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Tuesday, 23. April 2024
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Tagebuch Gottergeben
 1943-08-20 hh:mm
Nun tobt der Krieg auch im Maintal
Nun sind die Schrecken des Krieges auch über unser stilles Maintal gekommen. ¼ Std. hat genügt, Grauen, Zerstörung, Tod in unsere Stadt u. ihr Umland zu tragen. War es wirklich nur ¼ Std.? Dann hat sie uns die Bedingtheit des Maßstabes Zeit erahnen lassen u. die nahe Ewigkeit.
Wie hat das Herz immer erregt geschlagen, wenn die Flackschüsse krachten, ferner Feuerschein den Himmel rötete u. die Nachrichten von Fliegerangriffen auf bekannte Städte eintrafen. Wie bangten wir alle vor gleicher Stunde! Da nun Not u. Gefahr wirklich über uns hereingebrochen waren, blieb ich seltsam ruhig u. seelisch klar. Ja, ich nervöser Mensch konnte noch beruhigend auf andere einwirken. (Wie waren im Keller Geschäft Schmitt.) Ich wußte, was zu geschehen hatte, ich gab Anordnungen u. ich wußte vor allem, daß uns nichts geschehen konnte außer dem Willen Gottes. – Gleich nach dem Angriff fuhren wir im Dienste des DRK in die Stadt. Ein Strom des Elends flutete uns entgegen. Die versehrte Stadt spie ihre Bewohner aus. Gestalten des Jammers mit verstörtem Blick, verrußten Gesichtern, zerschundenen Händen, schmutzverkrusteten Kleidern, blutdurchtränkten Verbänden – ein endloser Zug! L.leute führen die ersten Obdachlosen in die naheliegenden Dörfer.
Eisenbahnschienen lagen zerrissen, Telegrafendrähte hingen wirr. Von der Stadt her schlugen Flammenschein u. Brandgeruch entgegen. Schutt u. Trümmer in allen Straßen. Glassplitterübersät, wasserüberflutet die Gehsteige, brennende Häuser, immer neue Brände u. Menschen entsetzten Gesichts vor ihrer letzten Habe. Da überkam mich doch noch das Grauen – u. das Mitleid. Und ich war froh ein wenig helfen u. lindern zu dürfen. Beim Anblick der Wunden wurde mir fast übel, aber der Helferwille überwand die Schwäche u. als ich weit nach Mitternacht in mein friedvolles Heim kam – ohne jede Müdigkeit – stand in mir neben dem Empfinden des großen Mitleids mit all dem Elend eine noch größere, fast jubelvolle frohe Dankbarkeit, die nicht nur selbstisch für das gerettete Leben dankte, auch nicht nur für die Rettung der Freunde, so froh u. glücklich ich deshalb war; mehr schon war es Dank für das bißchen Helfendürfen, am meisten aber für das Wissen wie nah Gott bei uns war – ist. Es haben mir auch andere Menschen in diesen Tagen erzählt, daß sie das Erleben, so schwer es war, nicht aus ihrem Leben fortdenken möchten.
Seit Tagen geht nun der Zug der Flucht Schwf. Auf Handwagen, Kinderwagen, Räder ist das gerettete Gut gepackt, Deutsche u. Ausländer pilgern in gleicher Not als Menschen zusammen. In der Stadt rauchen die Fabrikschlote der Arbeit wieder neben den Bränden des Angriffs.
Heimsuchung nannten früher die Menschen notvolle Tage. Wahrlich, Gott sucht uns heim, daß wir endlich heimfinden zu ihm.

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