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Tagebuch MI
2006-03-09 16:34
Weitere Klärungsversuche

Ich bin erleichtert, jetzt wenigstens einmal den ganzen Sachverhalt zusammengefaßt und geschildert zu haben. Das ist eben die große Frage, ob sich Sex und alles, was damit zusammenhängt, einfach so aus dem eigenen Leben und Erleben ausschließen lassen. Ist Sex wie ein eigenes Haus, das man entweder hat oder immer nur davon träumen wird? Ist er ein Grundbedürfnis des Menschen oder eine Art luxeriöses Gut?

Ist sein eigentlicher Sinn und Zweck die Fortpflanzung, und macht darüberhinaus noch Spaß - oder macht er Spaß, und dabei geht es dann auch noch um so elementare Dinge wie Fortpflanzung? Kann man - oder kann ich von mir verlangen, auf Sex zu verzichten sowie auf teure Urlaubsreisen? Lohnt es sich, daß ich mich gegen die Realität aufbäume, oder ist es nicht viel einfacher, mich ihr anzupassen und sie zu akzeptieren?

Mit dem Sex ist es ein bißchen wie mit dem Durst. Wenn ich nicht durstig bin, brauche ich auch kein Wasser. Und wenn ich keine Lust habe, brauche ich keinen Sex. Das ist also ganz einfach. Was aber, wenn ich Lust habe, aber Sex aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist? Und wenn das die dauerhafte Antwort auf meine Fragen ist?

Ich bin mir auch bis heute nicht sicher, ob der Mensch ein monogames oder ein polygames Wesen ist. Ich finde es toll, wenn Menschen auch nach Jahren immer noch füreinander attraktiv und aufregend sein können. Und wenn man ehrlich ist, ist der wechselhafte Sex auch nicht anders, wie eine Droge, die immer neu und höher dosiert werden muß. Andererseits ist der Gedanke, einfach und unkompliziert mal einen anderen Sexpartner zu haben, sehr anregend und fühlt sich einfach gut an: nicht schäbig, nicht schmuddelig, nicht gierig, sondern natürlich.

Warum das alles letztlich aber so furchtbar kompliziert ist, kann ich mir so recht auch nicht erklären. Sofort kippt alles um, aus Vertrauen wird Mißtrauen, aus Harmonie wird im schlimmsten Falle Krieg. Dabei ist diese Harmonie oftmals ja auch nur eine Schein-Harmonie. Sie wird erkauft durch den Verzicht der Partner auf etwas, das den anderen Partner vielleicht verletzen könnte. Dabei bleiben aber viele Dinge unausgesprochen und es stellt sich ein trügerischer Friede ein.

-

Gestern erzählte mir E., ihre Cousine T. - die weiß Gott mit ihren eigenen Kindern, ihrer Gesundheit und ihrem Mann genug zu tun hat - hätte ihr angeboten, einen Abend auf unsere Kinder aufzupassen, damit wir beiden mal rausgehen können, z. B. ins Kino. Da könne sie auch mal wieder unsere Kinder sehen. Ich war da erst einmal genau so perplex wie E.. Es muß sich bei ihrer Cousine um eine Art übersteigerter Philanthropie handeln, denn sie ist stets bereit auch bei Selbstaufgabe anderen Menschen dienlich zu sein.

Für E. kam das nicht in Betracht, dieses Angebot anzunehmen. Sie meinte, sie hätte ohnehin kein Interesse an Kino. Und überhaupt hätte T. selbst genug zu tun, da könne sie sie nicht auch noch als Babysitterin kommen lassen. Und prinzipiell stimmte ich ihr zu. - Hier spielt auf jeden Fall allerdings auch ein gewisses rivalisierendes Verhalten eine Rolle. T. hat wie E. drei Kinder, nur hat sie dazu noch eine Arztausbildung gemacht, während E. "nur" bis zum Ersten Staatsexamen gekommen ist und also keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann.

Jetzt gerade denke ich aber anders. Es gibt nicht viele Gelegenheiten, bei denen E. und ich mal alleine vor die Türe kommen. Natürlich, abends, wenn die Kinder schlafen, machen wir es uns gemütlich, und ich mag diese ruhige Abendstunde, die unseren Tag beschließt. Nur andererseits, wenn man schon so ein nettes Angebot bekommt, das einem dann doch mal einen schönen Abend zu zweit erlaubt - es muß ja nicht Kino sein - dann sollte man vielleicht doch aufhören danach zu fragen, wo dieses Angebot herkommt und wieso das kommt, sondern vielleicht sollte man es einfach nur mal annehmen.

Annehmen, das ist allerdings etwas, das E. nur sehr schlecht kann. Geben kann sie gut, annehmen nicht. Dahinter scheint so ein Mechanismus zu stecken, daß sie nicht in anderer Leute Schuld stehen möchte. Was aber sicher auch nur die Spitze des Eisberges ist. Sei es, wie es sei. Das Angebot wird also nicht angenommen, und es ist wieder eine Gelegenheit zu einer gemeinsamen Unternehmung verstrichen.

Auch darauf kann man verzichten. Ich kann auf vieles verzichten, das Leben bringt das ohnehin mit sich. Nur ist es dann manchmal so bei mir, daß etwas hervorbricht, das sich nicht so einfach abspeisen lassen will, das sich nicht fügen will. Das will nicht immer alleine in ein Konzert gehen, alleine ins Kino, alleine ins Theater. Das möchte dann einen Menschen an seiner Seite haben.

Dann kommen mir andere Gedanken: welcher Partner ist schon die eierlegende Wollmilchsau? E. erfüllt für mich vieles, was ich mir von einem Lebenspartner erhofft hatte. Vielleicht nicht erträumt, aber doch erhofft. Sie erfüllt nicht alles. Und muß sie das denn? Und was erfülle ich alles nicht? Ich habe es so oft an Menschen gesehen, die ihr eigenes und das Leben anderer Menschen kaputt gemacht haben, nur weil sie immer mehr wollten, weil sie nicht mit dem, was ist, zufrieden sein konnten. Und mein Vater gehört da ganz sicher dazu.

Soll ich das denen nun nachmachen? Soll ich mich nach dem, was mir zu fehlen scheint, anderswo umsehen und dort meine Energien einsetzen, nicht mehr zu Hause, wo es das anscheinend nicht gibt oder nicht geben will? Soll ich mir so eine Art Patchwork-Leben einrichten? Habe ich ein Recht darauf? Habe ich vielleicht sogar eine Verpflichtung, mir selbst gegenüber, das zu tun? Gute Mädchen kommen ja bekanntlich in den Himmel, böse kommen überall hin. Wo hört mein Recht auf und fängt das eines anderen an?

Das alles kann eigentlich nur das Leben selbst beantworten. Nur in einer Sache bin ich mir ziemlich sicher: es hat alles seinen Preis.

Michael

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