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Tagebuch Lartox
2008-10-01 03:49
Na, wer hat mich vermisst?
Eigentlich hätte ich schon vor ein paar Stunden ins Bett gehen sollen. Nicht, dass ich morgen etwas zu tun hätte - eine geschlagene Woche werde ich hier noch herumsitzen, in meinem verwaschen bräunlichem Studiheim-Zimmer, und auf meine erste Vorlesung warten. Es ist mein Mitbewohner Sebastian, ein schweinegesichtiger Nerd aus Oberösterreich, der andauernd komische Geräusche macht (schlafend fast genauso viel wie wach), der um 07:00 aufstehen muss, zur WU.

Ich bin mir nicht sicher, warum ich um 4 Uhr morgens ein neues Tagebuch anlege und versuche, meine Gedanken in sprachlich verwertbarer Form für ein Publikum zu manifestieren, das mich nicht mehr kennt, und das in eloquenter Manier und ohne jemanden zu wecken. Naja, woher der Impuls kommt ist nicht schwer zu erraten: die letzten 2 Stunden habe ich damit verbracht, meine alten (noch vorhandenen) TBs hier zu lesen, nachsehen, wer von meinen alten Freunden noch hier ist, Nachrichten durchblättern, Lieder im YouTube suchen, die ich damals gehört habe...

Jedes Mal, wenn mir wieder bewusst wird, wie einfach man mitten in ein altes Lebensgefühl dringen kann, bekomme ich ehrlich Angst. Bin ich denn nicht ein Anderer als damals? Werde ich wieder in die alten Verhaltensmuster zurückfallen, wenn ich hier schreibe? Mache ich mir denn wirklich nur etwas vor...?

Das ist kein Spruch, ich bin ein Anderer. Irgendwie bin ich auch froh darüber, dass ich früher so ein verleitetes Stück war. Ich bin jetzt stark, praktisch nichts kann mir wirklich etwas anhaben (manchmal wünsche ich mir, es wäre nicht so), ich brauche mein Selbstmitleid und meine Arroganz nicht mehr. Ja, ich möchte meinen auf mich stolz sein zu können. Ich bin mir aller meiner Fehler bewusst und finde mich okay.
Und hier kommt der Grund, warum ich das alles sage: Ich bin dafür bekannt, ein unverwüstlicher Charakter zu sein. Aber in den letzten 2 Stunden habe ich mir nichts gewünscht als mich in seelischer Fötus-Stellung vor dem Computer zu suhlen und nichts zu sein, nichts außer ein schwaches, hilfloses, lebensunfähiges Ding, mit all meinen alten Freunden, die für mich da sind, meiner alten Musik, meiner alten Selbstverletzung.

Oft schaffe ich es, wenn ich an etwas denke oder etwas fühle, das ich gerade nicht sollte, diese Phänomene zum Interesseobjekt zu degradieren, an welchem ich mich laben kann bis ich bereit bin, es wieder in den Unterbewusstseinsschrank zu stellen. Als könnte man unglückliche Liebe untersuchen wie einen gediegenen Wein.

Heute nicht. Heute schreibe ich.

Irgendwie komme ich mir ja ein bisschen lächerlich vor. Ich bin jetzt 19, studiere in einer Woche Komparatistik und Byzantinistik/Neogräzistik, ernte großen Respekt, bin in voller Kontrolle über mein hoch zielendes Leben und sitze im wohl am meisten nach Kultur stinkenden Zimmer des ganzen Heimes (Die originale Lava-Lampe links vor mir in der Ecke glüht ruhig einen warmherzigen, orangen Schimmer auf die links neben dem Fenstersims aufgereihten Weinflaschen, mein PowerBook, die Reste meines Abendessens - Pute und Polentataler mit pikantem Gemüse, dazu ein Montepulciano - und vermischt sich mit dem alten Gelb der Bettlampe auf der anderen Seite des Zimmers genau in der Mitte, zwischen meinem angenagelten Nunchaku und dem jungen Efeu, den ich heute auf meinem Bücherregal über dem Schreibtisch platziert habe). Man könnte auch meinen, ich sei dekadent. Meine Schwester Stella hatte auch einen passenden Ausdruck dafür, diesen kann ich hier aber leider nicht wiedergeben da er im Grunde die Kombination einer Handgeste und eines Soundeffects war.
Mein Äußeres ist immer gepflegt, dezent und zeugt nicht unbedingt von einem Jugendlichen, der auch in der Öffentlichkeit kaum Hemmungen hat und sich für ein bisschen Spaß jeden Scheiß ausdenken würde.

Und sieheda, ich regressiere in meine TB-Zeiten. Ich würde sofort denken "Dieser Kerl hat doch nur ein Schutzschild aus bieder-schleimigem Stil aufgegbaut, wahrscheinlich am meisten vor sich selbst." Und da kommt auch schon die Identitäts-Krise.
Aber nein, so ist es nicht. Keine ID-Krise. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, ist meine Entwicklung der letzten Zeit von einem einzigem, geradezu langweilig offensichtlichem Motivator getragen worden:

Einsamkeit.

Ja, ich bin einsam. Und das auf die nervigste Art und Weise, die es gibt: es gehtum die Art Einsamkeit, die niemand sieht. Die nicht sein dürfte.
Ich habe Freunde. Sogar ein paar verdammt gute Freunde. Ich glaube, mein bester Freund (den ich, zugegeben, selten sehe) würde für mich sonstwas machen. Mit meiner gesamten Familie habe ich ein unheimlich gutes Verhältnis, sie lieben und umsorgen mich, jeden Tag. Überhaupt habe ich nicht das geringste Problem, auf Leute zuzugehen, sie kennenzulernen, was mit ihnen aufzubauen... darin habe ich den schwarzen Gürtel.

Und trotzdem. Seit 1,5 Jahren schon bin ich nicht mehr mit Sophie zusammen, ich habe Schluss gemacht. Diese 1,5 Jahre waren ...ja was zum Teufel waren sie eigentlich. Darüber müsste ich wohl ein eigenes TB aufmachen. Ich weiß nur, dass mein Herz einen Platz frei hat, einen Ehrenplatz. Und niemand will ihn einnehmen...

Wisst ihr, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein? Ich meine richtig, aufrichtig und tief verliebt zu sein? Und wisst ihr auch, wie das ist, wenn es gar keinen Menschen gibt, in den man verliebt ist? Ich trage meine Liebe mit mir herum, die strahlt aus mir heraus, und niemand will sie annehmen.

Ich sagte vorher, ich ernte großen Respekt usw.
Ich habe nicht übertrieben, im Gegenteil. Zwar ist das hier mein TB und ich sollte mich nicht um irgendwelche Meinungen scheren, aber ich wollte ganz einfach nicht eingebildet wirken. Die meisten Leute, mit denen ich auch nur ein wenig zu tun habe, behandeln mich schnell anders als andere. Oft verstehe ich nicht einmal, warum jemand über irgendwas, das ich gesagt habe, derartig staunen kann. Ach, ich kann es nicht richtig ausdrücken. Ich sage es an einem Beispiel: ich bin mit einer Sophia in die Klasse gegangen. Ich war eine ganz schöne Zeit lang in sie verliebt, aber sie sagte mir irgendwann den Grund für ihr befremdliches Verhalten - sie sehe mich mit zu eigenen Augen, ich sei nicht richtig fassbar, als Mitmensch akzeptierbar. Ich sei zu anders, hebe mich ab.

Ihr versteht, dass ich das nicht gerne sage? Ich weiß, wie es klingt.

Gestern wurde ich wieder damit konfrontiert, auf einer kleinen Party, auf der ich niemanden kannte. Nach 2-3 Stunden, naja...

Jetzt fange ich wieder an zu schwafeln. Vielleicht deshalb, weil ich selbst nicht wirklich an meine Erklärung glaube. Dass ich mit niemandem ein Liebesverhältnis beschert bekomme, weil Menschen mich lieber mit etwas Abstand gern haben - so ein Phänomen, dass man zum Interesseobjekt degradiert.

Oh nein, in mir flüstert und zischt die alte Angst, das Versagen. Wie kann ich denn den ganzen Tag, das ganze Leben mit solch selbstverständlicher Sicherheit herumlaufen, um manchmal, wenn keiner hinsieht, in der Vorstellung zu versinken, ich genüge schlichtweg den Anforderungen nicht?

Es ist diese Angst, die mich wieder hierher getrieben hat.

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Kommentare

18:02 05.10.2008
Ebenfalls: Willkommen zurueck
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01:57 02.10.2008
Ach komm ;)
Ich freue mich, das du mir schreibst. Und schämen musst du dich nun wirklich nicht, vor allem nicht wegen sowas, und am vor allemsten nicht vor mir.

Nur hast du eines misverstanden: ich habe nicht das Gefühl, überhaupt nicht verliebt zu sein, sondern eben unstserblich verbliebt zu sein - ich weiß nur nicht, in wen. In irgendwen, irgendwas, einfach in nichts oder auch alles. Einfach nur so.
Als würde ich Überschuss produzieren.
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00:51 02.10.2008
erstmal willkommen zurück. da habe ich dir ja einen sehr hübschen willkommens-gruß mit meinem letzten eintrag beschert. beschämend!
kein guter zeitpunkt, wieder aufzutauchen! ;)

was die nervigste art einsamkeit nennst, ist - denke ich - auch die häufigste. dieses einsam sein, wenn um einen rum das leben tobt und man eigentlich doch ständig absolut nicht alleine ist. aber dass einsam und alleine, nicht dasselbe sind, weiß ja jedes kind.

und total überhaupt gar nicht in wirklich niemanden verliebt zu sein. jaaa, das gefühl kenne ich. es fühlt sich an, wie knäckebrot, das drei tage in einer offenen verpackung verbringen musste. oder vielleicht eher einen. denn richtig furchtbar ist es auch nicht. einfach nur nicht gut, nicht angenehm, nicht richtig, in JEDER hinsicht verbesserungswürdig.
aus diesem grund habe ich wieder angefangen, mich zu verlieben. mehr schlecht als recht. entweder halbherzig oder erfolglos... manchmal auch beides. ich hab´s wohl verlernt. ob´s jetzt besser ist, kann ich nicht beurteilen, aber ein bisschen lebhafter und mehr mensch.

ja, und komparatistik wollte ich auch erst studieren.
jetzt dann doch nicht.
genug gemüllt, wahrscheinlich ist dir jetzt schlecht.
aber es freut mich sehr, dass du wieder zurück bist!
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15:16 01.10.2008
Da kann ich dir nur zustimmen. Ich sollte sowieso anmerken, dass die Art, wie ich mich in diesem Eintrag ausgedrückt habe, zu relativieren ist. Es ist ganz einfach eine Seite, die nicht oft raus kommt.

Und Nadine: danke! Und: hallo! ;)
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unbekannt
15:07 01.10.2008
Dass dich nicht mehr kennt? Das glaube ich nicht ;)

Schön, von dir zu lesen. Vieles kommt mir bekannt vor. Und genau deshalb lese ich meine alten Texte nicht. Zu viel Gefahr.

Und 19 - trotz Anerkennung und Veränderung - ist immernoch irgendwie ein Alter des Suchens nach sich selbst. Klar, das Gerüst steht, aber trotzdem weiß man noch nicht restlos Alles.


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15:05 01.10.2008
Ne, oder? Du bist noch hier? :D
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