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Tagebuch MI
2006-07-10 21:06
Tatsachen (2)
Ich wurde bei ebay von einem anderen ebay-Mitglied beschnüffelt. Ich solle mich wegen meiner hohen Auktionsaktivität und diverser An- und Verkäufe (ich kaufe und verkaufe dort viel Lego für mich und die Kinder - und ja, mittlerweile versuche - Betonung auf: "versuche", gelungen ist es mir nicht - ich auch auf diese Weise, ein kleines Zubrot zu verdienen) entweder gewerblich anmelden - mit allem, was dazu gehört, oder meine Auktionen herausnehmen. Sollte ich weitermachen wie bisher, würde ich eine Abmahnung bis 5000 € erhalten sowie eine Anzeige beim Finanzamt wegen Steuerhinterziehung. -

Das war ein Schock. Nein zwei Schocks. Der eine: man fühlt sich überwacht und beschnüffelt. Der zweite die Erkenntnis: so schnell wird man vom Privatverkäufer zu einem Gewerbetreibenden mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Wobei ich bisher ja nur die Rechte (An- und Verkauf nach Belieben) erlebt habe, aber nicht die Pflichten (Garantie, Rückgaberecht etc.). Und der dritte war ein Folgeschock (s. der Link rechts: "Gegen den gesunden Menschenverstand"). Wie schnell kann man sich doch mit ein paar unbedachten Auktionen um Kopf und Kragen bringen! Inwiefern das Recht hier auch ge-recht ist, vermag ich nicht zu sagen. Überzogen kommt es mir in jedem Falle vor.

Glück im Unglück: ich hatte kurz vorher einen tatsächlich Gewerbetreibenden bei ebay kennengelernt, der mir nun fast alle Lego-Sachen, die ich versteigern wollte, abgenommen hat, freilich unter dem bei ebay zu erwartenden Preis, aber dennoch ein akzeptabler. Ich bin vor allem froh, daß die Kartons weg sind. Nun lasse ich die Sache erst mal ruhen. Im Grunde ist es mir ganz recht. Wie das so oft bei mir ist, arten bestimmte Dinge bei mir schnell zu einer Sucht aus, von der mich nur ein Schockerlebnis befreien kann.

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Die Fußball-WM habe ich genossen. Ich habe sehr viele Spiele gemeinsam mit meinen Nachbarn unten im Hintergarten gesehen. Das war eine richtig schöne Zeit. Und zum Abschluß habe ich mir doch noch dieses eine Mal die "Fanmeile" angetan. Das war mit den Kinder anstrengend, aber es war so schön, mitten in diesem Fahnenmeer zu stehen und bei den "Sportfreunden Stiller" mitzusingen ("Vierundfünzig, vierundsiebzig, neunzig, zeitausendzehn...". Das ist viel besser als das synthetisch anmutende und wenig eingängige Lied "Zeit, daß sich was dreht").

Darüber hatte ich gelesen, daß die Sehnsucht, in so einer Menge und dem Fahnenmeer unterzugehen, in etwa dem Zurückwollen in die Gebährmutter entsprechen würde. Dorthin, wo niemand weiß, wo die Mutter aufhört und man selber anfängt, wo der Trennungsschmerz aufgehoben ist, wo man einfach sein kann, und nicht sein muß. Der Wassertropfen ist wieder im Meer.

Das stimmt wahrscheinlich sogar.

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Ab und zu gehe ich in die "Wohltat'sche Buchhandlung". Dort gibt es viele Rest- und Sonderposten, und irgendwie gehe ich da nie ohne eine Anregung wieder raus. Dieses mal war es einfach nur die Ladenbeschallung. Das Lied, das da gesungen wurde, gefiel mir richtig gut. Es war so locker gesungen, es war unaufdringlich, irgendwie einfach nur nett und gute-laune-vermittelnd.

Ich fragte an der Kasse nach, von wem dieses Lied sei, die Antwort lautete: "Die heißen 'Zweiraumwohnung'." Aha. Komischer Name, dachte ich mir. Aber zumindest einer, den man sich merken kann. Ich suchte daheim bei ebay nach dem Begriff "Zweiraumwohnung", da kam aber nicht viel. Bis ich herausfand, daß die sich "2Raumwohnung" schreiben.

Da ich nicht wußte, wie das Stück genau hieß, das ich im Laden gehört hatte, versuchte ich herauszufinden, was die "Standard-CD" dieser Band war. Das war offensichtlich die CD "kommt zusammen". Diese habe ich dann ersteigert und tatsächlich war dort das Lied drauf, das mir im Ladengeschäft so gut gefallen hat. Es heißt: "Nimm mich mit". Ich fühlte mich in diesem Moment sehr lebendig. Es ist lange her und es ist eigentlich auch nie sehr häufig vorgekommen, daß ich für mich eine Band und ihre Musik entdeckt habe.

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Eine andere Möglichkeit, mich mit Musik und ungewöhnlichen Texten sehr lebendig zu fühlen, vermittelt mir PeterLicht. Eigentlich für mich gekauft

(ich bin zweimal aus voneinander unabhängigen Quellen auf PeterLicht gestoßen, in diesen Fällen gehe ich der Spur normalerweise dann auch nach, habe mir in diesem Falle zwei CDs gekauft: "14 Lieder" und "Lieder vom Ende des Kapitalismus"),

ist es nun viel mehr meine Partnerin, die er mit seiner Musik gewonnen hat. Was mich freut.

Wenn er singt: "Vorbei, vorbei, jetzt ist er (Anm.: der Kapitalismus) endlich vorbei", da lachen wir. Es ist kein bitteres Lachen oder hämisches, sondern eher ein befreites. Man kann ja schließlich für sich selbst stillen Abschied vom "Kapitalismus" nehmen, und dann ist er tatsächlich vorbei, genau in dem Moment.

(Allerdings auch erst einmal nur für diesen Moment, wenn man seinen Abschied danach wieder vergißt)

Und Lieder wie "Wettentspannen", "Ihr lieben 68er" oder "Meide die Popkultur" sind Seelenmassage. Und bei dem Lied "Wir sind jung und machen uns Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt" fühlte ich mich direkt angesprochen (will sagen: erwischt) und es ist eigentlich wirklich beschämend.

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Heute morgen erfuhr ich, daß sich ein Arbeitskollege das Leben genommen hat. Er kommt aus der Ukraine (soweit ich weiß), arbeitet aber schon seit 6 Jahren am Institut bei einem größeren Forschungsprojekt mit. Früher gab es hier noch eine Kollegenmannschaft, wir haben dienstags Fußball gespielt, da war er auch öfters dabei. Ansonsten war er eher ein stiller Typ, bei dem man nie so recht wußte, was in ihm vorgeht. Er hinterläßt eine Frau und einen sechzehnjährigen Sohn.

Mein australischer Arbeitskollege zeigte sich völlig entsetzt und sagte immer wieder, daß so ein Schritt überhaupt nicht zu verstehen wäre und daß es auch sinnlos sei, das zu versuchen. Es wäre einfach nur schrecklich. - Ich war sehr betroffen, sehe das aber unabhängig davon etwas anders. Ich finde es auch schrecklich - er hat sich daheim erhängt - aber es ist nicht so, daß ich so einen Schritt überhaupt nicht verstehen könnte.

Es gab Zeiten in meinem Leben, da war der Weg bis zu diesem letzten Schritt vielleicht noch weit, aber er war nicht mehr besonders steinig oder hügelig. Ich konnte alles genau sehen. Man blickt an so einer Stelle bis zum Horizont und denkt sich: ja, da hinten ist es. Es ist eigentlich gar nicht mehr so weit, und dann ist es vorbei.

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Meine Kinder sind wieder an meinem Institut in der Ferienbetreuung. Ich glaube, sie spielen fast den ganzen Tag Fußball. Immer, wenn ich vor die Türe komme, höre ich Kinderstimmen vom Fußballplatz, und sehe dort kleine rote Hemden herumflitzen. Ich mag das.

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Ich hatte sehr viel Arbeit in der letzten Zeit, allmählich legt sich alles, ich sehne die Sommerferien herbei. Rechtzeitig vor dem Urlaub blieb noch einmal das Auto liegen (Kühlventil), es ist eine ordentliche Nachzahlung bei den Stromwerken fällig und die Digitalkamera ging kaputt (meine Tochter hat sie offenbar fallen gelassen). Das mühsam angesparte Feriengeld ist damit schon fast verbraucht.

Davon lasse ich mir die Freude auf die Zeit mit meiner Familie nicht nehmen. Wir machen eine kleine Tour durch Norddeutschland, machen dabei längere Station bei meinen Schwiegereltern ("Omi und Opa") und bei einem Ferienpark, mit dem Transrapid im Emsland gibt es eine Probefahrt und zum Abschluss folgt noch eine Abenteuerübernachtung irgendwo im Harz (mich zieht es zum Brocken), die ich aber nocht nicht zu Ende geplant habe (ich reserviere die Abenteuerübernachtung sicherheitshalber...)

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß wenn so zum Schluß, am allerletzten Tag, wenn man da nicht einfach nur wieder nach Hause fährt, sondern noch einmal etwas ganz anderes macht, ganz woanders, daß dies die Ferien noch einmal unheimlich bereichert.

Michael

Kommentare

08:11 11.07.2006
Ja, er ist im Recht, habe mich da kundig gemacht. Und daß ich bisher an meinen Aktivitäten netto nichts verdient habe, liegt daran, daß ich die Hütte voller Lego habe , das sich ja potenziell versteigern läßt, und dann wäre es wohl tatsächlich ein Verdienst.

Ich war alles in allem überrascht, wie schnell man mit seiner ebay-Aktivität zur Kategorie "Gewerbetreibender" gehört. Es genügt im Prinzip schon eine "regelmäßige An- und Verkaufsaktivität", wobei die Übergänge fließend sind. Ich habe aber sicher schon vor längere Zeit die Grenze überschritten, ohne daß mir das bewußt gewesen wäre. Auf dem Flohmarkt kann ich ja auch am einen Tisch was kaufen und es an einem anderen wieder verkaufen (dachte ich mir so).
Grüße, MI
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unbekannt
21:36 10.07.2006
Du hast eine wirklich tolle Art zu schreiben, gefällt mir sehr gut!
Und das mit Ebay, das wird sich schon wieder legen. Obwohl "der" schon Recht hat... von wegen Steuerhinterziehung usw. soweit ich weiß. Das wird schon..
Eine schöne Nacht wünsche ich trotzdem!


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