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Tagebuch Malaika
2006-07-13 20:54
Kurze Annäherung an die Normalität
Da sitzen wir und reden ganz vernünftig, wie Erwachsene, ein kleiner Witz, zu lautes Lachen und dann wieder ernst, wie machen wir weiter.
Alles totaler Hirnschiss. Ja, ja, das Glas ist halb voll, der Sommer ist da und wir sollten laut und fröhlich sein, trunken vom Leben, etc.
Vielleicht liegt es daran, dass ich seit Wochen, Monaten richtig nüchtern bin und die Leute anders sehe. Die Unsicherheiten sehe, die sich hinter dem ganzen Zynismus und den Witzen verstecken. Wie kann man sich nur andauernd nach Erfolg ausrichten und versuchen, den auch noch zu planen? Gibt es für diese Erfolgsplaner auch Liebe nach Plan, Romantik bei bestimmter Uhrzeit und ein Kind, wenn es in den Terminplaner passt?
Wann hört das auf, dass man einfach etwas gibt, ohne gleich etwas zurück zu erwarten?
Die Dinge, die mir wichtig sind, die mache ich, weil ich es ohne sie nicht aushalte. Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich nicht schreiben würde. Wenn ich keine Musik hätte. Ich überlege, ob es ein Fehler war, zu versuchen, aus der Leidenschaft Schreiben einen Beruf zu machen. Seit ich mit anderen über meine Texte sprechen muss nach Maßstäben der Verkaufbarkeit, der Verwertbarkeit, Zielgruppen und all den anderen Scheiß, fällt es mir immer schwerer, darüber zu schreiben, was mich wirklich bewegt.
Das Verrückte ist ja, dass man nach x-ten Überarbeitungen sowieso wieder an den Punkt kommt, wo der andere zugibt, dass die erste Version doch am besten war. Innerlich rase ich dann, weil ich denke: Wozu diese ganze Scheiße? Nur damit du es endlich kapierst, was du schon kapiert hättest, wenn du mal in Ruhe gelesen hättest und nicht schon mit dem dicken Rotstift in der Hand, geil darauf, Fehler anzustreichen. Oder soll das ein Test sein, herauszufinden, wie viel ich wohl nervlich verkrafte? Wenn, dann ist es verdammt sadistisch.
Aber ich frage mich, was ich sonst tun könnte, beruflich. Kinder erziehen? Dafür bin ich zu ironisch, glaube ich. Das haben sogar die Jugendlichen gesagt, nur die kamen gut darauf klar, waren ja alle selbst in einer Rotztrotzphase. In einem Call Center halte ich es keine fünf Minuten aus. Irgendwann hatte ich sogar mal einen Job als Kundenbetreuerin, aber ich konnte die Leute einfach nicht anlügen. Ich habe keine Ahnung, was ich sonst tun könnte. Vielleicht mal beim Burgerladen an der Kasse stehen, putzen gehen, in der Tankstelle hocken, um dann später ein Buch darüber zu schreiben... aber das gibt es auch schon. Ist sogar ein gutes.
Oder wieder zurück zur Musik? Mit der lädierten Hand werde ich keine Karriere starten als Pianistin.
Mann, das kann es einfach noch nicht gewesen sein. Früher hat es gut geklappt, da war ich aber auch von allem so überzeugt. Jetzt kommen die Zweifel schneller. 30. Die magische Zahl. Mit 30 bist du gesettled, hast einen guten Job, am besten noch eine Eigentumswohnung und ein Kind in Sicht. Aber das ist alles nichts für mich. Schon allein bei der Vorstellung fange ich an mich zu langweilen. Wenn ich meine Eltern sehe, dann sehe ich Sklaven des Besitzes. Ängstlich, dass ihnen das jemand mal wegnehmen könnte, ein fieser Dieb, der sich klammheimlich während des Urlaubs in ihr Haus schleicht und einfach alles mitnimmt. Bescheuert.
Ich frage mich, wo das hin ist, diese ganze Energie, die ich früher hatte, mit der ich alles angegangen bin. Wie einer dieser Menschen, die mir so fremd vorkommen, wenn ich sie heute sehe, so voller Ehrgeiz und bereit, 16 Stunden ihres Tages zu opfern für den potentiellen großen Erfolg. Ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr wie besessen schreiben, ich bin ja keine Schreibmaschine. Das Denken braucht Zeit.
Bin ich zu langsam für diese Welt?

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2006-07-13 20:54