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Tagebuch Loewin
2005-05-19 20:25
WGT die erste: Freitag
Freitag - Vorbemerkung

Der Freitag war noch ein harmloser Tag, fast sonnig, mit schönen Erlebnissen. Der wahre Sturm des Wochenendes hatte noch nicht begonnen.
Wir begannen wie beinahe jedes Jahr auf der Parkbühne, langsam den Übergang vollziehend, von dem, was da so Alltag genannt wird (gibt es das? soll es das geben?) in diese magische Welt des Treffens.

Freitag überlegte ich die ganze Zeit, wie ich meine Beobachtungen und Erfahrungen hier verarbeiten würde, was mich noch reflektierter machte als sonst – oder vielleicht gegenwartsbezogener: ich dachte weniger über Anderes, Fiktives, Zukünftiges nach als über das Hier und Jetzt. (künstliche Gegensätze).

Immerhin gab es einiges, was ich über die Bands loswerden wollte. Doch vorher –

Übergang

Auf dem Weg von der Uni nachhause fühlte ich mich seltsam. Gestern war ich noch eine normale Einwohnerin Leipzigs gewesen, auch wenn ich ähnliche Klamotten getragen hatte wie jetzt (dieselben zum Beispiel letzte Woche). Nun auf einmal schien man mich anderes wahrzunehmen. Ich war in der Wahrnehmung der Menschen verrutscht und von „einer von uns“ zu „einer von DENEN“ geworden.
Die EinwohnerInnen von LE begegnen den schwarzgewandeten Gästen gemeinhin freundlich; ich habe noch nie mitbekommen, daß sich jemand „fremdenfeindlich“ gegen die Goten verhalten hätte. Trotzdem sind sie aber eben Gäste, auch wenn sie aus LE selbst kommen.
Irgendwie also fühlte ich mich stigmatisiert. Klar, ich gehöre gern zu den GotInnen. Ich fühle mich unter ihnen wohl. Aber als fremd gesehen sein in meiner Stadt wollte ich auch nicht.

Ich wollte mich mal wieder so gern zu erkennen geben, als alles was ich bin, in meiner Vielschichtigkeit. (unmögliches und etwas quatschiges Anliegen).

Was ich mir nun, im Rückblick, überlege: daß ich fremd werden mußte im Vertrauten, um wirklich auf die Reise gehen zu können, und das war dieses WGT. Eine Reise in meine inneren Abgründe und Tiefen, nicht (nur) im negativen Sinn, eine Reise zwische Welten und Wahrnehmungen.
Reisen heißt wohl auch, einen Weg zurückzulegen. Am Freitag nachmittag begann dieser Weg.

übler Themenwechsel:
was ich den Freitagsbands sagen möchte.

VISIONS OF ATLANTIS
Keine üble Band, wirklich: exceeding expectations, sagten wir, denn bei dem Namen hatten wir ziemlich langweiliges Fantasy-Gedudel erwartet, besonders da PENUMBRA vorher exakt das boten: sie klangen wie Nightwish-Klon Nr. 538. Als VOA anfingen, erschrak ich als erstes vor der hohen Frauenstimme, weil die genau das Klischee erfüllte. Bei genauerem Hinhören erkannte ich allerdings, daß die Sängerin ihr Handwerk offenbar besser verstand, als viele ihrer Kolleginnen in ähnlichen Bands. Sie klang ziemlich gut.
Trotzdem wuchs von Minute zu Minute mein Bedürfnis, sie von der Bühne zu verbannen. Die Lieder fingen nämlich jedes Mal interessant an, schnell, kraftvoll, zum Abgehen geeignet. Genauso regelmäßig wurde das Tempo heruntergeschraubt, sobald die Sängerin ans Mikrofon trat. Dadurch bekamen fast alle Songs eine ähnliche Struktur und wurden langweiliger, als sie an sich gewesen wären. Zudem – m.E. noch übleres Manko – ging der großartige Sänger unter: er sang immer nur ganz kurz allein, dann mit der Frau zusammen (klang auch gut), doch dann übernahm sie fast jedes Mal doch noch den Hauptgesangspart.
Es tat mir einfach leid, daß das Potential dieser Band, insbesondere des Sängers, in dem scheinbaren Bestreben unterging, sich dem musikalischen Trend unterzuordnen, oder dem, was VOA dafür hielten. Alle Bandmitglieder wirkten sehr sympathisch, freuten sich sichtlich an ihrer Musik. Einzig die Sängerin wirkte etwas verloren in ihrem engen Gothic-Outfit und bei dem Versuch, damenhaft herumzutanzen. Ich hatte den Eindruck, daß sie normalerweise eher eine Metallerin ist, und versucht hat, sich ans WGT-Publikum anzupassen. Als Metallerin oder normale Frau hätte sie aber besser ins Bild der Band gepaßt und wäre vielleicht auch entspannter gewesen.

Ich überlegte, was ich der Band sagen wollte, und kam zu etwa diesem Schluß: Liebe Visions Of Atlantis. Ich hatte viel Spaß bei eurem Konzert und glaube an euer Potential. Deshalb möchte ich euch folgende subjektive Anregungen mitgeben: Auch wenn ys (Chiffre für Sängerin, hab ihren Namen nicht nachgesehn) Stimme toll ist – eure Songs sind zu sehr auf sie fixiert. Ich würde vorschlagen, daß y in einigen Songs einen anderen Gesangsstil ausprobiert, was sie bestimmt kann. Das würde euer musikalisches Spektrum erweitern und euch eine individuellere Note geben. y, falls Du in Wirklichkeit eher eine Metallerin als eine Gotin bist, wonach es in eurem Booklet aussieht: laß es raus. Ihr seid doch eine Metalband. Ihr habt es nicht nötig, andere Gruppen zu kopieren, nur weil die erfolgreich sind. Außerdem finde ich, daß der super Stimme eures Sängers mehr Raum gebührt. Gebt ihm doch eine paar Songs, die er alleine singen darf; das wäre wieder ein Punkt für die Vielseitigkeit. Viel Glück noch. Kommt wieder zum WGT!

MIDNATTSOL
Ladies, ihr seid soooo cool!
Als eine coole blonde Metallerin auf die Bühne kam, freute ich mich, fürchtete aber, daß sie mit hoher Stimme zu singen anfangen würde. Weit gefehlt! Sie packte ihren Bass aus. Ich freute mich nochmehr. Auf einmal betrat noch eine zweite blonde Frau die Bühne, und die postierte sich vor dem Mikrofon. Zwei Frauen in einer Metalband, schonmal ziemlich ungewöhnlich. Aber noch immer befürchtete ich die Attacke des hohen Standardgesangs. Die Frontfrau legte los. Sie hatte eine tiefe, interessante, geheimnisvolle Stimme. Die Musik (soweit ich mich CDlos gerade erinnere) hart, jedenfalls nicht süßlich. Wir bangten begeistert los.
Ich habe selten eine so motivierte, offene, strahlende Frontfrau gesehen. Die Bassistin bangte mindestens so begeistert wie wir. Die ganze Band wirkte frisch, voll dabei.
Liebe Frauen von Midnattsol: Ich konnte meine Augen kaum von euch lassen. Ja, die meisten im Publikum konzentrierten sich intensiv auf die rutschende Strumpfhose der Sängerin unter dem sehr kurzen Rock; das war ja auch nicht unbedingt uninteressant ;) Aber es war nicht das, was mich begeistert hat. Begeistert war ich davon, wie Du, Frontfrau, mit Deiner Körperlichkeit, Deiner Erotik umgegangen bist. Du warst Dir, das war ziemlich offensichtlich, Deiner erotischen Ausstrahlung und Wirkung durchaus bewußt, doch Du warst in dieser Bewußtheit nicht manipulativ. Du hattest Spaß und zeigtest ihn, und es war Dir völlig egal, was Moral oder sonstwer dazu sagen könnte. Du warst unbekümmert, dennoch erwachsen. Du warst einfach Du selbst, mit enormer Präsenz. Niemand konnte Dich auf Deine Körperlichkeit reduzieren, dazu warst Du zu sehr als Person da. Dein Körper war Dir einfach vertraut, Du lebtest in Deinem Körper, Du warst er. Du hattest keine Scham.

Dafür liebe ich Dich, dafür bin ich Dir dankbar. Es tut mir gut zu wissen, daß es solche Frauen gibt. Es gibt mir Kraft.
Und Du, Bassistin, Du hast vielleicht weniger gestrahlt als Deine Kollegin (und Freundin? Oder?). Aber Du hast Deinen Job gemacht, gekonnt, leidenschaftlich, und keineR kann behaupten, daß Männer besser Metal machen können als Frauen. Du standest mit beiden Beinen auf dem Boden, tanztest mit Deinen MitmusikerInnen, sahst die Frontfrau bewundernd an. Du warst das Bindeglied zwischen mir, einfacher Zuschauerin, und dieser Wahnsinnsfrau vorm Mikrofon. Und ihr wart ein wundervolles Team.
Ihr wart Göttinnen der Emanzipation. Danke.

PS: Andy hat sich eure CD gekauft. Es wart nämlich nicht nur ihr beide toll, sondern auch eure Musik. ;)

Tja, zu Atrocity uns Tristania habe ich wirklich nicht viel zu sagen, sorry. Das WGT Special Programm der ersteren war fürchterlich und jagte uns von der Bühne. Tristania jammerten so belanglos, daß wir uns gleich Richtung Heimat begaben, um uns auf morgen zu freuen.

Noch war wenig Tiefgehendes passiert. Oder? Ich befand mich bereits auf dem Weg.

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