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Tagebuch MI
2005-11-07 15:19
An den Grenzen der Machbarkeit
Was sich für mich als immer gewisser herausstellt ist, daß die Technik den Menschen zwar das Leben erleichtern, weil sie ihm schwere oder unzumutbare Arbeiten abnehmen kann. Daß sie aber nicht alle Probleme der Menschheit lösen kann, schon gar nicht die grundlegenden. Technik offenbart sich vielmehr als eine Flucht genau vor diesen grundlegenden Problemen. Eine Flucht vor der eigenen Verantwortung, voll und ganz Mensch zu sein.

Dieses zu erkennen bleibt in gewisser Weise der jetzt lebenden Generation vorbehalten, die nicht nur an den Grenzen des Wohlstandes angekommen ist, sondern vielleicht treffender: an den Grenzen der Technik und der Machbarkeit.

Das, was nun an Problemen ansteht, ist mit Technik nicht mehr zu lösen. Es ist auch mit Machen nicht zu lösen. Die Situation, in der wir uns befinden, kann (und wird) sich nur aus sich selbst heraus lösen. Es ist so, wie wenn sich karmisch seit vielen Jahren Spannung aufgebaut hat. Und alles, was Jahr für Jahr geschieht, erhöht diese karmische Energie nur weiter, statt sie kontrolliert abfließen zulassen. Bis schließlich nur eine Kleinigkeit genügt, daß sich diese Energie entlädt und anschließend das Gleichgewicht wiederhergestellt ist (das, was derzeit in Frankreich geschieht, könnte so etwas sein).

Wie das von statten gehen wird, darüber kann man nicht mehr als spekulieren und ist vor dem Hintergrund, worum es hier eigentlich geht, gar nicht einmal von Belang. Es ergibt keinen Sinn, andauernd wie das angsterfüllte Kaninchen auf die Schlange zu starren. Vielleicht belehrt uns die Geschichte sogar eines Besseren und es kommt nicht so schlimm, wie man angesichts der Tatsachen befürchten muß. Auch die DDR ist erstaunlich friedlich zu Ende gegangen. Wobei sich die Wiedervereinigung und das Ende des Kommunismus im Nachhinein auch nur als eine Zwischenepisode in einem größeren Umwälzungsprozeß herausstellen könnte.

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Die Politik ist in der Zwickmühle. Angesichts leerer Kassen (als wenn sie leer wären! Sie sind beliehen) muß gespart werden. Schulden haben wir genug. Das Ergebnis wird sein, daß nun alle noch mehr sparen werden (soweit sie überhaupt Geld dafür haben), und noch weniger Geld ausgeben werden. Dadurch nimmt die Nachfrage weiter ab, ebenso der Bedarf an Arbeitskräften und somit die Zahl der regelmäßigen Erwerbsarbeitsplätze. Was wiederum zwangsläufig zu Steuerausfällen führen muß.

Schulden machen und die "Wirtschaft ankurbeln" nutzt aber in der jetzigen Phase auch nichts mehr, wenn ich das auch insgesamt für den besseren Weg halte. Ich glaube, der Punkt, an dem noch irgendeine Politik zukunftsträchtiger wäre als irgendeine andere, ist überschritten. Ich erwarte jetzt nur noch früher oder später das Austoben der karmischen Energie (für die im Übrigen sinnbildlich die Schuldentürme der Gesellschaften stehen).

Es gibt diesen schönen Satz: tausend Euro Schulden sind das Problem des Schuldners, eine Millionen Euro Schulden sind das Problem des Gläubigers. Das ist die Lage, in der sich alle Gläubiger Amerikas und alle Besitzer von Kreditgeld ganz allgemein befinden (wo Schulden sind, da sind natürlich auch Gläubiger, das darf man nicht vergessen). Die Situation ist mit herkömmlichen Methoden nicht lösbar, weil keiner der Entscheidungsträger Interesse an einer Lösung haben kann (denn die wäre gleichzeitig sein Ende). Da aber in der Geschichte der Menschheit noch alle Schulden zurückgezahlt wurden, auf welche Weise auch immer, läuft auch diese Situation auf irgendeine (Er-)Lösung hinaus.

Man muß den Blick darüber hinaus werfen. Nur weil sich möglicherweise etwas über einem entladen wird, heißt das ja nicht, daß das Ende der Welt gekommen ist. Es wird auch danach weitergehen. Und sich über eine Welt Gedanken zu machen, die dann wieder neu entworfen werden kann, ist sinnvoll. Dazu ist dann aber erst einmal wichtig, verstanden zu haben, was zuvor schief gelaufen ist. Und warum.

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Die Lehre dieser ganzen Geschichte, was den Vorteil und den Segen der Technik und ganz allgemein der Ratio anbelangt, ist die, daß Ratio zwar dem Überleben unmittelbar nutzt, daß sie einem schwierige Aufgaben abnehmen und erleichtern kann. Daß sie einem aber eine Aufgabe - und ist das nicht die wichtigste und endscheidendste überhaupt? - nicht abnehmen kann: das ist die Arbeit an und die Auseinandersetzung mit sich selbst.

Ich versuche das zumindest hier, ich weiß, daß mir das nicht immer gelingt. Vielleicht habe ich in meinem letzten Eintrag auch schon wieder zuviel gejammert. Meine Familie liegt mir am Herzen, ich liebe die Kinder und bin dankbar für jede freie Minute mit ihnen. Und die Momente, in denen L. durch einen Blätterhaufen stobt, T. mir ein kleines Lied auf dem Klavier vorspielt oder ich mit J. ein kompliziertes Legomodell aufbaue und wir dabei am Radio die Fußball-Bundesliga mitverfolgen, sind mit allesamt Geschenke und nicht mit Gold aufzuwiegen oder irgendwie in Zahlen ausdrückbar. Nur ist halt manchmal das Energiereservoir erschöpft.

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Die andauernde Bearbeitung und Lösung der Aufgabe zur Selbsterforschung und Selbstannahme kommt zuallererst. Dann kommt Technik, Wirtschaft und alles andere, was heute zuvorderst steht. Interessant ist, was sich dann als überflüssig erweist, was heute noch so wichtig zu sein scheint. Also die Antworten auf die Fragen: was brauche ich eigentlich wirklich zu einem freudvollen und erfüllten Dasein? Und was brauche ich nicht?

Michael

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