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Tagebuch Faye
2006-05-03 00:03
Der Rabe und die Nachtigall


‚Weißt du was, sagte die kleine Nachtigall zum Raben, wenn ich einmal groß bin, dann werden hunderte von Menschen hierher kommen und hunderte von Goldmünzen für mich bieten, damit sie mich mit zu sich nach hause nehmen können. Und dort erhalte ich dann ein so goldenes Gehege, dass selbst die Nacht nicht gegen dieses helle Strahlen ankommt. Ich werde auf Stangen sitzen, die mit Edelsteinen in den allerbuntesten Farben besetzt sind. Und mein Wasser erhalte ich aus der zartesten Kristallschale, dergleichen man in hundert Ländern keine mehr finden wird. Meine Körner werden extra für mich von abertausenden von Dienern meines Herrn in der frühesten Morgensonne auf den Kilometer weiten Feldern gepflückt und nach den Besten aussortiert. Und jeden Tag werden Menschen von überall her anreisen, nur um meinem Gesang lauschen zu können.
Und du, alter Rabe? Was hast du in deinem langen Sein erlebt?‘
‚Für mich, kleine Nachtigall, sind in meinem ganzen Leben keine hundert Leute angereist nur um mich zu sehen. Ich habe weder auf Edelsteinen gesessen, noch aus Kristallschälchen getrunken, und auch haben mir keine abertausend Menschen mein Essen gesammelt. Nein, nichts dergleichen habe ich erlebt.
Das Einzige was ich je besessen habe, waren meine Flügel und die Luft um mich herum. Denn erhebe ich mich hinauf in den Himmel, kann ich alles hinter mir zurück lassen. Und unter mir, erscheint die ganze Welt winzig klein. Dort oben, kleine Nachtigall, da gibt es nur mich und die Luft, die mich trägt. Die ich in meinem Gefieder spüre. Die sich warm an mich drückt und ich weiß ganz genau, dass sie mich nicht fallen läßt. Und so fliege ich trag ein tag aus und erlebe die Welt von oben, fern ab von allem. Dieses Gefühl, in dem Himmel zu schweben, das ist so einmalig, dass ich nach meinem langen Leben immer noch nicht genug davon habe. Schließe ich die Augen, so spüre ich das einzig wahre, das Leben. Nie wird man lebendiger sein können, als dort droben in den Wolken. Und werde ich einst mal nicht mehr sein, so bleibt die Erinnerung an die Freiheit, die ich dort oben besessen habe.
Du siehst also, unwichtig ob die Stäbe golden oder rostig sind, es bleibt für immer dasselbe: ein Käfig.
Nun sag mir, liebe Nachtigall, was ist besser?‘
Und so schwang sich der Rabe in die höchsten Höhen und ließ die kleine Nachtigall hinter sich zurück.

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2006-05-03 00:03