Die grüne Karte.
Es brennt, es prickelt unangenehm, es tut weh und ich muss aufpassen, dass ich die Stelle nicht zufällig kratze. Meine Unterlippe ist aufgebläht und hängt runter wie en Sack. Herpes macht sich breit... Außerdem sieht es unheimlich sexy aus. Glück, dass ich auf roten Welle bin und keinen Drang verspüre meinem Schatz zu nah zu kommen ;) Eher gesagt – er hat Glück ;) Küssen kann man wohl vorübergehend vergessen.
Die Stimmung ist wegen dieser kleinen Unannehmlichkeit zwar nicht ganz im Keller aber rutscht doch dem gefährlich nah.
Ich konnte mich heute aber nicht davon abbringen den ganzen Tag vor mir rum zu schmunzeln. Ich habe schon erzählt, dass wir für den Michael ein Büchlein mit Fotos und mit unseren Abschiedswünschen vorbereiten. Die Maja hat schon einen Stapel grüne robuste A4-Blätter parat damit die Leute da drauf was schreiben und ich dachte – mache ich es dem Valerij nach (er hat ein Blatt für sich alleine geholt und darauf ein lustiges Bildchen ausgedruckt drunter schieb er noch was ). Ich mag gar nicht in der ersten Reihe zu sein aber ich fand es nicht verkehrt, wenn ich ein wenig persönlich werde. In einer Woche ist er nicht mehr mein Chef. Und es ist vielleicht meine letzte Gelegenheit ihm mein Dank auszusprechen. Es ist nicht so selbstverständlich, dass man bereitwillig eine Russin mit ausgeprägten Sprachproblemen und absolut ohne jeglicher Erfahrung einstellt und dafür sorgt, dass sie ein gutes Gehalt bekommt. Er hat damals selbst erst seit Kurzem ein Leiter geworden und hat mich selbst in den Bereich angelernt. Ich war erst 4,5 Monaten in der Firma (von der Zeitarbeit als er mir, ohne meiner Nachfrage, eine feste Stelle angeboten hat. Damals konnte ich davon nur träumen. Also, kurz gesagt, ich wollte mich aus der grünen Menge hervorheben. Ich bat die Maja mir ein Blatt zu geben und habe was gebastelt. Oben, 1/4 des Blattes, die Umrisse der laufenden Hunden in grauen Tönen. Darunter mein Avatar, den ich für Digi entworfen habe. Mein inneres Kind *an Yo denk* ;)
Und ganz unten, als Fußzeile mein Motto: „ Die meisten Probleme sind nur maskierten Gelegenheiten“ und drunter meine HP- Adresse.
Ich konnte nicht anderes. Ich wollte, dass er die Seite ein Mal zu Gesicht bekommt damit er mich besser kennen lernt.
Neben meinem kleinen Avatar, der wie eine Briefmarke auf einer großen Postkarte aussah, habe ich einen Abschiedsgruß geschrieben in dem ich ihm sagte, dass es Spaß gemacht hat, mit ihm zusammen zu arbeiten und ihm dankte, dass er sein Vertrauen in mich gesetzt hat. Ich schrieb noch, dass ich es hoffe, dass ich ihn nicht allzu sehr enttäuscht habe.
Ich weiß, dass ich damit wieder mal mein minderwertiges Selbstwertgefühl gezeigt habe. Aber es ist keinen richtigen Zeitpunkt um Stärke zu zeigen. Ich fand, dass ich ihm einen Dank schuldig bin...
Nach dem die „Karte“ fertig war, habe ich noch eine Weile gezögert. Ich habe die Maja dann gebeten sie irgendwo ganz hinten zu packen, damit sie nicht jeder sieht. Es schien mir doch ein bisschen peinlich, wie ein kleiner Seelenstrip, obwohl da nichts besonderes stand. Vielleicht wegen dem Avatar... Ich weiß es nicht, aber ich habe mich gezwungen die Karte abzugeben. Wenn ich noch weiter gezögert hätte, hätte ich sie einfach zerrissen und einen unpersönlichen schlichten Satz zwischen allen anderen Unterschriften hinterlassen.
Das war ein Krampf!
Ansonsten war der Tag ganz locker und angenehm. Die Maja fand übrigens meine kreativen Versuche sehr schön, was meine Stimmung in die Höhe hob.
Ich habe noch im Laufe des Vormittages einen Termin für meinen Schatz bei unserem Hausarzt ausgemacht. Die Ärztin war stinkig, weil er sich bei ihr seit paar Jahren nicht mehr blicken ließ, obwohl er in der Behandlung wegen seinem Blutdruck sein sollte. Das habe ich ihm dann am Telefon weiter gegeben. Sie hat doch absolut recht! Er ist ein Risikofall und schon über 40! Mann soll auf seine Werte aufpassen. Das hat mich auch erschüttert. Ich werde ihm ab jetzt mehr an die Pelle rücken damit er sich regelmäßig untersuchen lässt.
Der Schnee ist übrigens weg aber das macht es nicht besser. Er ist zum heulen trüb und saufeucht draußen. Muss man eine Vogelscheuche, die diesen Winter symbolisiert, verbrennen damit der Winter sich endlich verkriecht?
[Bild nicht gefunden]