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Tagebuch MI
2005-05-03 17:56
Gar nicht so dumm
Es ist etwas merkwürdig. Wenn ich einen einzelnen Menschen vor mir habe, mich mit ihm unterhalte, an ihm sehe, daß er auch nichts anderes ist, als ich es bin, ich an ihm sehe, wie er versucht, aus seinem Leben etwas zu machen, irgendwie doch das Gute im Sinn hat, und ihm auch manchmal das Gute gelingt, dann sympatisiere ich mit ihm.

Warum ist die Menschheit in ihrer Gesamtheit dann aber scheinbar so dumm, daß sie sich sehenden Auges die eigene Lebensgrundlage zerstört? Ob Dummheit im Kollektiv gegenüber der Intelligenz Oberwasser hat bzw. ob eine einzelne Intelligenz im Kollektiv zu einer Dummheit werden muß? Der Begriff "Herde" ist nicht umsonst belastet, er hat etwas "Dummes" an sich.

Aber zurück zum Einzelnen. Da ist mir am Samstag auf dem Schulflohmarkt aufgefallen, daß der Einzelne ein ausgeprägtes Gefühl für Dinge hat, die von Wert sind. Er kann das intuitiv unterscheiden, ob er es mit "Schrott" oder mit "Wert" zu tun hat.

Die Kinder haben auf diesem Flohmarkt einen eigenen Stand gemacht, sie konnten Gegenstände verkaufen, die aber nur maximal einen Euro "wert" sein durften. Mein älterer Sohn J. (8) hat das Zimmer nach diesen Dingen durchgesehen, also Dinge, die er für einen Euro maximal verkaufen würde und die er auch entbehren kann, und so kam dabei ein hübscher Schrottberg zustande.

Uralte Gameboyspiele, McDonalds-Plastikfiguren, überhaupt jede Menge Figuren, lauter Krams, den im Grunde niemand haben will. Daher hat auch niemand am Stand angehalten und die beiden machten schon einen leicht frustrierten Eindruck.

Mir fiel dann ein, daß ich vor einiger Zeit einen ganzen Karton voller Lego-Modelle in den Keller getragen hatte, weil oben einfach zuviel davon war. Ich hatte die mal bei ebay ersteigert, die Jungen haben eine Weile damit gespielt, dann aber das Interesse daran verloren.

Jetzt war ich neugierig, wie die Flohmarktbesucher wohl auf Lego reagieren würden. Ich weiß von meinen Kindern (und von mir selbst), daß Lego einen magisch anzieht. Jeder kennt es, jeder liebt es, irgendwie, jeder ist damit groß geworden, Lego eben. Als ich das der Klavierlehrerin von J. und T. sagte, daß ich nun etwas Lego zum Verkaufen holen würde, bestätigte diese sogleich: "Oh, Lego! Das steht ja hoch im Kurs".

Es waren kleine Autos, Krankenwagen, Abschleppwagen, U-Boote usw. usw. Wir verteiten die Modelle auf der Matte, einigten uns auf nicht mehr als 50 Cent bis ein Euro pro Modell, um den Abmachungen zu genügen, und in Nullkommanix standen die Leute um diese Matte herum.

Oftmals waren es Leute und Kinder natürlich, die zu Hause überhaupt kein Lego hatten. Sie kannten es natürlich, und blieben stehen. Es war wie ein Wechseln von Nacht zu Tag. Während all der Ein-Weg-Plastikschund auf einem Haufen links liegenbliebt, war plötzlich das Lego hochbegehrt.

Ich bin nun mittlerweile ein echter "Lego-Profi" geworden, weil ich sehr viel mit den Kindern baue und ihnen viel Lego über ebay besorge, ich weiß das daher wirklich zu schätzen, wie man so schön sagt. Und der Witz ist: jeder weiß das zu schätzen. Jeder kennt den Wert von Lego. Ganz intuitiv. Jeder kennt den himmelweiten Unterschied zwischen einem Auto aus Lego und einem piependen Plastik-Rückziehauto von Fisherprice: das Lego-Auto kann man auseinanderbauen und ein Flugzeug oder ein Surfbrett draus bauen, oder es mit anderen Steinen kombinieren und daraus ein Haus mit Garage machen oder oder oder. Das Fisherprice-Auto kann man aber irgendwann nur noch wegschmeissen.

Und das wissen die Menschen. Auch wenn vielleicht noch nie einer so ein Auto selbst weggeschmissen hat, sie wissen es einfach, sofort. So dumm sind sie gar nicht.

MI


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