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Tagebuch Loewin
2005-11-30 21:17
autoritäten und ich und mein genre
warum bin ich eigentlich so anfällig gegenüber autoritäten?
ich hasse das.
ich will selbst entscheiden, was oder wer mich berührt.

unsere dozentin meckerte vor kurzem an der wolf herum, gerade deshalb, weil sie so zu autoritäten aufblickt, ich verstand das, wieso immer brecht und seghers zitieren, wenn doch die eigene meinung zählt?

aber dann lese ich eine mail von cassie claire (die ich hier meist cc abkürze) an eine mailgroup von fans. die group diskutiert darüber, was denn toller und was einfacher ist, fanfiction oder original fiction.
cc sagt und begründet, original sei schwieriger.
vermutlich.

ist das ein qualitätskriterium? das, was mehr aufwand kostet, ist übrigens nicht immer auch das bessere.

naja, aber hier gehe ich noch mit, und dann redet sie darüber, daß original fiction mehr leser erreicht und daß sie bleiben wird. sie sagt, sie mußte sich, um ihre originalromane schreiben zu können, mühevoll schlechte angewohnheiten abtrainieren, die sie sich beim fanfics schreiben zugelegt hat.

und schlußendlich schreibt sie, ja, der harry potter hype wird abflauen, die archive werden down gehen und unsere fanfiction wird verloren und vergessen sein.

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mir ist zum heulen zumute. ich werde cassies fanfiction nicht vergessen. sie ist mir so wichtig wie ein spät gefundenes lieblingsbuch. sie hat mich zutiefst berührt.
geht es nicht darum bei literatur, daß sie berühren, wirklich zum leser durchdringen und eine wirkung haben soll? darüber könnte man lange streiten, die literaturwissenschaft tut es, aber für mich ist die antwort ja.

wie viele leser, ist das wirklich der punkt?

welche schlimmen angewohnheiten bekommt man denn beim fanfics schreiben? ich persönlich lerne in erster linie daraus.

vermutlich stimmt es, daß es die (hp-)fanfiction nicht ewig geben wird. unsere geschichten, unsere erinnerung bleibt. und dann: ist der frau ihr werk denn gar nichts wert? jetzt, da sie die tollen originalromane schreibt, weg mit der draco trilogy und den großartigen short stories, alles dreck?
ich kann mir nicht vorstellen, daß ich meine geliebte geschichte je so stiefmütterlich behandeln könnte. sie ist mein kind, so sehr wie es späteres, das ich schreiben werde, nur sein kann.

last but not least schreibe und lese ich ja nicht nur fanfiction, ich habe auch ein wissenschaftliches interesse daran. ich halte die sache für ein enormes phänomen, eine in dieser form neue art von literatur, mit ganz besonderen entstehungsbedingungen und gerade interessant wegen der frage: wie kann mit einem stoff auf tausend weisen umgegangen werden? was hat für die autorinnen und leserinnen relevanz? wie wiederholen sich muster, wie werden sie verändert, wie entstehen neue?

das ist ein riesiges feld voller herausforderungen.
ich bin traurig, daß offenbar eine der für mich großartigsten akteurinnen dieses genres (denn das ist es) urteilt wie der mainstream der literaturkritik.
unser genre ist nicht schlechter. es ist vielleicht bunter, vielseitiger, hat mehr schattierungen dessen, was man qualität nennt. es ist kommunikativer, demokratischer, zugänglicher, weniger elitär.
es ist an den bedürfnissen der menschen (literaturproduzentinnen wie -rezipientinnen)orientiert, nicht an den bedürfnissen des marktes. es ist neu und traditionsreich zugleich. es hat mit unseren verborgenen phantasien zu tun. es kann nicht zensiert und ncht unterdrückt werden.
höchstens von uns selbst.

wenn ich nicht so autoritätsempfindlich wäre, könnte mir einfach egal sein, was cassie so sagt, und sowieso hat sie es bestimmt ganz anders gemeint und liebt ihre fiction, beide arten... den genre-begriff hat sie auch verwendet...
aber -

current mood: sad
current music: (to fit the mood) dark suns, the euphoric sense

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Kommentare

01:36 01.12.2005
Kill your idols, das dachte ich dann auch vorhin. :)

Danke euch! Ihr seid toll!
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unbekannt
00:37 01.12.2005
Liebe Löwin, lass dich nicht entmutigen.

Habe ja auch mit Interesse in deiner Geschichte gestöbert, obwohl ich mit HP sonst weniger was am Hut habe. Und fand, dass du durchaus einen eigenen Stil entwickelt hast, der von HP losgelöst existieren kann.

Was cc vielleicht meint: Als Schriftsteller von ff ist es vermutlich leichter, eine entsprechende Leserschaft zu finden. Und man kann leichter auf Vorwissen aufbauen als bei dem entsprechenden diffusen Rezensentenkreis eines "Originalwerks" (vgl. Frau M-D )

Dass irgendwann ein Ende eines Hypes eintritt ist auch nicht neu. Aber es wäre doch interessant zu sehen, wer am Ende des HP-Booms die ff liest. Vielleicht entdecken es dann völlig "unvorbelastete" Leserinnen für sich?

Und am Ende bitte immer daran denken: Autorität hin oder her - es ist die Meinung einer Einzelperson. Kill your idols. Und arbeite weiter an dem, was dir sichtlich so viel Freude bereitet. Denn deine Geschichte kann dir niemand kaputt machen!

Mit den besten Grüßen
.Sven.


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unbekannt
21:49 30.11.2005
geht es nicht darum bei literatur, daß sie berühren, wirklich zum leser durchdringen und eine wirkung haben soll?

Oh, absolut, und genau darum geht es für mich. Wenn ich schreibe, ist es mir völlig egal, ob in hundert oder auch nur zehn Jahren noch jemand mein Zeug liest. Wichtig ist mir, dass es mich glücklich macht, und die fünf Menschen, die es lesen, zum lächeln oder nachdenken bringt, oder auf eine Art und Weise berührt. Das ist das schönste Geschenk für mich. Ob es bleibt, kümmert mich wenig. Und nur weil man nicht in die Welt der Klassiker eingeht, bedeutet das noch lange nicht, dass man nicht jemand tiefgehend berührt haben kann, manchmal ohne es zu wissen. (Wie es ja mit CC und dir zu sein scheint.) Vielleicht macht mich das ja nicht zu einem richtigen Autoren...egal.

Ich liebe Fanfiction. Ich habe in einer Situation meines Lebens Fanfiction entdeckt, in der ich diese kreative Auslassmöglichkeit dringend brauchte. Fanfiction ist toll, vor allem wegen der Möglichkeit, mit anderen zu inter agieren, sich gegenseitig zu inspirieren, seinen Spaß zu haben, und auch ernsthaft nachzudenken. Ideen auszuprobieren, zu lernen - natürlich war meine erste Geschichte Schrott, aber ich liebe sie über alles. Es gibt keine, die ich verbrennen möchte, keine für die ich mich wirklich schäme.

Ich möchte gern einmal Originalgeschichten schreiben, habe auch schon ein bißchen damit rumprobiert, und ja, ich finde es auch schwerer. Na und? Wert von etwas hat nichts damit zu tun, wie kompliziert es ist, finde ich. Es gibt andere Kriterien beim Originalfiction als beim FF schreiben, dass ist wahr. Deswegen sind das noch lange keine schlechten Angewohnheiten - es sind einfach zwei völlig verschiedene Genres.

Ich würde gern sagen, lass dich davon nicht traurig machen, aber ich habe das selbe Autoritätsproblem, und weiß, wie schwer das ist. Trotzdem, laß dich nicht entmutigen! Fanfiction ist toll, ist ein Geschenk für uns, und wir lernen unheimlich viel damit. :)


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2005-11-30 21:17