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Tagebuch Malaika
2007-09-02 00:46
von Freaks, die behaupten, sie wüssten,
wie man sich am besten verkauft. Starren einen an mit ihren durchbohrenden Blicken, schütteln ihr nicht wirklich schönes Haar und dann werden die Lippen auseinander gepresst: "Du musst noch an dir arbeiten, weißt du, es ist SEHR, SEHR wichtig, der erste Eindruck zählt..."
Was? Meint diese Person etwa mich? Was solln das jetzt heißen? Lauf ich etwa mit fettigen Haaren, verkniffenem Mund und Robocop-Haltung herum?
Ich starre zurück, obwohl ich Starren an sich echt unhöflich finde, aber egal, diese Person will's ja nicht anders.
Die Person fühlt sich wichtig, bläht sich auf und sagt dann weiterhin: "Deine Haltung sagt mir, dass du dich der Welt verschließt."
Ich guck an mir runter und kann nix Besonderes erkennen. Die eine Hand hält die Zigarette, die andere Hand kneift sich selbst, weil ich gerade Kopfschmerzen bekomme von diesem ganzen Getue.
Ich schau an ihr herunter: Ihre Schultern sind straff, ihr BH gefüllt mit künstlichen Stoffen, ihr Gürtel ein Loch zu eng geschlossen. Die Füße bewegen sich wie irre die ganze Zeit hin und her, hoch und runter.
Ich mach mal einen Versuch: "Was meinste denn mit an mir arbeiten?"
Die Person lächelt milde, von oben herab, streicht sich bestätigend durch das fettige Haare - mein Gehirn notiert: zum Abschied ausnahmsweise die linke Hand benutzen! Dann beugt sich die Person zu mir, so nahe, dass ich den Geruch von zu viel Kaffee auf nüchternem Magen riechen kann und sagt: "Nun ja, wer kein Vertrauen in die Welt hat, der bekommt auch keins zurück."
Oh Mann, was für eine beschissene Floskel, nicht mal ein Satz, der irgendwie etwas hat.
Ich gähne. Mir ist langweilig. Die Person guckt beleidigt, der Mund zuckt ständig, die Füße machen diese irren Bewegungen. Ich antworte lahm: "Aha. Wieso sollte ich DIR vertrauen?"
Die Person ist empört. Fängt an zu schwitzen, die Poren auf der Nase erweitern sich mit einem Male und der Mundwinkel verzieht sich nun komplett nach unten. Die Person schüttelt den Kopf, fassungslos, glaube ich und sieht mich bemitleidend an: "Vertrauen ist eben ein Geschenk, verstehst du?" Oh Mann, klar, alles klar, ich bin böse, weil ich der Person nicht mein Vertrauen schenke. Ich senke meinen Blick auf den Boden und zähle die Krümel, die dort liegen. Das muss irgendwie betroffen wirken. Die Person legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich zucke zusammen. Die Person erzählt mir lang und breit von ihrem Leben, das anscheinend nur aus Enttäuschungen und Frust bestand und dem einzigartigen Weg, trotzdem nicht aufzugeben, auch wenn alle zu ihr gesagt haben, dass sie nun mal nicht singen kann.
Ich ahne Schlimmes. Und es wird wahr. Die Person singt mir tatsächlich ein Lied vor. Ich erkenne es nicht. Nicht, weil ich zu sehr damit beschäftigt wäre, mich unauffällig zu entfernen, sondern weil keine Melodie erkennbar ist. Das Gekreische ähnelt eher einem Sirenengeheul und meine Ohren tun weh. Ich habe Angst davor, mein Gehör zu verlieren oder dass ich Tinnitus bekomme und gehe seitwärts weg.
Die Person ist zum Glück völlig vertieft in diese seltsame Darbietung von Musik. Die Augen sind geschlossen, die Arme theatralisch gen Himmel erhoben und sogar die Füße stehen mal still.
Trotzdem, meine Angst ist größer als die Faszination über die totale Bereitschaft zu einer Blamage. Ich gehe in die Hocke und krieche halb über die Straße. Auf der anderen Seite steht ein Taxi. Ich laufe auf das Taxi zu. Scheiße, die Person schreit nach mir. Sie hat den Verrat entdeckt und folgt mir. Ich treibe den Taxifahrer an, indem ich ihn mit Beträgen besteche, über die ich gar nicht verfüge.
Als wir außer Sichtweite sind, fragt er, wovor ich fliehen würde. Ich sage: "Vor der Welt. Einfach nur vor der Welt." Er lächelt. Dann beginnt er, aus seinem Leben zu erzählen. Er ist nämlich die ganze Zeit weggelaufen, vor der Welt, vor sich selbst, aber jetzt hat er seine wahre Berufung erkannt. Im Grunde seines Herzens ist er Schriftsteller und kaum sind diese Worte raus, im Taxi zwischen uns, dreht er sich zu mir um und hält mir sein Manuskript hin. Ich soll es lesen. Jetzt. Am besten laut, damit er weiß, an welcher Stelle ich gerade bin.
Ich seufze. Draußen guckt mich nur eine Landstraße irgendwo am Arsch der Welt an. Ich fange an, sein Manuskript zu lesen. Laut.

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leben 

Kommentare

15:00 02.09.2007
grins... wenn man selbst etwas glaubt und es für wahr hält - würde man sich selbst als Lügner bezeichnen? Selbstreflektion setzt ein gewisses Maß an Distanz zu sich selbst voraus.
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unbekannt
01:15 02.09.2007
Himmelherrgottarschunzwirn =D

Das ist ja doof, hast du keine ehrlichen Menschen um dich herum? ^^
Die Dame missbraucht dich, hört dir gar nicht zu, der Taxi-Fahrer braucht dich auch, um nicht alleine zu sein und für Aufmerksamkeit...
Ich hab deinen Text gerne gelesen, ich finde es schön, mit wieviel Humor du das Ganze trotz allem schreiben kannst! *gg*

Und mal ganz im Ernst: Wer kein Vertrauen in die Welt hat, zieht sich ein Push-Up an... :p


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2007-09-02 00:46