Willkommen auf Tagtt!
Saturday, 20. April 2024
Tagebücher » Doc12 » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Doc12
2010-09-13 08:20
Der weinende Clown - 53

Als er die Augen öffnete, fuhr er erschrocken hoch. Im ersten Moment wusste er nicht, wo er war. Erstaunt sah er sich um, blickte nach rechts und fand Sarah friedlich neben sich schlummern. Langsam kam ihm die Erinnerung ...

Sie waren beide zu Sarahs Mutter gefahren, um die alte Dame über Karstens Sturz zu informieren. Bruno hatte Recht gehabt: Sie war zunächst sehr entsetzt gewesen, doch als er ihr erzählte, dass es sich lediglich um eine Gehirnerschütterung handle und der Junge genau genommen nur zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben müsse, war sie schnell wieder beruhigt. Nebenbei stellte er fest, dass Sarahs Mutter eine patente Frau war, sie war ihm auf Anhieb sympathisch gewesen. Als Sarah schließlich stolz verkündet hatte, dass er Schriftsteller sei, verging die alte Dame fast vor Ehrfurcht. Er empfand es als peinlich. Danach waren sie in Sarahs Wohnung gelandet, hatten zusammen eine Kleinigkeit gekocht, schließlich eine Flasche Wein geöffnet. Und dann ...

Er küsste sie vorsichtig und sehr zärtlich auf die Wange. „Guten Morgen, mein Schatz.“
Langsam öffnete sie die Augen und strahlte ihn an. „Na, gut geschlafen?“, murmelte sie schlaftrunken.
„Fantastisch – so gut wie schon lange nicht mehr“, antwortete er wahrheitsgemäß.
Sie küsste ihn. „Ui – dein Bart kratzt. Du bist ja ein richtiger Stachelbär!“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
„Stachelbär? Was ist das denn? Ein prähistorisches Tier aus der Urzeit? Du meinst wohl Stachelschwein.“ Er grinste.
„Jawohl, Herr Oberlehrer. Soll ich uns jetzt ein schönes Frühstück machen?“
„Hervorragende Idee ... weißt du, seit wie vielen Jahren mir keiner mehr ein Frühstück gemacht hat?“
„Nein. Aber ich vermute, es wäre mal wieder an der Zeit ...“ Sie lächelte ihn verliebt an. „Soll ich es dir ans Bett bringen?“
Er schüttelte den Kopf und lachte. „Nö. Das wäre zuviel des Guten. Das verkrafte ich nicht.“

Sarah stand auf, schlüpfte in ihren Bademantel und begann, in der Küche zu werkeln, er ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche.
„Im Badeschrank findest du auch einen Einmalrasierer!“, rief sie ihm nach.
Als er aus dem Bad kam, warf sie ihm einen Morgenmantel zu.
„Wem gehört der?“, wollte er wissen.
„Mir.“
Er zog ihn an. Sie lachte. „Du bist unglaublich schlank – der passt dir sogar. Ich glaube, dich müssen wir erst mal richtig rausfüttern.“
„Vergiss es. Das hat meine Mutter schon immer versucht. Wie du siehst, ist es selbst ihr nicht gelungen.“ Er sah an sich herunter. „Jetzt sehe ich aus wie eine alte Schwuchtel – Bruno in einem Damenbademantel, ich glaub’s nicht. Du kannst ab jetzt Brunhilde zu mir sagen.“

Sie setzten sich an den gedeckten Tisch. „Sag mal, musste das gestern unbedingt sein?“, fragte er.
„Von was sprichst du?“
„Musstest du deiner Mutter erzählen, dass ich Schriftsteller bin? Ich meine, ich finde sie zwar sehr sympathisch, aber ...“
„Sie mag dich auch. Und irgendwann hätte sie es sowieso mitbekommen.“
„War aber nicht besonders gut.“
„Und warum nicht?“
„Um ehrlich zu sein: Ich habe festgestellt, dass Schriftsteller ein recht eigenartiges Image bei den Leuten haben.“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Erfahrung. Die Leute glauben immer, man wüsste fast alles, wenn man Bücher schreibt, und denken, man sei besonders schlau. Sie werden oft immer so – na ja, irgendwie so ehrfürchtig. Sie benehmen sich mir gegenüber dann nicht wie normale Menschen, weil sie nicht wissen, dass es ein Job wie jeder andere ist – nur viel schwerer. Sie ziehen sich dann eher vor mir zurück.“
„Du bist doch ziemlich schlau. Du weißt eine Menge.“
„Alles nur angelesen, mein Schatz.“
„Was ich an dir mag, ist eher deine Herzensbildung.“
„Oh, danke. Was ist das?“ Er lachte.
„Ich glaube nicht, dass es ein Job wie jeder andere ist“, nahm sie das Thema wieder auf und schüttelte leicht den Kopf.
„So? Und warum glaubst du das nicht?“
„Du hast es doch eben selbst gesagt: Es ist viel schwerer.“
„Stimmt allerdings. Schon allein deshalb, weil man keinen Chef hinter sich hat, der einem sagt, wann ein Buch fertig sein muss. Wenn man nicht in der Lage ist, ständig den inneren Schweinehund zu überwinden und weiterzuarbeiten, dann produziert man nur unfertige Manuskripte – mir zumindest ginge es so.“
„Aber es macht doch Spaß, oder?“

„Nicht immer. In der Regel hat man zunächst einmal eine Idee für ein Buch. Dann muss man sich überlegen, ob die Idee überhaupt ein Buch trägt. Ist es der Fall, dann fängt man voller Begeisterung zu schreiben an. Meistens gehen die ersten dreißig Seiten locker von der Hand, doch schnell wird die Kür zur Pflicht. Und dann beginnt die Arbeit, die richtig schweißtreibende, meine ich ... Die Kunsteines guten Schriftstellers besteht letztlich darin, den Leser bis zum Schluss bei der Stange zu halten und das heißt nichts anderes, als die schriftstellerische Qualität
über das ganze Buch beibehalten zu müssen. Das macht die Sache so schwierig.“ Bruno nahm seinen Kaffeelöffel und schlug sein  Frühstücksei auf, das vor ihm im Eierbecher stand. Er fuhr fort: „Weißt du, ich kenne etliche Leute, die mir enthusiastisch erzählt haben, sie würden nun auch ein Buch schreiben. Aber Tatsache ist: Keiner hat bislang eines geschrieben – alle haben vermutlich mittendrin aufgehört, weil ihnen der Atem ausging. Außerdem ist bereits der Ansatz falsch: Es darf nicht heißen: Ich würde schreiben, sondern ich schreibe jetzt, andernfalls wird es schon allein sprachlich in die Zukunft verschoben ...“

Kommentare

08:06 14.09.2010
...ohne dabei komisch zu sein...
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
08:38 13.09.2010
nein, situationskomik

Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

08:34 13.09.2010
Ja, fast schon grotesk.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
08:32 13.09.2010
naja, dieser teil ging nun wieder...allerdings amüsant, dass erörtert wird, was ein gutes buch ausmacht

Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
08:27 13.09.2010
Was für eine belanglose Zusammenführung von Worten ...

Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

Doc12 Offline

Mitglied seit: 21.07.2010
53 Jahre, DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2010-09-13 08:20