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Tagebuch Lartox
2008-10-29 18:20
Schwule Ästhetik. Oder so.
Eigentlich schwänze ich ja gerade Language Analysis, um dieses Kirchendokument in Kurrentschrift zu entziffern (und weil ich in Language Analysis immer einschlafe). Einen kurzen Eintrag würde ich aber gern loswerden, da die liebe KYO gerade etwas in mir ausgelöst hat.

Donny Hathaway
Seit Samstag geht mein Verhältnis zu Mädchen noch viel mehr in die Richtung, in die sie schon lange hingesteuert hat. Das, was man herkömmlicherweise als sexuelles Interesse bezeichnet, gibts bei mir nicht mehr. An dessen Stelle spüre ich nur noch eine sehr zwiespältige, weibliche Präsenz.

Wenn in der Küche eines Mädel sitzt, setz ich mich nicht dazu. Wenn mir auf der Straße eine einen Blick zuwirft, sehe ich nicht hin. Ich wechsle die Straßenseite. Der Gedanke an Gefallen zwischen einem Mädchen und mir fühlt sich an wie ein gleichgepolter Magnet. Ich will nichts davon wissen.

Andererseits denke ich den halben Tag über Weiblichkeit nach (angenommen, natürlich, dass es so etwas gibt). An Formen und Gerüche, Textur und Wärme. An den sengenden Blick von ihr, die es nicht gibt.
Das Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Nähe macht mich noch verrückt.

Im Grunde ist es aber weniger zwiespältig als normal, dass ich so empfinde. All das ist aus demselben Grund so, wie es ist, wie mein gestörtes Ess- und Trainingsverhalten zZ. Erst heute wurde mir klar, dass ich einen Katzensprung entfernt von der Anorexie bin. Irgendwo am Horizont erkenne ich auch meinen guten alten Freund, die manische Depression, und das SVV. Und deutlich wird das alles erst, wenn ich nicht mehr jeden Tag saufe (Alkoholismus hab ich in der Familie).
Nun, ich will nichts dramatisieren. Im Grunde gehts gut. All diese potentiellen Probleme sind nur winzig kleine, kaum spürbare Etwasse, die zusammengequetscht zu einem Klumpen in meinem Hinterkopf rumliegen und mich nenrvös machen. Es kribbelt in meinen Armbeugen, wenn ich daran denke. Mein Magen ist flau, meine Beine unruhig, und mein Hirn taub.

Nochmal: noch habe ich kein Problem. Nur kenne ich das alles so gut, dass mir wohl schon als ich dieses TB wieder anfing irgendwie bewusst war, dass ich ein ungesundes Seelenleben führe. Und wenn ich nicht alles wieder in Griff kriege, wird sich meine Psyche halt gegen mich wehren, und dann hab ich den Salat.

Tja, was hat das alles mit weiblicher Ästhetik zu tun. Ich habe immer wieder mal darüber nachgedacht, ob ich nicht vllt schwul bin. Ich kam immer zum Schluss, dass ichs nicht bin, und ich bin mir dessen auch jetzt sicher (wenngleich ich mir öfters denke, dass es wohl besser zu mir passen würde). Und am Samstag kam mir auch des ausschlaggebende Gedanke dazu:
Dass ich im rhiz dieses tanzende Mädchen nicht ins Bett kriegen wollte, sondern viel eher sie sein wollte, hat nichts mit meiner Sexualität zu tun, sondern mit meinem Verhältnis zu mir selbst. Ich hege eine Aversion gegen männliche Ästhetik, weil sie stellvertretend für meinen Körper steht, und dieser für meine Psyche. Warum und wie genau das alles funktioniert glaube ich zu wissen, ist hier aber nicht relevant und eine lange Geschichte.
Es genügt zu sagen, dass ich mehrmals täglich vor dem Spiegel meinen Körper ansehe. Meinen Oberkörper vor allem, und mein Gesicht.
Ich halte mich nicht für hässlich, und bin im Allgemeinen auch frei von üblichen Komplexen.

Aber eine Eigenheit, die ich von meiner Kindheit und meiner Pubertät (Vater sei Dank) wohl für immer mit mir schleppen werde, bringt mich nunmal dazu, mich mit einem etwas üblem Gefühl von mir abwenden: Ich sehe nur Fehler.
Fehler, Fehler, Fehler. Imperfektion ist überall. Man kann ihr nicht entkommen. Meine Knochen ziehen sich zusammen, wenn ich zwei Objekte sehe, die nicht parallel zueinander stehen, oder zumindest im rechten Winkel. Wenn ich an die Zeit denke, die ich verschwendet habe in meinem Leben, daran, warum ich nicht schon alles geleistet habe, was ich bis zu meinem Tod leisten will, will ich mich auf dem Boden winden und krümmen. Ich bin imperfekt, und könnte mich dafür umbringen (sprichwörtlich gemeint). Je länger ich in den Spiegel sehe, desto übler wird mir. Wie gesagt, ich halte mich nicht für hässlich. Aber ich bin nicht perfekt, und das kann ich nicht vertragen. An anderen kann ich alles mögliche bewundern, ich laufe überhaupt nur bewundern rum in der Welt, aber an mir, mir! mein eigener Körper, mein einziger Körper, er ist eine Schande, eine Beleidigung, und ich komme nicht aus ihm raus.

Wovon ich spreche sind keine Gedanken, es ist ein Gefühl. Und zwischen den Schüben, in welchen es kommt, bin ich wieder so wunderbar ruhig. Ich denke nicht mehr an die Imperfektion meines Körpers und meines Geistes, sondern an die Perfektion, die ich noch erlangen könnte. Ich habe noch genug Zeit, um 12 Sprachen zu erlernen. Mein Gesicht wird mit den Jahren auch kantiger und schlanker, gekerbter werden. Ich bin nur 19 Jahre alt, wie soll mein Körper denn dem Bild in meinem Kopf entsprechen?

Denn eigentlich habe ich nichts gegen die männliche Ästhetik, im Gegenteil. Sie ist genauso wunderbar wie die weibliche. Ein stille Stärke ausstrahlender Körper und eben solche Augen. Muskeln, die eine Geschichte erzählen; sanft steht er da, sein Inneres glühend im Wind.

So wäre ich gern. Wie klein man sich fühlen kann...
OK, so ein kurzer Eintrag ist es doch nicht geworden. Aber wie gesagt, KYO hat etwas in mir ausgelöst. Gerade als ich stinksauer nach Hause gekommen bin vom erfolglosen Geschenk einkaufen für Linda. Sie ist wie eine 2. Mama zu mir, und ich find verdammt nochmal nichts für sie. Was schenkt man seiner Schwester, wenn sie 30 wird? Herrgott. Jedenfalls mag diese Labilität zu meiner Empfänglichkeit beigetragen haben.

Um mich zu verstehen empfehle ich, ihre Fotos vom Juni anzusehen.
Erneut, der Beweis: es gibt es wirklich! Ich muss nur hinsehen! Jaja, so einfach ist das. Und alles, was ich in diesem Eintrag geschrieben habe, könnt ihr wieder vergessen.
Zumindest für den Moment.

So, jetzt muss ich zu Literaturrecherche. Mal sehn, was der Gugler mit mir macht, wenn ich ihm sage, dass ich die Hausaufgabe nicht machen konnte. Und wie meine Gedichtinterpretation angekommen ist.
Danach geh ich was trinken mit Linda und ihren Freunden.

Ich möchte rausgehen und jemanden kennenlernen...!

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