Willkommen auf Tagtt!
Friday, 19. April 2024
Tagebücher » MI » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch MI
2005-08-18 15:02
Verzicht
Es gibt bei mir ein paar empfindliche Stellen, die immer mal wieder hochkommen und dann gleich irgendeine Gedankenmühle wieder in Gang setzen, von der ich weiß, daß ja doch nichts dabei herauskommt, aber ändern kann ich es auch nicht. In der Kaffeerunde heute erhielt ich die Nachricht von der Betriebsversammlung, daß im öffentlichen Dienst der Ortszuschlag nicht mehr kinderabhängig gezahlt werden soll. Natürlich soll das alles mit Übergangszeiten geschehen, verträglich eben, aber am Ende heißt es dennoch für mich: weniger Geld auf dem Konto.

Ich bin noch nicht einmal in der Lage, mich groß dagegen aufzulehnen, das wird ja auch alles im Keim erstickt. "In der Wirtschaft wirste doch auch nicht für's Kinderkriegen bezahlt", heißt es da. Stimmt ja auch. Warum soll denn ein Arbeitgeber einen Angestellten mehr entlohnen, wenn er Kinder bekommt? Ist das denn Sache des Arbeitgebers, ob ein Angestellter oder eine Angestellte eine Familie gründet? Im Grunde nein. Es geht hier ausschließlich um die Arbeitsleistung.

Ich könnte jetzt wieder gegenargumentieren: wenn die Gesellschaft meint, daß Kinder "Privatsache" sind, dann kündige ich ab sofort die gesetzliche Rentenversicherung, mental wenigstens. Oder ich möchte eine Gesetzesänderung dahingehend, daß die irgendwann einmal ausgezahlte Rente in direkter Weise an dem Einkommen (nicht Anzahl) der eigenen Kinder gemessen wird. Denn die, die keine Kinder aufziehen (ich weiß, das trifft auch die, denen das ungewollt geschieht), können sich systematisch Geld für ihr Alter zurücklegen, während genau dieses Geld bei einer Familie für die Kinder benötigt wird (bitte jetzt nicht die Mär vom Kindergeld: das allein, was ich an direkten und indirekten Steuern für alles bezahle, was die Kinder benötigen und was Leute ohne Kinder erst gar nicht kaufen müssen, wiegt das schon auf). Wieso sollen denn dann Kinder, in die ich mein Geld "investiert" habe, andere Leute bezahlen, während ich von deren Altersrücklage nichts erhalte?

Aber ich muß auch sagen, daß ich diese ganzen Diskussionen leid bin. Kinderkriegen, das tut man/frau entweder, oder er/sie tut es nicht. Wenn er (der Mensch) es tut, dann kommen Konsequenzen auf ihn zu. Und die heißen nun einmal, allen fallenstelligen Diskussionen zum Trotze: Einschränken. Man muß also schon genau wissen, was man will. Und weil ich immer Kinder wollte, weil ich eine Familie wollte, muß ich alles andere eben hinnehmen, so wie es ist. Kinder, das sollte nach wie vor eine Entscheidung aus dem Herzen sein, und kein Kalkül. Ich bin daher nicht für die Subventionierung des Kinderkriegens durch Kinder- oder Familiengeld, sehr wohl aber für die Abschaffung von Ungerechtigkeiten.

Und ich weiß nicht, wie gerecht es hier zugeht, wenn doch jeder Depp weiß, daß wenn eine Familie ein Geschäft betritt, kaum ein vergleichbares Geschäft erzielt werden wird, als wenn es ein oder zwei Singles sind.

-

Es ist ein wunder Punkt bei mir: mein Geld reicht einfach nicht aus, um auf dem Niveau zu leben, auf dem ich gerne leben würde. Ich muß es eben herabschrauben oder damit leben lernen, daß es nicht einmal ohne eine Finanzspritze der Schwiegereltern ab und zu geht, wenn wir einen schönen Urlaub verleben wollen, ohne hinterher für das Loch in der Kasse büßen zu müssen. Und das, trotz hohen Ausbildungsabschlusses und "ganz normaler", sprich adäquater Anstellung.

Mein (eigentlich illusorisches) "Wunschniveau", das wäre eine abzahlbare Immobilie, ein Auto, ein Jahresurlaub und die Möglichkeit der Rücklagenerstellung, da ich ja davon ausgehen muß, daß das Geld, was ich heute in die gesetzliche Rente einzahle, im Grunde nichts anderes als eine weitere Steuer ist, denn ich werde es wohl nie wiedersehen.

Von diesem "Wunschniveau" muß ich derzeit abziehen: die Immobilie und die Rücklagenerstellung, was in gewisser Weise das gleiche ist. Wir probieren es zwar, aber immer wieder kommt irgendein dicker Brocken (meist das Auto), der alles Sparen zunichte macht. Auch die Immobilie klappt nicht, derzeit nicht. Mich zwickt dann, wenn ich Kollegen sehe, die das doch irgendwie schaffen. Wie machen die das?, frage ich mich dann. Was mache ich verkehrt? Ich mache mir dann Vorwürfe. Vielleicht war und bin ich nicht sparsam genug. Schließlich arbeite ich schon seid 10 Jahren vollzeit, und es will sich einfach nichts ansammeln, das die Bezeichnung "Eigenkapital" verdient hätte. - Aber ich kaufe mir nun einmal ab und zu auch ganz gerne mal ein paar nette Sachen, weil ich gerne nett aussehe und nicht immer nur den Krams von vor drei oder vier Jahren oder gar "anno tobak" überziehen will.

Es stimmt, ich hätte sparsamer leben können. Ich habe die Prioritäten eben anders gesetzt und tue es nach wie vor. Von zu Hause habe ich ja nichts mitbekommen, von daher ist es natürlich immer schwer, bei Null anzufangen. Sei es wie es sei, es sind immer nur dieselben alten Gedankengänge: "Ich müßte doch eigentlich auch so langsam..." usw. Und dann ist das komische, daß ich nicht einmal weiß, ob ich das überhaupt will. Will ich überhaupt ein Haus haben? Oder ist es nur die Angst davor, im Alter keine eigene Immobilie zu haben? Dennoch sehe ich auch viele ältere Menschen, die im Alter zur Miete wohnen und dehnen es dabei durchaus gut geht.

In gewisser Weise und speziell in Zeiten, in denen die Zeit selbst ein wertvolles Gut geworden ist, ist Mieten ja Luxus. Man hat mit den ganzen Dingen rund um eine Immobilie nichts zu tun: muß sich nicht um Öl und Wasser kümmern, um Müll, Steuern, Versicherungen, Renovierungen usw. Das hat ja was. Denn dadurch habe ich sehr viel Zeit für andere Dinge, meine Kinder zum Beispiel, oder Musik oder Lesen. Ich weiß sehr wohl, wie die Häuslebesitzer oftmals von den anfallenden Arbeiten erdrückt werden - und nicht nur von den Kreditzinsen (und wenn das so weitergeht, dann wird wohl bald kein Haus mehr ohne Alarmanlage gebaut werden). Und das ist das, was ich scheue. Andere gehen darin auf, mir bedeutet es aber einfach nichts.

Im Urlaub haben wir dann sogar noch eine Frau mit ihren beiden Söhnen getroffen, die sagte, wir sollten froh sein, zur Miete zu wohnen, und ließ dem durch die Beschreibung ihres Lebens (der Mann arbeitet von früh bis spät und ist nur gestresst) die Argumente folgen. Alles in allem würde ich daher wohl weiterhin zur Miete wohnen und keine Immobilienverpflichtung auf mich nehmen. Aber das Gefühl wäre ein besseres, wenn ich es zwar könnte, es aber aus Überzeugung ablehnen würde.

Egal, es hat keinen Sinn, ich habe nicht das Gefühl, daß ich viel an diesen Dingen machen kann. Ich kann versuchen, meine Sparsamkeit zu steigern. Mit jedem neuen Gespräch, das mich an meine finanziellen Gegebenheiten erinnert, fällt mir das leichter. Und in diesem Sinne haben diese Erinnerungen letzten Endes sogar eine sehr positive Wirkung. Denn es ist erstaunlich, auf wieviel man so verzichten kann, und man fühlt sich nicht schlechter durch diesen Verzicht, solange er nicht an Armut grenzt. Sondern ich mache da durchaus eigentümliche Erfahrungen: nämlich wie wenig ich eigentlich zu meinem Glücke brauche, wenn nur die Herzensangelegenheiten stimmen.

Michael

Kommentare


unbekannt
19:05 18.08.2005
Wieder ein schöner Bericht über Dinge, die wir nicht zum Glücklichsein brauchen, die wir aber trotzdem gern hätten! Wünsche, richtige Wünsche, Herzenswünsche, die sehr stark sind, gehen uns eines Tages in Erfüllung!
Das kannst Du bei mir sehen: aber in meine "Immobilie" (80 jahre alt) stecke ich noch immer auch nach 35 Jahren Müh' und Arbeit - neue Küchenfliesen! Meine Frau wünschte sich lieber etwas Neues! Aber . wie Du sagst - man kann nicht alles haben! Wie beim Fischer und siner Fru! LG


Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

MI Offline

Mitglied seit: 02.04.2005
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2005-08-18 15:02