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Tagebuch Doc12
2010-10-24 09:32
Der weinende Clown - 94
„Ein ganz und gar außergewöhnlicher Mensch, dein Freund Gottfried“, bemerkte Sarah sichtlich beeindruckt, als sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte. Sie machte einen traurigen Eindruck. Bruno fühlte ihre Traurigkeit. Auch er spürte einen leichten Anflug von Melancholie, wobei er sich den Zustand noch eher erklären konnte – er wusste ja, wer dieser Gast wirklich gewesen war – Sarah jedoch hatte anscheinend nicht die leiseste Ahnung.
„Hast du dich in ihn verliebt?“, fragte er scherzhaft und nahm sie in den Arm.
„Verliebt?“ Nein, sicher nicht – das wäre der völlig falsche Ausdruck. Es ist etwas ganz anderes ...“
„Und was?“
„Ich kann es kaum erklären –.“
„Versuch’s.“
„Wie soll ich es ausdrücken? Man hat fast das Bedürfnis, für immer mit ihm zusammen sein zu wollen. Und das, obwohl ich ihn nur ein paar Stunden kenne. Albern, nicht wahr?“
„Überhaupt nicht. Geht mir ähnlich.“
„Ich empfinde momentan etwa so wie damals mit sechzehn, als mein Vater starb und mich verlassen hat. Ich hing unheimlich an ihm, weißt du.“ Nach einer kurzen Denkpause meinte sie: „Gottfried hat etwas Väterliches, man hat bei ihm das Gefühl, er versteht alles, ist sofort mit ihm vertraut, steht mit blanker Seele vor ihm und hat ständig den Wunsch, sich ihm zu öffnen. Man fühlt sich in seiner Gegenwart geborgen, eingelullt in einen Zustand, aus dem man nicht mehr heraus möchte. Er strahlt pure Liebe aus – aber anders, als das, was man landläufig unter normaler Liebe versteht. Sie ist nicht sexueller Natur oder so ... So empfinde ich es jedenfalls.“
„Na das wäre ja noch schöner!“ Bruno lachte. „Außerdem sind die Frauen von Freunden tabu. So war das schon immer bei uns.“
„Egal, wie auch immer: Ich würde ihn gerne wieder sehen.“
„Das entzieht sich gänzlich meinem Einfluss, mein Schatz. Gottfried kommt und geht, wann immer es ihm beliebt. Er lässt sich nicht beeinflussen oder nötigen, man kann ihn nur bitten.“
„War er schon immer so?“, wollte Sarah wissen.
„Ja. Seit ewigen Zeiten.“
„Du kannst stolz darauf sein, einen Freund wie ihn zu haben.“
„Bin ich auch.“
„Wie habt ihr euch überhaupt kennen gelernt?“
„Oh – das ist eine längere Geschichte. Ich erzähle sie dir ein andermal. Ich bin schon etwas müde“, versuchte er, sich herauszureden.
„Dennoch ist es eigenartig ...“
„Was?“
„Na ja, zuerst überreicht er mir Blumen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, dann finde ich zufällig die passende Vase, die ich noch nie im Leben besessen habe und die auch noch nie in meinem Schrank stand, dann hat er zufällig einen Korkenzieher in der Tasche, da ich meinen nicht finde, dann verbiegt er Löffel und biegt sie wieder in die ursprüngliche Form, wir trinken den ganzen Abend lediglich eine Flasche Wein, obwohl jeder mindestens drei Gläser getrunken hat, der Wein wird kaum weniger – das verstehe, wer will ... Da sind zu viele Zufälle im Spiel. Du behauptest aber, Zufälle gäbe es nicht. Sag mal, ist er so etwas wie Bühnenmagier?“
„Nicht dass ich wüsste. Ich weiß nur, dass er sich häufig mit spirituellen Dingen beschäftigt.“
„Du meinst, er hat wirklich übernatürliche Fähigkeiten?“
„Anscheinend. Uri Geller ist dagegen jedenfalls ist ein Dilettant. Du hast es ja gesehen. Außerdem hat er es dir doch erklärt: Es sind keine übernatürlichen Fähigkeiten, sondern Geisteskräfte.“
„Konnte er das früher schon?“

Bruno wollte sich nicht in die Enge treiben lassen und versuchte, sie vom Thema abzubringen, indem er meinte: „Schatz, es ist schon so spät – lass uns schlafen gehen, hm? Mitternacht ist längst vorbei. Außerdem kannst du ihn ja das nächste Mal selbst fragen.“
„Das werde ich auch tun.“ Sie räumte schnell den Tisch ab und ging dann ins Bad. Er war froh, dass sie ihn diesbezüglich nicht mehr weiter löcherte und nahm sich vor, beim nächsten Telefonat „nach oben“ nachzufragen, was er Sarah antworten solle, falls sie dieses Thema noch einmal anschnitt. Sein Gefühl sagte ihm, dass sie so lange nicht locker lassen würde, bis sie die ganze Wahrheit erkannt hatte. Er war in der Klemme ...

Kommentare


unbekannt
18:13 24.10.2010
Die Sarah ist ne Clevere. Bin gespannt, wie Gottfried und Bruno aus der Sache rauskommen.

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2010-10-24 09:32