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Tagebuch Doc12
2010-09-14 08:13
Der weinende Clown - 54

Sarah hatte aufmerksam zugehört, schließlich meinte sie: „Und dann weiß man noch nicht einmal, ob sich das Buch auch entsprechend verkauft ...“
„Das ist das nächste Problem, ja. Den Geschmack des Lesers kann man nicht erraten, es sind zu viele Unwägbarkeiten im Spiel. Auch der Zeitgeist spielt eine große Rolle. Wenn ein Buch – es kann noch so gut sein – zum falschen Zeitpunkt erscheint, interessiert es niemand. Dann kommt der nächste Punkt: Oft gibt es Modeautoren, die gerade in sind. Sie können schreiben, was sie wollen, es wird gelesen, auch wenn es der dritte Abklatsch ist. Viele Leute lesen diese Autoren, weil sie eben gerade im Gespräch sind und es in gewissen Kreisen als chic gilt, sich darüber auszulassen oder mitreden zu können. Ich erinnere nur an den Harry Potter- Run. Dabei wird vergessen, dass es noch etliche andere gute Kinderbuchautoren gibt, nicht nur Joan K. Rowling. Oder ich denke an Dan Brown mit ,Das Sakrileg, Illuminati oder Meteor’. Dazu kommt natürlich auch die Werbung beziehungsweise das Marketing. Ist ein Buch erst mal in den Medien, kaufen es die Leute, selbst wenn es grottenschlecht ist.“

„Tja – wenn es in der Zeitung steht, dann muss es wohl wahr sein, das kennt man ja“, warf Sarah ein und grinste. „Aber die Bücher von Dan Brown sind sehr gut recherchiert, finde ich.“
„Schon, ja. Doch lies mal ,Illuminati’. Ziemlich spannend, ich gebe es zu. Am Schluss jedoch hat sich mir fast der Magen umgedreht. Die Handlung war so haarsträubend konstruiert, dass es kaum mehr erträglich war. Oder glaubst du, dass jemand aus beträchtlicher Höhe über Rom aus einem Hubschrauber springen kann, mit einer Fußmatte als Fallschirm, anschließend zufällig punktgenau im Tiber landet und das auch noch überlebt? Völlig unlogisch, denn abgesehen davon, dass bei einer Fallgeschwindigkeit von über zweihundert Kilometern pro Stunde niemand in der Lage sein dürfte, eine Fußmatte festzuhalten, ist eine Fußmatte nun mal kein Fallschirm und bremst die Fallgeschwindigkeit kaum ... Und selbst dann, wenn der Romanheld im Wasser landet – er reißt sich den Hintern bis zum Anschlag auf. Bekanntlich kann Wasser hart wie ein Brett sein, wenn man zufällig mit der Breitseite und dazu noch mit hoher Geschwindigkeit aufschlägt. Und gegen physikalische Gegebenheiten ist auch ein Super-Professor wie Robert Langdon machtlos.“

„Viele Leute haben die Geschichte aber geglaubt.“
„Klar doch. Die haben vermutlich zu viele amerikanische Action-Filme gesehen, denke ich ... Aber eigenartig: Selbst wenn ein Mensch ,nur’ von der Golden Gate Bridge in den Pazifik springen würde, ist es sein sicherer Tod. Auch mit Fußmatte.“ Bruno verzog ärgerlich das Gesicht.

„Dein Ei wird kalt“, unterbrach ihn Sarah.
„Reichst du mir bitte mal das Salz rüber?“
Sarah gab ihm den Salzstreuer und fragte: „Wer aus deinem Bekanntenkreis wollte denn ein Buch schreiben?“
„Fast ausschließlich Frauen. Die haben anscheinend das größere Mitteilungsbedürfnis als Männer“, flachste Bruno.
„Das glaubst aber auch nur du!“, widersprach Sarah energisch.
Er grinste sie schräg an, dann meinte er: „Da fällt mir eine Geschichte ein, die mich heute noch amüsiert.“
„Lass hören.“
„Ich kannte mal eine sehr vermögende Dame. Sie hatte einen Roman geschrieben. Über einen Werwolf oder so was, glaube ich.“
„Über einen Werwolf?? Eine Frau, die einen Roman über einen Werwolf schreibt?“
„Nein, ich glaube, es war doch eher ein Vampir, wenn ich mich recht erinnere. Sie ließ mir das Manuskript zukommen. Ich sollte es lesen. War gar nicht mal so schlecht – nun ja, etwas steril vielleicht, ein klein wenig gespreizt, aber wie gesagt, ich fand es gar nicht so schlecht. Sie hat so ungefähr acht Jahre lang dran geschrieben, wie ich später erfahren habe.“

Sarah sah in verwundert an. „Acht Jahre? So lange hat ja nicht mal Margaret Mitchell für ,Vom Winde verweht’ gebraucht, glaube ich, und das Buch wurde ein Weltbestseller.“
„Wenn man bedenkt, dass Werwölfe und Vampire durch die Jahrhunderte existieren können, was sind da schon acht Jahre?“, meinte Bruno trocken.
Sarah lachte schallend. „Diese Bemerkung ist typisch für dich!“,
„Wie auch immer – sie entschloss sich eines Tages, den Roman umzuschreiben – frag mich jetzt nicht, warum. Ich glaube, sie wollte die Handlung an einen anderen Ort verlegen – oder so.“
„Lass mich raten: Dann hat sie vermutlich noch einmal acht Jahre geschrieben, hab ich Recht ...?“, warf Sarah kichernd ein.
„Nein. Sie hat mich gefragt, ob ich ihr helfen würde – als Coach sozusagen, damit es schneller ginge. Ich habe zugesagt, weil ich nicht wollte, dass sie das Manuskript unfertig mit ins Grab nimmt, weißt du.“

Kommentare


unbekannt
10:58 14.09.2010
mh. ob nun in oder chic oder was auch immer, denke ich, dass Joan K. Rowling alles erfüllt hat, was im text vorher von einem guten schriftsteller verlangt wird, wohingegen ich bei diesem buch noch danach suche, aber gut, ich bin geduldig und irgendwie schafft er es ja auch, mich bei der stange zu halten

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2010-09-14 08:13