Erkenntnis
War gestern leider relativ früh wieder zu Hause und hatte so viel zu viel Zeit, nachzudenken. Habe alte Textdateien durchgelesen und bin über etwas gestoßen, das ich gar nicht mehr in Erinnerung hatte. Ich schrieb manchmal Briefe, die ich nie abschickte und speicherte sie ab. Nun fand ich also einen Brief an Michael …
“ Manchmal frage ich mich, warum wir überhaupt noch zusammen sind, warum ich nicht schon Schluss gemacht habe – warum mache ich das alles noch? Aus Egoismus. Manchmal denke ich, ich bin mit dir zusammen, weil ich deine Freunde mag, weil ich Angst habe, die große Zahl auseinanderzureißen, weil ich nicht alleine sein will.
[…]
Das lässt mich zweifeln, ob ich dich wirklich liebe. Liebe ich dich oder mag ich dich? Ich mag dich vielleicht nur unheimlich, ich knuddel dich gerne, ich küsse dich gerne. Bin ich in irgendeiner Art körperlich zu dir hingezogen? Eher weniger. Vielleicht bist du einfach ein Kuscheltier in meinem kindlichen Spieltrieb. Möglicherweise erkenne ich nicht, dass du bloß ein Spielzeug bist, das mir langweilig wird, und welches ich weglegen möchte.
[…]
Du sagst, ich gäbe mich mit nichts zufrieden. An dieser Stelle muss ich einräumen, dass du wohl oder übel Recht hast, denn ich werde mich weder mit dem Alleinsein noch mit dieser Beziehung zufrieden geben.“
(31.1.2006)
31.1.2006, genau ein Jahr vor meiner Trennung. Der Brief beschreibt manche Sachen, die die ganze Zeit so geblieben sind und sich nie geändert haben.
Als ich heute morgen im Bett lag, kam dann die Erkenntnis: Dass ich die ganze Zeit vielleicht mehr oder weniger aus Bequemlichkeit mit ihm zusammen war und es nicht gemerkt habe. Oh, es ist so gut, dass ich endlich Schluss gemacht habe.
Ich fühle mich irgendwie komisch. Aber vielleicht sollte ich die Vergangenheit jetzt einfach abschließen und mit optimistischem Blick in die Zukunft schauen.