Willkommen auf Tagtt!
Thursday, 18. April 2024
Tagebücher » Gustav_Landwehr » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Gustav_Landwehr
 1937-09-04 hh:mm
Herr, wie sind Deine Werke so groß
Herr, wie sind deine Werke so schön und groß, so möchte ich heute, nach sechs Ferienwochen wohl mit dem Psalmisten singen. Manche Schönheit in Gottes herrlicher Natur habe ich sehen dürfen. Mit allen Freuden und Mühen war das Jahresfest vorüber. Die zum Teil von weit her gekommenen Gäste waren abgereist. Ruhe war auf der Hardt eingekehrt, die noch vor Stunden von Menschen schwarz war. Auch aus Höllenbeck waren einige Freunde da, Herr Pilsticker und Herr u. Frl. Schur. Da durften wir die letzten Vorbereitungen für unsere Fahrt treffen. Dann endlich, am nächsten Morgen gings los. Eben mußte ich noch ins Alte Haus und mich von Tante Johanna verabschieden, dann auf die Räder. Über Schwalm ging die Fahrt ins schöne Siegerland, zu den Eltern von Wilh. Flender. Am nächsten Morgen führte uns der Weg durchs Rothaargebirge ins Wittgensteinsche, an der Eder entlang über Bad Wildungen in unser geliebtes Mandern. Der nächste Tag sah uns in Röhrda beim P. Delius. Ganz allein haust der urgemütliche Herr mit seinem Köter in der Pfarre. Ich mußte bei einem Bauern schlafen, wo 2 Tage vorher Hochzeit gewesen war. Einige Gäste waren noch da. Natürlich wurde ich als „Missionar“ vorgestellt. Und dann in kurzer Hose und mit nem Tornister.
Zunächst war mir doch nicht ganz feierlich zu Mute. Bald aber waren wir bekannt. Auch die jungen Mädchen hatten den „Missionar“ einfach gern. Wenn ich nur an die Mengen von Torten denke, die mir die beiden liebevoll fast in den Mund steckten. Aber es musste auch wieder geschieden sein. Der nächste Tag, ein Sonntag, war in der Tat kein Ruhetag. Nach Eisenach und zur Wartburg gings zunächst. Im Lutherzimmer habe ich auf dem Fußschemel Luthers gesessen. Wenigstens sollte er es sein. Langsam gings nach dem Mittagessen und Besichtigen der Stadt weiter. Als wir um 4 Uhr in Gotha eine Flasche echt bayr. Bier tranken, stellten wir fest, daß wir noch fast 100 km zu fahren hatten. Und dann begann das Rennen, in 2 Std. 50 km, immerhin eine Leistung. Trotz der Eile haben wir uns in Weimar 1 Std. aufgehalten und standen bald vorm Goethe-Schiller Denkmal. Über Apolda gings dann ins Saaletal und bald erreichten wir Naumburg. Es ist schon Tatsache, mit seinen wuchtigen Felsen ist das Saaletal eines der schönsten deutschen Flusstäler. In Naumburg waren wir Gäste bei Frau Dr. Schiele. Trotz der Feinheit eine wunderliche Aufnahme. Nachher habe ich ins Gästebuch geschrieben: „Nach Augenblicken schon waren wir Freunde“ Am nächsten Morgen wurde noch die Stadt mit dem Dom besichtigt. Nach dem Mittagessen begann es zu regnen. Trotzdem sind wir mit Rädern gefahren, wir wollten doch den Ruhm in Anspruch nehmen, mit Rädern Leipzig erreicht zu haben. Bald standen wir bei Lühen vor dem Gustav Adolf Denkmal, an der Stelle, wo einst Gustav Adolf für die ev. Lehre sein Leben ließ.
Völlig durchnässt kamen wir in Leipzig an. Ungefähr 60 Brüder aus Deutschland, Holland, Norwegen und der Schweiz nahmen an der Tagung teil. Alles stand unter dem Motto: „Eile“. Allgemein löste ein Vortrag den anderen ab. Oft war kaum Zeit zum Essen. Nachmittags wurden wir durch die Messestadt geführt. So waren wir in der russischen Kirche, wo uns der Priester einen Vortrag hielt übers Völkerschlachtdenkmal. Viel zu rasch vergingen die Tage, und bald kam die Scheidestunde. Über Merseburg mit seinem alten Schloß ging die Fahrt nach Kleinwangen an die Unstrut. Bei Miss. Giesewetter haben wir übernachtet. Da die Eltern nicht zu Hause waren, waren wir mit dem Sohn und den zwei Töchtern ganz allein. Bald war eine gute Freundschaft geschlossen. Beim Abendspaziergang, der von 9-12 Uhr dauerte, erzählte mir die ältere Tochter, daß sie zuckerkrank sei. Mir war das recht weh, sie war ein so liebes fröhliches Mädchen, daß wohl jeder sie lieb gewinnen muß. Und doch, was muß so ein armes Menschenkind wohl durchkämpfen. Am nächsten Morgen war ich ein wenig ärgerlich, weil Albert und Winnetou zusammen fuhren, und ich immer allein den Schluß machen mußte. Nicht die letzten Wünsche habe ich ihnen nachgeschickt. Gegen Mittag, als wir den Kyffhäuser gesehen, kamen die ersten Harzberge in Sicht. Vor Gernrode stürzte dann Christian und brach sich das Schlüsselbein. Was war zu tun? Zunächst wurde alles Geld zusammengelegt und die zwei mussten mit der Bahn weiter fahren und ich bestieg wieder mein Rad. Fast ohne Geld gings weiter. Im Elbingeroder Diakonissenkrankenhaus machte man trotz unserer Anmeldung allerlei Umstand. Endlich erhielt ich Bescheid, daß ich bleiben könne. Wäre es nicht schon so spät gewesen, und wäre ich nicht so hundemüde gewesen, hätte ich mir noch irgendwo ein anderes Quartier besorgt. Nachdem ich am andern Morgen eine großartig angelegte fromme Rede angehört und 2 M. bezahlt hatte, war ich froh, als ich dem Hause Lebewohl sagen konnte. In der Tat kein gutes Quartier hatte ich gehabt. Auf dem Brocken war ich noch, habe aber außer dem großen grauen Hotel nichts gesehen, als Regen. Als ich dann wieder in Elend war, o Elend, die Sonne schien, und aus weiter Ferne sah ich noch den Brocken. Am Abend kam ich in Dassel im Jugendheim an, auf dem harten Strohsack habe ich besser geschlafen als die Nacht zuvor bei den Schwestern. Den nächsten Tag gings auf den herrlichen Solling nach Höxter an die Weser. Rasch habe ich noch das Kloster Corvey besichtigt, dann an die Weser entlang bis Polle und über Detmold nach Haus. Fast 1000 km hatte ich in 9 Tagen zurückgelegt und ein schönes Stück deutsche Erde gesehen. Sodann war ich die meiste Zeit in Häger, wo es recht gemütlich war. Einmal war ich auch bei meinem angehenden Schwager eingeladen. Im Verein habe ich 2 Stunden gehalten. Und einige Mal habe ich auch Adelheid getroffen. Ich kann nur eins sagen, die Ferien waren schön. Insp. Vierig hat uns verlassen, er hat in Liebefels eine Pfarrstelle übernommen. Wir haben einige Sorge, da die Stelle unbesetzt bleiben soll.

Kommentare

Noch keine Kommentare!
Kommentieren


Nur für registrierte User.

Gustav_Landwehr Offline

Mitglied seit: 02.09.2011
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

1937-09-04 hh:mm