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Thursday, 25. April 2024
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Tagebuch Gustav_Landwehr
 1938-10-17 hh:mm
Heidchen beichtet ihre Probleme
Es ist wohl die bisher ereignisreichste Ferienwoche meines Lebens, die ich hinter mir habe. Mehrere Male war ich wegen der Naturaliensammlung unterwegs. Am meisten Freude hatte ich deswegen bei P. Meier in Wallenbrück, der Geld zu sammeln versprach. Ein Dorfpfarrer von Format, ich glaube, nicht einmal in der Kleinstadt wäre es möglich. Ich dürfte aber durchaus merken, wie Wallenbrück Missionsgemeinde ist. In Häger war Samstag und gestern Geflügelfest, da gab es im Dorfe eine Unmenge Krach und Lärm. Willy Schröder war mit seiner Verlobten bei uns, mir scheint, als ob Willy eine liebe Braut gefunden hätte. Wenigstens ist sie mir eine ganze Menge lieber als Annas Mann. Freitag war ich auf großer Fahrt. Über Sp. ging die Fahrt nach Holzhausen, dann nach Preußisch Oldendorf, wo ich auch Br. Rathemeier besuchen wollte, ihn aber leider nicht antraf. Dann weiter nach Nettelstedt, Isenstadt und Gehlenbeck. Überall hatte ich nur den einen Auftrag, zu sagen, es gibt noch eine R.V.G. Natürlich handelte sich’s um die Sammlung, und ich glaube, die Fahrt war nicht vergeblich. Demnach ists dann so gekommen, daß der eigentliche Sinn der Fahrt. fast Nebensache wurde.. Ich wollte auch einen Besuch in Lübbecke machen, woselbst ich sehr fein aufgenommen wurde. Natürlich drehte sich’s bald im Gespräch um Herrn Rathemeiers Versetzung, die ganz offen als eine verkappte Strafverfügung angesehen werden muß. Adelheid war zunächst mit Christel zum Zahnarzt. Nachher wollte sie noch zur Stadt, und wir gingen zusammen. Obwohl es bei uns sonst nie am Gesprächsstoff mangelt, wollte doch kein Gespräch zustande kommen. Dann sagte sie ganz plötzlich, warum mussten Sie gerade heute kommen? Auf meine Fragen erhielt ich keine direkten Antworten, sodaß ich schon sagte, dann will ich nicht versuchen, in sie zu dringen. Seltsam war mirs, sie schnitt ein Gespräch an und brach dann ab. Ganz allmählich aber begann sie doch zu erzählen, sie fühle sich seit einiger Zeit nicht ganz wohl und befürchte nun das Schlimmste. Da kam immer wieder die eine Frage, was soll ich tun, darf ich es meiner Mutter sagen, sie hat schon so viel zu tragen, und ich sollte ihr tragen helfen, da muß ich ihr nun auch noch Sorgen machen, das würde meine Mutter nicht ertragen. Da wurde ich nun plötzlich vor die ganze innere Not eines Menschen gestellt, sollte helfen, und doch wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich mußte ihr die Folgen längeren Schweigens klar machen und sie bitten, weitere Schritte zu unternehmen. Was kann ein längeres Verschweigen auch für Folgen nach sich ziehen. Sie antwortete mir, so weit habe ich nicht gedacht. Vor allem die innere Not stand mir klar vor der Seele. Durfte ich es wagen, ihr von dem zu sagen, der alle Wege lenkt. Ich wagte es und sagte, letztlich kommt alles von Gott, und alles schickt er, um uns dadurch näher an sich zu ziehen. Wie leicht aber klingt solches Reden wie eine Phrase. Eine große Freude war mirs, daß sie sagte, als einen Weg Gottes habe ich das auch immer angesehen. Immer wieder aber stand ihr die Mutter vor den Augen, sie kann das nicht ertragen, es ist zu viel für sie, sie könnte sterben, und zuletzt sagte sie, also, ich soll reden? Obwohl mir die Verantwortung klar vor der Seele stand, mußte ich sagen „Ja“: Und sie hat es mir versprochen. Dann habe ich ihr noch gesagt, wir wollen du zueinander sagen und schreib mir mal darüber. Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen, aber ich mußte ihr helfen, und anders konnte ich ihr keine Hilfe sein. Habe ich mich dadurch nicht in etwas an sie gebunden, und wie wird es mit ihrer Krankheit werden? Anders handeln aber durfte und konnte ich nicht. Gott wolle uns nun den weiteren Weg zeigen, den wir gehen sollen. Wie leicht ist es, andere auf Gott blicken heißen, aber selbst erkennt man den Weg Gottes oft so schwer. Meine Gedanken und Gebete sind immer wieder zunichte geworden, ich will glauben lernen und beten, dass Gott auch uns den zu gehenden Weg zeigt. Bete für meine arme, liebe Mutter, das sagte Heidchen mir immer wieder. Neue Verantwortung liegt auf mir, indem ich ihr versprochen habe, sie und ihre Mutter nicht zu vergessen.

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