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Tagebuch Geth
2008-04-20 14:19
Wille
Unser Leben wird vielleicht von zwei Dingen am meisten bestimmt (das ist natürlich nicht wahr, sondern eine unzulässige, vereinfachende Deutung): Launen und Pragmatik (Pragmatismus wäre ein deutliches Übergewicht des letzteren). Eine Laune nenne ich es, wenn ich mir beim Stadtbummel ein Eis kaufe. Es gibt eigentlich keinen besonderen Grund, warum ich so etwas tun oder lassen sollte (es sei denn ich bin Diabetiker etc., dann fiele das in den Bereich der Pragmatik. In der Tat stehen Launen nicht selten pragmatische Überlegungen entgegen, vor allem wenn sie - wie das Eis - Geld kosten). Pragmatische Entscheidungen sind für mich solche Entscheidungen, die von ihrem Kontext bestimmt werden: Ich esse lieber ein Eis zu Hause, das ist billiger, ich beende mein Studium, sonst bin ich auf dem Arbeitsmarkt weniger wert, ich verreise nicht, ich habe einen Arbeitsvertrag etc.
Wir tun eine Menge Unsinn aus pragmatischen Erwägungen. Unser gesamtes Leben ist eingeschnürt wie in einem Korsett. Von dem ganzen bürokratischen Unsinn, der unser Zusammenleben oft wider alle Vernunft regelt, einmal abgesehen: Warum wohnen wir da, wo wir wohnen? Was ist mit unserer Arbeit? Warum tun wir das? Und warum tun wir das auch noch in bestimmten Formen, z. B. täglich außer am Wochenende 8-17 Uhr? Und warum sind manche Menschen, die viel zu geben hätten, arbeitslos und nehmen einen Ein-Euro-Job nach dem nächsten an?
Das alles geschieht aus Gründen der Pragmatik, auch wenn das ganze absolut gesehen so unpragmatisch ist, wie man es sich nur vorstellen könnte. Das Maß, in dem wir unsere Launen ausleben können, hängt sehr von dem Freiraum ab, den uns dieses gesellschaftliche Korsett bietet.
Es gibt aber noch eine dritte, wichtigste Sache, und das ist unser Wille. Der Wille ist ohne weiteres in der Lage, sich über die Launen und Zwänge der Pragmatik hinwegzusetzen. Das ganze hat nur einen Haken: Was wollen wir denn? Was will ich denn? In manchen Belangen mag das vielleicht klar sein. Aber in anderen: Wenn wir uns ganz kritisch fragen, was wir wollen, wie wir leben wollen, und alle Pragmatik dabei ausblenden (und das ist gar nicht mal so einfach, denn unser Denken ist schließlich enorm davon geprägt - wir haben jedes Jahr, Tag für Tag, den wir seit unserer Geburt auf der Erde verbracht haben, dieses pragmatisch (und noch einmal: Eine absolut gedachte Pragmatik sähe natürlich völlig anders aus!) geprägte Leben um uns herum vor Augen gehabt, es ist für uns fast zu einem Absolutum geworden, und selbst wenn wir es mittels unserer Vernunft als Konstruktion entlarven - es ist in unserem Kopf! Wie könnte es anders sein?
Es kann anders sein, und anfangen müssen wir bei uns selbst. Dazu brauchen wir unseren Willen? Also, was will ich? Wie möchte ich leben (und überleben)? Wie - schwierig, wenn das Was noch so verschwommen erscheint. Und erst recht schwierig, wenn man mit seinen Gedanken alleine ist. Der eigene Willen gilt nur für mich selbst. Natürlich. Alles andere wäre unethisch.

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