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Tagebuch MI
2006-06-12 18:12
Vorstellungsgespräch (1)
Heute hatte ich ein Vorstellungsgespräch für eine Stelle, die innerhalb meines Institutes ausgeschrieben war. Inhaltlich hat mich diese Stelle nicht angesprochen, es ist im Grunde eine reine Verwaltungsaufgabe, von mir aus auf gehobenen Niveau. Es ist aber eine permanente Stelle, und da ich mich derzeit nach einer festen Stelle umsehe, habe ich mich konsequenterweise darauf beworben, auch wenn ich sie im Grunde nicht haben wollte.

In meinem Anschreiben hatte ich dann auch erwähnt, daß ich es sehr begrüßen würde, wenn es Möglichkeiten gäbe, laufende Projekte weiterzuführen. Im Verlaufe des Gespräches wurde aber bald klar, daß ich diesen Posten nicht nehmen würde, ich könnte gar nicht. Und daß ich nun so eine permanente Stelle dazu "mißbrauchen" würde, um letztlich das zu machen, was ich eigentlich machen möchte (wofür es aber noch keine feste Stelle gibt), das würde sicher nicht im Interesse meiner potentiellen neuen Arbeitgeber sein.

In diesem Sinne war das Gespräch ein bißchen auch Show, man tastete sich gegenseitig ab. Von mir wollte man wissen, ob ich es wirklich ernst meinte, ich wollte wissen, ob sich an der Stellenbeschreibung nicht noch etwas ändern ließe, so daß es für mich reizvoller wäre. Beides war im Grunde also nicht der Fall, und es gab zwischenzeitlich Fragen, die die Dinge dann auch sehr schnell klärten.

Zuvor wurde ich aber ordnungsgemäß befragt, also: Lebenslauf, größte berufliche Erfolge bzw. Niederlagen, Teamfähigkeit, Führungsqualitäten usw. Auf die Frage, womit ich bei einem Vorgesetzten die größten Schwierigkeiten hätte, antwortete ich (und es kam völlig natürlich aus mir heraus): "Wenn er sich für mich als Mensch nicht interessiert".

Ich habe dann gleich dem Impuls nachgegeben, das zu relativieren, indem ich erwähnte, daß Leistung schon wichtig sei und wir letztlich unsere Arbeit deswegen machen. Daß aber trotzdem ein Interesse an dem Mitarbeiter als Mensch für mich sehr wichtig wäre und nicht einfach nur Leistung abgefragt wird. Mit meinen Äußerungen hatte ich etwas bei meinen Gegenübern getroffen, das war sofort klar.

Dann schob ich noch nach, daß mir ein guter Informationsfluß wichtig wäre, aber im Grunde war da die Aufmerksamkeit schon verbraucht und ich konnte nicht noch mehr zu diesem Thema sagen. Wie ich selbst mit Mitarbeitern umgehen und sie motivieren würde, wenn (wie im Ö.D.) finanzielle Anreize nicht da sind. Ich sagte, ich würde immer versuchen herauszufinden, was dieser Mensch gerne und gut macht und würde ihm Aufgaben entsprechend dieser Erkenntnisse geben. Ich würde darauf achten, den Mitarbeiter auch zu fordern, aber immer nur so, daß es zu machen ist und er nie das Gefühl bekommt, überfordert zu sein.

Auch hier relativierte ich die einmal gut formulierte Aussage wiederum und fügte hinzu, daß ich da vielleicht manchmal auch zu weich wäre und möglicherweise fordernder sein müßte oder Dinge klar zur Sprache bringen müßte. Auf eine Nachfrage hin stellte sich dann aber heraus, daß ich das ja auch tue. Ich weiß auch nicht, warum ich mir andauernd vorhalte, ich müsse härter werden.

Peinlich berührt war ich auf die Frage, ob ich denn auch Bewerbungen in die Industrie senden würde. Airbus würde doch gerade so viele Leute suchen, der Markt müßte sich doch nun wieder entspannt haben. Ich ließ durchblicken, daß ich mich derzeit tatsächlich an verschiedenen Stellen bewerbe, allerdings nicht großflächig, sondern nur gezielt. Leider bisher ohne Erfolg.

An dieser Stelle fühlte ich mich sehr unwohl. Zum einen, weil ich das Gefühl hatte, man würde mich für bequem halten und auf eine sichere Stelle im Ö.D. spekulierend. Zum anderen, weil mir derzeit ja nicht einmal etwas anderes übrig bleibt, da ja meine Bewerbungen (drei oder vier bisher nur, ich weiß, wie wenig das ist, aber wie gesagt: gezielt) bisher erfolglos waren. Und wenn andere mich nicht haben wollen, warum sollte dann mein Institut mich haben wollen?

Ich merkte, wie da ein unmittelbarer Zusammenhang besteht zwischen der eigenen Einschätzung eines Mitarbeiters und seinem "Marktwert". Hätte ich sagen können, noch andere Vorstellungsgespräche am laufen zu haben, hätte alles, was ich gesagt habe, ein ganz anderes Gewicht bekommen. Man hätte vielmehr das Gefühl gehabt, vielleicht etwas tun zu müssen, damit ich bleibe. Da ich das aber nicht vorweisen konnte, fühlte ich mich wie ein Spielball der Entscheidungsträger. So etwas ist nicht schön. Und schade, daß der Wert eines Mitarbeiters nicht zuletzt so bemessen wird.

Immerhin habe ich einen weiteren Impuls bekommen, meine Bewerbungsphase zu intensivieren. Ich habe mich hinterher gefragt, ob es richtig war, mich auf diese Stelle zu bewerben, die ich doch eigentlich gar nicht haben wollte. Warum sich um etwas bewerben, das man nicht will? Andererseits war das heute wohl das erste Gespräch an meinem Institut, an dem ich und meine Tätigkeit voll im Mittelpunkt standen. Das ist ab und an gar nicht so verkehrt.

Ich fühlte mich dennoch nicht wohl und hatte nach dem Gespräch einen Kloß im Hals. Zum Weinen hat es aber nicht gereicht. Ich habe dann noch einen Spaziergang gemacht und mich später unter die Kaffeerunde gemischt.

Michael

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Kommentare

18:45 12.06.2006
nun ja, aber mitunter ist es ja auch interessant, ein gespräch zu führen selbst wenn man den job nicht möchte, um "im training zu bleiben". und ich finde es nicht schlimm sich nicht überall zu bewerben, hättest dass vielleicht nur anders verkaufen müssen. aber klar, dass man sich automatisch nicht so reinhängt, wenn man den job eigentlich nicht möchte.
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2006-06-12 18:12