Brunos Gehirnwindungen liefen heiß. Seine Gedanken rotierten. Was nun, wenn der Anrufer wirklich Gott gewesen war? War er, Bruno Steiger, vielleicht ein Auserwählter? Allen Widrigkeiten des Schicksals zum Trotz ein Begünstigter? Und warum hatte Gott gerade ihn angerufen? Schließlich gab es in Deutschland eine Million Menschen, die vermutlich in der gleichen Situation waren wie er und für eine kleine Hilfe von „oben“ sicherlich ebenfalls froh und dankbar gewesen wären.
Warum also er? Hatte er etwas Besonderes an sich? Und warum  meldete sich Gott ausgerechnet per Telefon? Gott soll bekanntlich allmächtig sein, das hatte ihm bislang noch jeder Geistliche erzählt, zudem stand es auch Schwarz auf Weiß in der Bibel – weshalb benutzte er dann eine Erfindung der modernen Zivilisation?

Nein – das konnte nicht Gott gewesen sein – denn der hätte doch viel elegantere Möglichkeiten gehabt, ihm etwas mitzuteilen. Letztendlich kam Bruno Steiger zu dem Schluss: Ein anständiger, ein wahrer Gott benutzt kein Telefon, sondern er erscheint – und wenn auch nur als brennender Dornbusch oder als diffuse Lichterscheinung – zumindest aber als weißer Rauch. Für ihn stand fest: Der Mann war ein Betrüger ...

Er entschied sich, eisern über den Vorfall zu schweigen – hätte er jemandem von diesem Anruf erzählt, würde er sogleich für irr erklärt werden. Sie würden ihn sofort in die Psychiatrie stecken, ihn mit Psychopharmaka überschütten, ihm eine Zwangsjacke verpassen und in eine Gummizelle sperren. Dessen war er sich ganz sicher.

Doch sein Entschluss stand fest: Bei nächster Gelegenheit würde er einen Anruf wagen und diesen sogenannten „Gott“ auf die Probe stellen. Und sollte es sich tatsächlich herausstellen, dass es ein Betrüger war, dann könnte der ihn, Bruno Steiger, aber kennenlernen ...