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Tagebuch MI
2006-03-23 17:10
Falscher Trost (2)
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Daß da immer wieder Druck bei mir ist weiß ich nun. Die Frage ist: wie damit umgehen? Hier muß ich an mein Chorengagement denken, das derzeit ruht (und ich weiß nicht, ob ich es nochmal wieder aufnehme). Durch die Art und Weise, wie die Chorleiterin - der ich mich sogar hingeneigt fühlte - den Chor führte, ist dieser Druck in mir angewachsen, und zwar von mal zu mal mehr. Mir war das zu autoritär, zu sehr von oben herab, und der Chor war mir zu sehr eine zähe, graue Masse, die nach Belieben mit sich umspringen ließ.

So etwas ertrage ich auf die Dauer nicht. Das sind die Situationen, die mich unter Druck setzen, da pfeift es irgendwann gewaltig unterm Deckel. Was tun, wenn er plötzlich abfliegt?

Was den Chor angeht, verhindere ich das derzeit, indem ich nicht mehr hingehe (auch wenn das keine Lösung ist). Jedoch ist mir dieses "Deckel-abfliegen" ja kürzlich innerhalb meines Schülerlaborteam passiert. Ich merkte mehr und mehr, wie das Labor zu einem "Instrument der Öffentlichkeitsarbeit" wurde (so sagte es sogar wörtlich eine Mitarbeiterin, die aber nicht unmittelbar am Labor beteiligt ist). Und das sind Stellen, wo ich nicht mehr mitmachen kann. Es ist ein Labor für Schüler, und sie können dort auf eine andere, auf eine ungewöhnliche Art und Weise mit den Naturwissenschaften in Kontakt kommen. Es ist kein "Instrument" für irgendetwas oder von irgendjemanden. Man muß solch ein Unkraut gleich zu Beginn schon mit der Wurzel rausrupfen, bevor es sich weiter ausbreitet (und diese Tendenz hat es nun einmal).

Wenn bei so einem Labor der Öffentlichkeit ein positives Institutsbild übermittelt wird, dann ist das ein schöner Nebeneffekt, darf aber nie Selbstzweck sein. Meine Erfahrung ist da ganz einfach: sobald irgendeine Tätigkeit nur noch mit dem Ziele einer positiven Außendarstellung durchgeführt wird, ist das bereits der Anfang vom Ende. Insbesondere der Anfang vom Ende jedes ursprünglichen, unschuldigen Impulses. Es ist der Biss in den Apfel, und plötzlich sehe ich die "positive Wirkung" so eines Labors in der Außenwelt. Ich sehe das "Gute" an dem Labor. - Dabei ist es einfach nur ein Labor für Schüler.

-

Nun bin ich abgedriftet und will den Faden wieder aufnehmen. Der Faden war "Tröstung". Ich suche Trost in den Schriften, in den vielen Büchern, weil das Leben viel von mir abverlangt, und ich nicht weiß, wie ich das ändern kann, und ich auch irgendwie keinen Lohn dafür bekomme. Es verlangt mir einfach mehr und mehr ab, und ich habe das Gefühl, dafür nichts zurückzubekommen: Lohn geschieht nicht.

Wenn die Gedanken soweit fortgeschritten sind, ist bereits das Gebiet der Schuld betreten. Ich habe mich mir gegenüber schuldig gemacht. Denn offenbar mache ich Dinge gegen meinen Willen, sonst würde ich ja nicht das Gefühl haben, für etwas belohnt werden zu müssen, für etwas einen Ausgleich verdient zu haben.

Es ist jetzt der typische Fehler, statt den Lebenskurs zu ändern, immer mehr auf die nicht erhaltene Entlohnung zu fokussieren. Denn das funktioniert nicht. Es geht eben nicht darum, etwas vom Leben einzufordern. Sondern es geht darum, sein Leben so umzugestalten, daß erst gar nicht das Bedürfnis nach Entlohnung entsteht. Wenn ich so lebe wie es meiner tiefsten Natur und meinem innersten Wesen entspricht, ja, was kümmern mich dann noch um Entlohnungen? Entlohnung für was?

Ich brauche dann auch keinen Trost mehr. Ich brauche dann eigentlich gar nichts mehr. Ich habe bereits alles, was ich brauche. Ich weiß dann auch gar nicht, daß ich überhaupt etwas brauche. Alles, was ich brauche, ist dann da, daher mangelt es mir an nichts. Daher denke ich nicht darüber nach, ob mir etwas fehlt, und wie das auszugleichen wäre. Ich bin dann wieder im Paradies, und zwar selbst dann, wenn ich bereits vom Baum der Erkenntnis gegessen habe.

Nur, solange, oder vielleicht besser: immer dann, wenn ich nach diesem Trost suche, nach Entlohnungen, nach irgendetwas im Außen, nach irgendetwas, das geschehen soll, immer dann stimmt mit mir und meinem Leben etwas nicht.

Michael

Kommentare


unbekannt
15:40 27.03.2006
Vielleicht helfen Dir die folgenden Zeilen aus Heinz Rudolf Kunzes Lied "Immer für dich da", vielleicht trösten sie sogar ein wenig:

"Das Leben ist nicht grausam
das Leben ist nicht zart
das Leben ist gedankenlos
reine Gegenwart

Es läßt dich nicht gewinnen
es läßt dich nicht im Stich
es läßt den Dingen ihren Lauf
denn es meint nicht dich

Du kannst daran zerbrechen
du kannst es überstehn
du läßt es wohl am besten bloß
irgendwie geschehn

Wir hören in der Ferne
den wunderschönen Ton
wir warten auf Belohnung
welche Illusion

Man kann es drehn und wenden
das Glück will hoch hinaus
es kommt wie Diebe in der Nacht
und es raubt uns aus

Wozu das alles gut ist
ein unbekannter Plan
und der Versuch ihn zu verstehn
reiner Grössenwahn"

(Den Refrain habe ich wohlweißlich weggelassen.)

Gruß
Ralf


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