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Tagebuch MI
2005-11-17 14:49
Das Herz erreicht
Ich hatte schon des öfteren hier erwähnt, daß ich LEGO als ausgezeichnetes Spiel- und Lernzeug (neu- bzw. wieder-)entdeckt habe. Das meiste davon beziehe ich über ebay, um es nach einer gewissen Zeit dort wieder zu verkaufen. Es sei denn, die Kinder wehren sich mit Händen und Füßen dagegen. Dann weiß ich, daß sie es wirklich behalten wollen, und dann soll es auch so sein (was nicht auf allzuwenig des LEGOs zutrifft, das hereinkommt).

Ich habe mittlerweile einige Strategien entwickelt, wie ich günstige Auktionspreise erzielen kann. Beispielsweise sind oftmals genau die Auktionen am Ende sehr günstig, die von Anfang an einen hohen Startpreis haben. Da hat dann der Auktionator offenbar Angst, seine Ware zu einem "Dumpingpreis" abgeben zu müssen. Daher setzt er den Mindestbetrag gleich dort an, wieviel er mindestens für sein Gut haben möchte.

Wie das Leben so spielt, bekommt derjenige zumeist auch nur genau diesen Betrag heraus, den er wenigstens haben wollte, obwohl er nach meiner Erfahrung mit einem Startpreis von einem Euro - also mit etwas mehr Mut - einiges mehr hätte herausbekommen können (man lernt da durchaus auch etwas über das Leben an sich). Ein hoher Startpreis verschreckt nun einmal die Interessenten, wodurch der Preis erst gar nicht in die Höhe getrieben werden kann.

Eine dieser Auktionen mit hohem Startpreis lief vor einigen Wochen aus, ich war der einzige Bieter und erhielt daher den Zuschlag. Ich habe in dieser Auktion über 20 Kilo Lego (inkl. Komplettmodelle mit Bauanleitungen) für einen Auktionsbetrag von 90 Euro bekommen, der zugleich der Startpreis war.

Für mich war das sehr praktisch, der Weihnachtsbesuch bei meinen Schwiegereltern, bei dem die Kinder für drinnen etwas zu tun haben müssen, war gesichert. Und ich brauchte dazu noch nicht einmal alles Lego, die fertigen Modelle (zum wieder-zusammenbauen) reichen vollkommen für lange Winterabende. Den Rest konnte ich also weiterversteigern. - Und tatsächlich habe ich mit dem weiterversteigerten Lego einen höheren Auktionsbetrag erzielt, als ich für die ursprüngliche Gesamtmenge bezahlt habe.

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Wenn man das Wort perfekt steigern könnte, dann würde ich sagen: perfekter geht es nicht. Ein ganzer Karton voller Lego-Modelle, der mich nichts gekostet hat. - Einen Haken hatte die Sache allerdings dann doch noch, wie ich nach Auktionsende erfuhr: das Lego stammte nicht von einem genervten Vater, der das Kinderzimmer oder den Keller leergeräumt hat und es vor allem nur loswerden wollte. Sondern es stammte von einer Mutter, die das Lego für ihren Sohn versteigert hat. Dieser wollte sich von dem Erlös etwas leisten, was er sonst nicht bezahlen konnte.

Für mich bedeutete das, daß ich mein Schnäppchen eigentlich auf Kosten des Taschengeldes eines anderen Kindes bzw. eines Jungen gemacht hatte, dessen Mutter sein Lego unprofessionell bei ebay verkauft hat (sie hätte nur das Gewicht der Ware im Titel anzugeben brauchen, um wenigstens den doppelten Auktionsbetrag zu erhalten).

In dem Moment war mir dann auch klar, daß ich das nicht will. Schnäppchen machen ist gut, aber nicht so. Bevor ich daher das Lego, das ich nicht weiter brauchte, weiterversteigert habe, habe ich mich mit der Mutter noch einmal in Verbindung gesetzt und ihr gesagt, daß ich ein Teil des Legos weiterversteigern würde und daß ihr Sohn vom Nettoerlös die Hälfte bekommen sollte. Den Link zu der Auktion habe ich auch gleich mitgeschickt.

Ich muß zugeben, daß ich mir einerseits der Sache sehr sicher war und auch alles so wollte. Daß es aber ab und an in mir rumorte und ich mir dachte, daß 30 oder 40% doch vielleicht auch genügt hätten...

Abzgl. der Auktionskosten waren es am Ende ziemlich genau hundert Euro. Davon habe ich fünfzig Euro als Taschengeld für ihren Sohn auf das Konto der Mutter überwiesen.

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Heute erreichte mich eine schöne Grußkarte mit folgendem Text:

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Hallo Michael,

dies kommt von meinem Sohn.

Das Geld ist da und er hat sich riesig gefreut. Er hat sich gestern gleich 2 PC Spiele gekauft - die bisher zu teuer waren.

Ich bedanke mich auch nochmal und wünsche beim Ebayen weiterhin viel Erfolg.

Einen schönen Gruß aus dem kalten E. sendet

S.

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Ich weiß, das ist keine spektakuläre Geschichte und ich will damit auch nicht meine Gutmütigkeit demonstrieren, ich möchte sie nur hier festhalten. Es ist eine kleine Geschichte in diesem großen düsteren Deutschland, das an etwas krankt, von dem ich nicht weiß, wie es sich davon lösen kann. Die Geschichte ist auch kein Beitrag zur Verbesserung des Wirtschaftswachstums oder der Beschäftigungssituation. Sie ist nur eine kleine zwischenmenschliche Begebenheit, die mein mein Herz erreicht hat.

Michael

Kommentare

15:29 17.11.2005
sowas sieht man selten =)

Find ich toll.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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2005-11-17 14:49