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Tagebuch MI
2006-01-05 16:23
Das Problem mit der Lösung
Langes Diskutieren war noch nie meine Stärke. Meine erste (anerzogene) Reaktion auf diese "Schwäche" war, daß ich mich abgemüht habe, mich an Diskussionen zu beteiligen, mich für die vielen Argumente zu interessieren, um schließlich einen Konsens zu finden.

Nun merke ich mit den Lebensjahren, daß die mich keineswegs weiser und geduldiger machen. Doch, weiser vielleicht schon, das führt aber nicht zu mehr Geduld. Im Grunde ist es so, daß schon gar nicht mehr irgendeine Instanz, die ich (ich meine das Ego) sein könnte, auf einen bestimmten Diskussionsverlauf reagiert, sondern daß da einfach reagiert bzw. gehandelt wird. Ich kann mich dagegen stemmen und versuchen, mich zu beherrschen, mich zusammenzunehmen. Aber das funktioniert immer weniger.

Was für mich als ganz einfache Erkenntnis stehen bleibt ist folgendes: ich kann mich für eine bestimmte Zeit auf ein Gespräch, eine Argumentation einlassen. Das tue ich gerne und finde ich wichtig und förderlich. Ich kann das Für und Wider besprechen, kann die Argumente für die unterschiedlichen Positionen austauschen. - Dann aber muß eine Lösung auf dem Tisch liegen.

Liegt sie nicht dort, verliere ich fast erdrutschartig die Geduld. Allein die kleinsten Anzeichen von anstehenden Heckseleien, Haarspaltereien, Argumentationswiederholungen, -verdrehungen oder -umdeutungen veranlassen mich dazu, vor mir sofort eine Art Garagentor herunterzulassen. Ich lasse es nicht selbst herunter, auch nicht bewußt. Sondern es rasselt einfach runter. Ich kann und will dann nicht mehr.

Interessant ist, daß das im Grunde gar kein Problem darstellen muß. Denn es ist egal, was dann noch aus so einem Gespräch resultiert. Am nächsten Tag sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, plötzlich wird ganz anders gehandelt, als gestern noch besprochen, und irgendwie fügen sich die Dinge.

Merkt das denn keiner? Jeder denkt, man würde tatsächlich all das tun, so wie es besprochen wurde. Mein Eindruck ist jedoch ein ganz anderer: das eine ist der Beschluß einer ewig langen Diskussion, das andere ist das, was dann tatsächlich geschieht. Ich habe damit auch überhaupt kein Problem. Im Gegenteil genieße ich das oftmals sogar. Ich fühle mich unter solchen Umständen, wo nicht alles festgezurrt ist, viel wohler, als wenn alles immer genau so geschieht, wie abgemacht und besprochen.

Diese Erfahrung muß es wohl sein, die mich dazu veranlaßt, ab einem bestimmten Diskussionsstadium abzuschalten. Mich interessiert dann der weitere Verlauf nicht mehr im Geringsten und es fehlt mir nicht mehr viel dazu, bei nächsten Gelegenheiten einfach zu gehen, ohne noch ein Wort zu verlieren. Das mag unhöflich aussehen. Es ist aber gar nicht so gemeint. Es ist nur, daß ich schlicht nicht mehr kann und daß es vollkommen aussichtslos ist, den Gesprächspartnern meine spontane und unverständliche Handlungsweise zu erklären.

Verbergen kann ich meine plötzliche Ungeduld in Gesprächen (Treffen, Sitzungen) nicht mehr. Jeder merkt sofort, daß bei mir ab einem bestimmten Stadium nichts mehr "reingeht". Ich staune dann immer wieder darüber, wie lange Menschen dieses Spiel treiben können. Sie könnten wohl stundenlang zusammensitzen und diskutieren, um irgendwie eine Lösung zu finden. Aber tatsächlich liegt die Lösung entweder (längst) auf dem Tisch und ist unmittelbar griffbereit - benötigt also gar keine große Diskussion, oder es gibt keine, bzw. die Zeit ist noch nicht reif dafür (einmal vorausgesetzt, es gibt überhaupt ein Problem). Und lange Diskussionen sind für letzteres ein sicheres Indiz.

Michael

Kommentare

17:07 05.01.2006
Hallo Simsalabim,
ganz lieben Dank für deine Neujahrsgrüße! Ja, ich bin gut ins neue Jahr gekommen. Ich war mit meiner Familie in der Verwandtschaft und hatte jede Menge Kinder um mich herum, die mit Gewalt aufgeblieben sind, dann aber völlig von den Geschehnissen überfordert waren.. Tja, ja, das gehört wohl auch mit dazu.
Nun ist bei mir der Alltag wieder ausgebrochen, mit diversen Diskussionen versteht sich ;)
Ich wünsche dir auch alles Gute für dieses Jahr, und für die anderen auch.
MI
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unbekannt
16:52 05.01.2006
Hallo Michael!
Hoffentlich bist du auch gut in das neue Jahr gekommen?
Deinen heutigen Eintrag kann ich ganz gut nachvollziehen.
Diskussionen laufen nur auf schon zu Beginn fokussierte Ergebnisse hinaus (Vollkommene Zustimmung, Konsens oder Ablehnung) und Zeit ist doch angeblich kostbar.
Mir gefällt es des öfteren die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken und pro und kontra abzuwägen, aber dennoch sehne ich recht schnell einen Schlusspunkt herbei. Das verstehen manche Menschen leider nicht, doch kleine Übungen in Toleranz schaden nie.
Manchmal kommt es natürlich auch vor, dass die eigene Sturheit wider besseres Wissen siegt ;).
Einen schönen Jahresbeginn wünsche ich dir nachträglich.


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