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Tagebuch MI
2005-04-11 15:33
Was passiert, wenn nichts passiert
Als hätte ich Blei in den Knochen, so schwer ist mir heute alles. Heute morgen habe ich noch meinen Messgast am Instrument betreut, jetzt läuft alles, und ich sitze fest. Habe keine Lust an irgendetwas, bin müde, würde jetzt lieber ein Nickerchen machen oder gar nichts machen.

Dann geht der Zeitvertreib wieder los, hier mal was nachsehen, da mal was nachsehen. Ich könnte endlich mal wieder klar Schiff im Zimmer machen, hier hat sich wieder mächtig viel Blätterkrams angesammelt. Könnte, müßte. Aber wo kein Wille, da kein Weg. Doch, ich werd's wohl machen, aber ich muß mich arg dazu zwingen.

Ich habe es mir angewöhnt, mir nicht mehr zuviel Kopfzerbrechen zu bereiten. Früher, da mußte ich jeden Gedanken kleinmahlen und zu Ende denken vor allem. Daß ich nie gemerkt habe, wie unsinnig das ist! Diese Art der Selbstfolter ist wirklich der Idealweg in die Depression.

Heute ist es mehr so, daß da lauter angefangene Gedankenketten sind, oftmals ist auch ein Ende absehbar, natürlich ist das immer spekulativer Natur. Doch genau davon habe ich mich immer unterkriegen lassen, von irgendwelchen Spekulationen.

Das ist heute vorbei. Und das ist gut. Was geht mich das Ende von Gedankenketten an?

Ich schreibe darüber, weil gerade in solchen lustlosen Momenten wie dieser hier, sich der ganze Gedankenkrams wie ein Unwetter über mich zusammenzieht. Und das lähmt, wenn ich mich zu sehr darauf einlasse oder vielleicht besser: wenn ich darauf hereinfalle.

Das sind nicht die Momente, in denen große Gedanken produziert werden, sondern das sind genau die richtigen Momente, den ersten Stein einer langen Straße zu fegen, den ersten Schritt den Berg hinauf zu tun, das erste Wort eines Eintrages zu schreiben, das erste Blatt Papier vom Tisch zu nehmen und einzuordnen.

Und trotzdem liegt auch dieses verdammte Papier da, wie Bleiklötze. Gott, warum kann ich den ganzen Scheiß nicht einfach nehmen und zum Altpapier geben? Warum habe ich hier einen Jahresplaner 2005 im Original und in Kopie, und warum steht mancher Termin nur im Original, ein anderer nur in der Kopie? Ich habe keine Zeit, das alles abzugleichen! Und warum noch eine Kopie der Kopie?

Weil da lauter wichtiges Zeug drunter ist. Deswegen muß ich das alles aussortieren und mir nochmal ansehen, bevor ich etwas wegschmeiße. Geht nicht anders.

Einsam ist es. So merkwürdig still ist es. Immer ist erst die Hölle los, und dann wieder dieses Loch. Ich kann dieses Loch nicht gut leiden, fühlt sich so leblos an. Es gibt ein Stück von Erich Kästner, es heißt "Januar" glaub ich (http://www.laostagebuch.net/03_01_01.html), darin steht der Satz: "Man steht am Fenster und wird langsam alt". Als der Chor das mal vor einiger Zeit singen mußte, da zuckte er doch etwas zusammen an dieser Stelle...

Klar, schön ist es am Fenster zu stehen, dem Treiben der Menschen zuzusehen, den Kindern beim Spielen, den Erwachsenen bei der Arbeit, beim Einkaufen, beim Reinigen der Wege, beim Kinderbetreuen. Den Alten bei ihrem Spaziergang, den Hunden beim Streunen, den Autos beim Fahren, den Vögeln beim Zwitschern, dem Wurm beim Kriechen. - Nur wer will dabei schon "langsam alt" werden?

Das ist halt das, was beim Zusehen passiert, auch wenn man denkt, es würde nichts passieren: man wird langsam alt.

MI


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2005-04-11 15:33