalte endlich mehr Geld für meine Arbeit, angemessen mehr Geld und für uns spürbar mehr". Irgendwie so was. Stattdessen dümpelt alles vor sich hin und spinnt mich manchmal zu.

Es ist wenig Auflehnung in mir, was immer ich versuche oder wonach immer ich auch Ausschau halte, es zeigen sich keine großen Möglichkeiten am Horizont. Vielleicht ist das ja dazu gedacht, daß ich mich eines Tages einfach nur darüber freuen kann, überhaupt Arbeit zu haben und genug Geld zu verdienen, um damit eine fünfköpfige Familie durchzubringen. Das ist ja in heutigen Zeiten nicht mehr selbstverständlich.

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Und dann ist da noch unsere Wohnsituation: eigentlich leben wir viel zu beengt, wenn auch in einem sehr netten Haus, das zu verlassen uns sicher schwer fallen wird. Auch hier tut sich nichts. Kürzlich ist ein Maler unten ausgezogen. Nur sein Lager, ein einfacher Raum im Erdgeschoss, will er behalten. Dabei könnten wir dieses Zimmer so gut gebrauchen und würden es sofort mieten, wenn es frei wäre! Unsere Wohnsituation würde sich damit schlagartig kräftig verbessern. Ein weiteres Kinderzimmer mit eigenem Schlüssel, oder als Gästezimmer zu benutzen. Ja, das wäre schön. Da ist er wieder, der Konjunktiv. Warum mußte er das Zimmer denn behalten?

Erste zaghafte Versuche, nach einer größeren Bleibe Ausschau zu halten, gehen einher mit Überlegungen, wie wir dann mit weniger Geld auskommen sollen. Es ist so zwar genug und wir müssen nicht jeden Cent umdrehen, bevor wir ihn ausgeben. Aber wenn wir mehr fürs Wohnen ausgeben müssen, dann könnte sich das ändern.

Daß meine Partnerin zu Hause bei den Kindern bleibt und "nur" Mutter ist - ein weiterer dieser offenbar unverrückbaren Punkte - wird uns in der Regel als "negativ" ausgelegt. Und es kommen von zehn vielleicht ein oder zwei ins Haus (soll heißen: Wohnung), die das einfach mal so hinnehmen können, daß es so ist. Die nicht sagen: "Aber Du mußt doch..." usw.

Der neue "Trend" ist ja offenbar, daß es wieder zu einem Privileg wird, wenn Frau (oder - mir ist das wirklich egal! - Mann) zu Hause ist und für die Kinder da sein kann. Was hier unter dem Etikett "Emanzipation" verkauft wird, ist ja doch nur die Tatsache, daß es ohne ein Zweiteinkommen in den meisten Fällen gar nicht geht. Und dann glaube ich mittlerweile, daß sehr viele Frauen eine Arbeit annehmen müssen, die sie nur notgedrungen der Erziehungsarbeit vorziehen.

Mir macht das jedenfalls Sorge, daß das so völlig unter den Tisch fällt und es anscheinend völlig egal ist, ob Kinder zu Hause überhaupt noch irgend jemanden haben, den sie ansprechen können. Ob da nur zwei sind, die abends von der Arbeit müde sind und Samstag einkaufen müssen, weil unter der Woche keine Zeit ist.

Aber ich vergleiche gerade wieder und reibe mich, das will ich nicht. Ich mag da den "Alten Fritz", nach dem jeder nach seiner Fasson glücklich werden soll. Es nervt mich nur manchmal, daß sich andauernd die Leute darum sorgen, bloß die Eltern schnell wieder in die Arbeit zu bringen. Ich frage doch auch nicht: "Ja, und die Kinder?! Warum habt ihr sie denn bekommen, wenn ihr sie gleich abgebt?".

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Wenn ich in anderen Tagebüchern darüber lese, daß jemand schönen Sex hatte, dann fällt mir das schon richtig schwer und tut mir weh. Vielleicht so ähnlich, wie jemand, der sich nach einem Kind sehnt, bei anderen lesen muß, wie sie über ihre Kinder schreiben. Oder jemand, der eine Anstellung sucht, bei anderen mitlesen muß, wie sie über ihre Arbeit schreiben.

Oder das Haus, das Auto und das Boot...?

So ist das wohl mit den Dingen. Als ich alles das noch hatte, war mir nicht klar, daß es mir auch mal fehlen könnte. Sex fehlt mir, das ist schon mal klar. Ich fühle mich nicht in dem Alter, für den Rest meines Lebens darauf zu verzichten. Ich will es aber andererseits nicht erzwingen, mich nervt eigentlich nur, daß nichts passiert. Vielleicht ist das ja so eine Phase im Leben, die ich akzeptieren muß. Eben in dem Sinne, daß ich nicht alles zur gleichen Zeit haben kann, was ich will. Manches habe ich, anderes habe ich nicht. Sex habe ich eben nicht.

Das allerdings ist eine Realität, die ich nicht gerne annehme oder hinnehme oder akzeptiere. Nur notgedrungen. Und mich macht das verletzlich.

Michael

Kommentare

11:00 20.06.2006
Hallo Axel, hervorragender Beitrag! Mir geht es da ganz ähnlich, ich schrecke sehr vor so etwas zurück. Weder würde ich wollen, daß meine Partnerin 'mir zu Liebe' so etwas macht, noch kann ich mich mit dem Gedanken anfreunden, an mir so etwas vornehmen zu lassen. Wir hatten es tatsächlich vor Zeiten mal angedacht, aber eigentlich nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Eher nur in dem Sinne, wie sich so ein Gedanke anfühlt. Und er fühlt sich nicht gut an! Danke für deinen Beitrag und Grüße, Michael
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unbekannt
21:06 19.06.2006
Da ich nicht in dieser Situation bin möchte hier keinen Ratschlag geben. Ich möchte aber anmerken, daß ich nicht glaube daß Sterilisation so harm- und folgenlos ist wie es überall dargestellt wird. Ich habe gelernt, daß alles in meinem Körper und Geist miteinander zusammenhängt und sich gegenseitig beeinflußt, auch schon ganz kleine Dinge, die lange nicht so wesentlich sind wie die Geschlechtsfunktion, und so wird es auch bei einem Durchtrennen von Samen- oder Eileiter sein.
Sterilistation ist wie ich finde ein geschickt gewählter Begriff. Klingt nach Reinheit, Sauberkeit. Kastration würde abschreckender wirken ...


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16:49 19.06.2006
Stimmt, es wird bestimmt nicht von selbst kommen! Das mit der Sterilisation, haben wir sogar mal angedacht. Klingt ein bißchen heftig. Aber Kinder wollen wir bestimmt keine mehr ) Übrigens ging dann gleich die Diskussion los, wer es denn vornimmt... Danke für den Anstoß dennoch, denn gerade jetzt, wo das gedanklich wegfällt, merke ich, daß die "Gefahr" ein weiteres Kind zu bekommen, da eine nicht zu kleine Rolle spielt. Liebe Grüße!
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16:42 19.06.2006
oh, das mit dem schock verstehe ich. grade die verhütungsfrage kann die lust schmälern. aber wenn sie wirklich kein kind mehr möchte, wie wäre es mit sterilisation? finde ich eigentlich am praktischsten, wenn die familienplanung abgeschlossen ist. und grad beim sex ist es so, dass der appetit beim essen kommt. einfach zu denken, vielleicht wird es bald wieder, wird wahrscheinlich nicht von erfolg gekrönt sein. ich wünsche euch jedenfalls, dass ihr das in den griff bekommt.
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16:29 19.06.2006
Ja, und dann ist da noch dieser 'Drittkind-Schock', über den ich mal geschrieben hatte. Wir hatten *endlich* einmal wieder Sex, richtig guten Sex, unser Leben begann sich wieder einzuregeln, und weil es bei den ersten beiden Kindern so lange gedauert hatte, haben wir das Verhüten auch sein gelassen und die Tage waren ja auch erst gerade um. Und prompt war das dritte Kind unterwegs... Eine echte Süße die Kleine, keine Frage. Nur war es auch das letzte Mal für E. und mich. Also, um ehrlich zu sein, ich glaube, sie hat einfach keinen Bock mehr, ganz schlicht.
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16:09 19.06.2006
Hallo lore,
ja, schon ziemlich viel probiert und drüber gesprochen. Es ist einfach so, daß da nichts mehr ist. Irgendwie ist es vorbei. Ursachen dafür gibt es sicher viele. Aber so richtig daranzugehen ist schwierig. Die Tage sind zugekleistert mit den alltäglichen Dingen, die getan werden müssen. Wenn dann abends mal ne Stunde Zeit bleibt, dann noch über Sex sprechen, der nicht mehr stattfindet, das packen wir einfach nicht. Vielleicht kommt das irgendwann zurück, ich weiß es nicht.
Grüße, Michael
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16:01 19.06.2006
hallo michael,

mmh... wie alt sind eure kinder denn, so ungefähr? ich finde es irgendwie seltsam, dass ihr seitdem keinen sex mehr hattet. zumindest, wenn ihr euch nicht beide damit wohlfühlt, was ja zumindest bei dir der fall zu sein scheint. mein freund hat auch sehr große angst, dass, wenn das kind da ist, ich keine lust mehr auf sex habe. verständlich finde ich es, in den ersten wochen, vielleicht auch monaten etwas auf abstand zu gehen, da man sich erst in die neuen rollen einfinden muss. aber länger? ich hoffe für euch, ihr kriegt das geregelt, vielleicht mit einem gespräch oder du verführst sie romantisch an einem abend, an dem die kinder mal nicht da sind. aber wahrscheinlich habt ihr das schon alles probiert. dann macht es mich traurig. und zu dem punkt, frau bleibt zuhause oder geht arbeiten: man macht es niemals richtig. geht man früh wieder arbeiten, hat man ein schlechtes gewissen etwas bei der entwicklung des kindes zu verpassen. bleibt man zuhause, gilt man als rückständig. so oder so, ein gordischer knoten. alles liebe. lore.
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