Willkommen auf Tagtt!
Wednesday, 24. April 2024
Tagebücher » MI » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch MI
2005-12-03 01:52
Die Opal-Geschichte
Da Australien das Land der Opale ist, wuchs in mir der Plan, meiner Partnerin einen dieser schoenen Steine mitzubringen. Im Reisefuehrer steht schon beschrieben, wenn man Opale kauft, dann in Australien. Denn da, wo sie gefunden werden, sind sie natuerlich auch am preiswertesten. Jedoch war mir auch klar, dass ich hier mit einem ordentlichen Touristenaufpreis wuerde rechnen muessen, weshalb ich sehr, sehr vorsichtig an den Kauf herangegangen bin.

Als ich mich in einem ersten Geschaeft umsah (hereingelockt durch den Nachbau einer Opalmine, durch den man neugierig hindurchgeht und am Ende ploetzlich im Geschaeft steht), wurde ich auch sogleich von einer Verkaeuferin angesprochen. Ich habe mittlerweile eine gewisse Erfahrung in diesen Dingen. Ich habe daher, bevor sie mich ueberhaupt nur einwickeln konnte, gleich gesagt, dass ich zwar an einem Opal interessiert waere, mich jetzt aber nur umsehen moechte und auf gar keinen Fall einen Stein kaufen werde.

So etwas gleich zu Beginn eines Gespraeches zu sagen, ist sehr nuetzlich. Damit wissen alle Beteiligten gleich Bescheid. Ich habe mir dann in aller Ruhe diverse Steine angesehen und etwas erfahren ueber die Preisunterschiede. Natuerlich sind die schoensten Stuecke unendlich teuer. Aber es gibt ja auch Rabatt: 30%, 50%, und dann noch tax free. Herz, was willst Du mehr?

Das ist natuerlich nur der uebliche Klamauk. Um die Ware zu einem halbwegs fairen Preis zu bekommen, muss man letztlich erst nach Abzug aller Rabatte anfangen zu handeln. Wenn man dann den Preis noch einmal um 50% druecken kann, dann liegt man vielleicht einigermassen gut.

Das ist aber nicht einfach. Bei diesem ersten Besuch eines Opalgeschaeftes war mir ohnehin nicht nach Handeln. Und nachdem ich einen Ueberblick gewonnen hatte, was es alles gibt, und wie die Preis- und Qualitaetsunterschiede sind, verliess ich das Geschaeft.

Ein paar Tage spaeter habe ich waehrend eines Besuches von Chinatown ebenfalls hier und da ein Opalgeschaeft betreten. Das war auch nur jeweils ein Info-Besuch. Ich wollte auf gar keinen Fall einen Schmuckgegenstand fuer meine Partnerin kaufen, der irgendwo zwischen China-Spielzeug und getrockneter Nudelsuppe verkauft wird.

Vor allem wurde mir eines immer klarer: wenn ich Schmuck kaufe, dann kommt es nicht einfach nur darauf an, was es fuer ein Schmuck ist und wieviel er kostet. Es gibt etwas viel wichtigeres daran: naemlich die Geschichte dahinter. Mit so einem Schmuckgegenstand moechte ich eine schoene Erinnerung weitergeben, ein schoenes Erlebnis. Etwas schoenes, spannendes, aufregendes am besten.

Beim Schmuckkauf muss alles stimmen, das ist der Punkt. Ich muss das Gefuehl haben, dass ich jetzt wirklich etwas besonderes erstehe, etwas einmaliges. Und das zu einem fairen Preis.

-

Gestern war es dann soweit. Nachdem die Tagung, die ich hier besucht habe, beendet war, hatte ich den Rest des Tages frei. Es ergab sich, dass eine Kollegin an dem Nachmittag das gleiche vorhatte, wie ich, naemlich mit der Faehre zur vorgelagerten Halbinsel "Manly" rausfahren. Dabei macht man gleichzeitig eine preiswerte Hafenrundfahrt und kann die Oper von Sydney vom Wasser aus gut sehen.

Der Ausflug war ganz wunderbar. Wir machten noch einen Strandspaziergang an der Pazifikkueste, gegen Abend fuhren wir wieder zurueck. Im Stadtzentrum, wo wir die Metro verlassen haben, fiel mein Blick dann auf einen Opalhaendler. Da dies mein letzter Abend war und ich am naechsten Tag kurz vor dem Flug nicht noch mit Gewalt einen Opal kaufen wollte, bot sich die Gelegenheit an, den Opal in dem Geschaeft vielleicht zu erstehen. Jetzt.

Meine Kollegin und ich trennten uns, und ich ging in das Geschaeft. Nach dem ueblichen einerlei kamen wir dann bald zur Sache. Ich war auch schon in Preisregionen vorgestossen, die ich mir eigentlich innerlich verboten hatte. Aber so ist das eben: es war spaet, ich war muede, ich wollte einen schoenen Stein als Halsschmuck mitbringen. Und nun war ich in diesem Geschaeft, die Verkaeuferin war sogar Deutsche. Und ich habe auch noch ein Bier bekommen. Kann man da betrogen werden?

Schliesslich konnte ich mich auf einen Stein festlegen. Immer alles noch sehr vorsichtig. Immer alles noch mit dem Hintergrund, dass ich den Preis radikal runterhandeln muss, damit ich nicht beschissen werde. Nachdem das mit dem Stein geklaert war, stellte sich heraus, dass ich ja auch noch eine passende Kette brauchte. Denn in den Laeden werden ja zunaechst einmal nur die Anhaenger mit den Steinen verkauft. Die Ketten sind nur retail-Ketten.

Mir wurde schwummrig. Auch noch eine Kette. Dabei kostet der Stein an sich schon mehr, als ich ausgeben wollte. Ich liess mir auch noch eine schoene Kette zeigen. Es sah wunderbar zusammen aus. Es war eigentlich genau das, was ich fuer E. haben wollte. Dann gingen die Verhandlungen los. Zwischendurch musste die Verkaeuferin zum Telefon, ihren Boss fragen, ob er bei dem und dem Preis noch mitmache (ach ja, alles doch nur Verkauftricks).

Ich hatte schliesslich einen Preis fuer Stein und Kette herausgehandelt, der weit unterhalb des retail-Preises lag, und ich dachte: ist zwar immer noch viel Geld, aber verdammt, damit kannst Du leben. - Es kam zur Abrechnung. Die Kreditkarte wollte nicht so richtig (ich habe da erst erfahren, dass ich meiner Bank haette Bescheid sagen muessen, dass ich ins Ausland fahre, absurd). Mehrere Anlaeufe waren noetig. Den Rest habe ich in bar gezahlt. Dann sah ich, wie der Stein eingetuetet wurde, und wunderte mich ein bisschen, wo denn die schoene Kette wohl waere.

Mich ueberfiel die dunkle Ahnung, dass da ein Missverstaendis vorliegen koennte. Und so fragte ich mit begruendeter Angst vor der Antwort, ob denn die Kette nicht auch mit in dem Preis inbegriffen waere. Nein, die waere nicht dabei gewesen. Es handele sich nur um den Anhaenger mit dem Opal.

Mir wurde schwarz vor Augen. Ich konnte es nicht fassen. Es war genau das eingetreten, was ich unter allen Umstaenden verhindern wollte.

-

Wegen der "tax free" habe ich den Stein noch nicht gleich mitgenommen. Das Geschaeft brauchte noch meine Flugnummer und die Nummer meines Reisepasses. Wir hatten vereinbart, dass ich anderntags noch einmal reinkommen wuerde, um die Nummern nachzuliefern. Den Stein wollte ich noch nicht mitnehmen. Ich liess ihn im Geschaeft und machte mich auf den Heimweg. Es regnete, ich hatte einen Schirm dabei.

Unterwegs kamen mir die Traenen, ich weinte bitterlich. Ich hatte mir trotz aller Vorsichtsmassnahmen, trotz aller Erfahrung in diesen Dingen, einen Stein fuer viel zu viel Geld aufschwatzen lassen. Geld, das wir zu Hause viel dringender benoetigen. Ich war fertig, und ich weinte einfach nur. Die letzte Nacht habe ich nicht viel geschlafen.

-

Heute morgen: so konnte das nicht gehen. Ich war entschlossen, das nicht hinzunehmen. In Deutschland gibt es doch ein Umtauschsrecht, wie ist das hier in Australien? Ich ging zum Tourist Centre und erkundigte mich. Auf der Quittung stand natuerlich, dass es kein refund geben wuerde. War ja klar. Der Mann vom Tourist Centre sagte mir, so einfach waere das nun auch wieder nicht. Ich solle "strong" sein und da hineingehen und sagen, dass ich meine Rechte kennen wuerde. Es wuerde sich schliesslich um ein Missverstaendnis handeln. Notfalls koenne ich mich an das "Department for fair trading" wenden.

Ich war sehr gefasst. Ich wusste zwar, dass die Chance gering ist, da ueberhaupt noch irgendwie herauszukommen, aber ich musste zumindest alles probieren, was noch moeglich war.

Die Verkaeuferin von gestern war nicht da, das wusste ich. Die anderen Verkaeuferinnen konnten sich aber offenbar an mich erinnern und wussten, weshalb ich kam. Und eine der Verkaeuferinnen war wiederum eine Deutsche. Ihr habe ich folgendes gesagt: "Es tut mir leid, aber ich bin gestern nicht fair behandelt worden. Mir wurde der Stein und die Kette gezeigt, dann haben wir uns auf einen Preis geeinigt. Und das war fuer mich der Preis fuer Stein UND Kette. Fuer den Stein allein haette ich niemals so viel Geld ausgegeben. Ich moechte daher entweder die Kette jetzt mit dazu haben, oder das Geld fuer den Kauf zurueckbekommen. Oder ich wende mich an das Department for fair trading"

Ein Pokerspiel, nichts anderes. Natuerlich musste die Verkaeuferin jetzt wieder mit ihrem Boss sprechen (ich hatte noch gefragt, ob der da irgendwo in eindem dicken Sessel mit einer weissen Katze im Arm hockt, oder so). Sie hat ihm exakt das gesagt, was ich ihr gesagt habe. Vielmehr als beten, dass diese Sache jetzt noch irgendwie gut ausgehen moege, konnte ich in diesem Moment nicht tun.

Ich hatte im Grunde gar keine Chance. Mein Flug wuerde in fuenf Stunden gehen, ich habe ueberhaupt keine Zeit und keine Nerven, mich noch an so ein department zu wenden.

Tatsaechlich entschuldigten sich die Verkaeuferinnen bei mir und ich bekam die Kette ohne weiteres Feilschen hinzu. Der retail-Preis der Kette lag fast schon bei dem Gesamtpreis, den ich tags zuvor ausgehandelt hatte. Es kann daher wohl insgesamt nicht wirklich allzuviel zuviel gewesen sein, was ich gezahlt habe - glaube ich.

Da habe ich also nun meine Geschichte.

Michael

Kommentare

06:14 06.12.2005
Lieber Gerd-Lothar,

das stimmt, von daher paßt der Vergleich vielleicht nicht (beim Osokin gibt es ja zum Schluß auch noch eine Auflösung, wobei ich mich nicht mehr genau erinnere, wie das war, ganz glücklich kam mir das nicht vor). Ich meinte das vom Gefühl her, wie es mir in dieser Situation erging, weil ich solche Situationen doch *eigentlich* zu Genüge kenne und mir von daher so etwas doch *eigentlich* nicht mehr passieren dürfte.

Etwaige Vorerfahrungen scheinen aber in diesem Fall nichts oder nicht viel zu nützen. Ich falle in alte, längst überwunden geglaubte Verhaltensmuster hinein (höflich bleiben, nett sein, vertrauen, nicht unverschämt handeln, sich nicht die Blöße geben, etwas nicht bezahlen zu können usw.).
Die Notfallsysteme versagten, alles, was ich mir jemals für solche Situationen vorgenommen habe (sehr gut aufpassen, Schritt für Schritt vorgehen, die Kontrolle behalten. Und wenn ich merke, daß mir die Situation entgleitet, notfalls das Geschäft kommentarlos verlassen), fand nicht statt. Alles klebte an mir, wie in einer Zeitschleife gefangen. So in dem Sinne.

Was mir an all dem auch noch aufgefallen ist: es fällt mir schwer, Dinge vom Wert her einzuschätzen, die nicht zum alltäglichen Leben gehören. Was ist ein guter, schöner Schmuckstein wert? 100 Euro, 500, 1000? Die Antwort ist in solchen Fällen eben nicht das Preisschild, das einem ja die eigene Abschätzungsarbeit sonst abnimmt. Sondern die Antwort ist eben genau das, was ich bereit bin, dafür zu zahlen und inwiefern ich auch bereit bin für einen Betrag zu kämpfen, der mir zwar fair erscheint, aber nicht meinem Gegenüber. Das ist eine ganz eigene Erfahrung.

Liebe Grüße,
Michael
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
21:08 05.12.2005
Lieber Michael,

bei "Täglich grüßt das Murmeltier" war ja nicht immer wieder alles genauso.

Lieben Gruß
Gerd-Lothar


Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

15:02 05.12.2005
Lieber Gerd-Lothar,

ja, diese Geschichte werde ich aufheben, das vergißt man nicht so schnell. Man müßte meinen, daraus was lernen zu können. Das heißt aber dennoch nicht, daß mir das nicht wieder so passieren kann. Das ist so ähnlich wie "Täglich grüßt das Murmeltier" oder das seltsame Leben des Ivan Osokin.

Grüße,
Michael
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
09:39 03.12.2005
Lieber Michael.

großartige Geschichte! Hebe sie auf; so etwas kann man noch Jahre später immer wieder lesen und jedesmal neue Einblicke gewinnen. Über die menschliche Schwäche, und daß man nicht der ist, der man meint zu sein - so wie es jedem einzelnen von uns Menschen ergeht.

Lieben Gruß
Gerd-Lothar


Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

MI Offline

Mitglied seit: 02.04.2005
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2005-12-03 01:52