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Tagebuch Doc12
2010-09-09 08:54
Der weinende Clown - 49

„Wie kamst du eigentlich zum Schreiben?“, wollte sie wissen.

Bruno überlegte einen Augenblick, dann begann er zu erzählen: „Mein erstes Gedicht verfasste ich als Junge mit zwölf Jahren. Es war ein Liebesgedicht an ein Nachbarsmädchen. Allerdings mit sehr mäßigem Erfolg, denn ich erntete eher Spott als Lorbeeren. Das hatte aber auch etwas Gutes, denn seitdem rege ich mich über meine Kritiker nicht mehr auf.“ Er lachte leise und fuhr fort: „Dann war jahrelang Pause. Ich schrieb lediglich Aufsätze in der Schule, sehr zum Ärgernis meiner Lehrer, denn ich hatte schon als Kind eine ziemlich auswuchernde  Phantasie und schrieb meistens am Thema vorbei, kam vom Hundertsten ins Tausendste – und so erntete ich meist nur die Note Drei oder Vier.“
„Und wann fing das dann so richtig an?“
„Zufällig, wenn du so willst. Ich war Mitte dreißig und mit einem  Discothekenbesitzer befreundet. Der hatte in seiner Disco öfter mal Gaststars, also Sänger, Zauberer und all so was. Eines Tages fragte er mich, ob ich einen Zeitungsartikel darüber schreiben könne – für die Lokalzeitung, weil der zuständige Redakteur keine Zeit dazu hätte. Ich hab’s versucht, die fanden das anscheinend gut und haben es gedruckt. Von da an schrieb ich regelmäßig, ohne Geld, einfach nur zum
Spaß.“
„Also bist du so etwas wie ein Kollege“, bemerkte Sarah.
„Ich könnte durchaus auch für eine Zeitung schreiben, stimmt.“
„Und wann hast du mit dem Bücherschreiben angefangen?“

„Mit 45 oder so. Es war wiederum Zufall. Ich habe nie im Traum daran gedacht, ein Buch zu schreiben. Zuerst schrieb ich nur so für mich und als ich damit fertig war, haben es ein paar Freunde und Bekannte gelesen und mich gedrängt, das Manuskript an einen Verlag zu schicken. Um des lieben Friedens willen habe ich das getan. Und schon war ich Buchautor. Aus dem Manuskript wurde zunächst ein Buch und dann ein Bestseller. Ich kann also überhaupt nichts dafür, wie du siehst.“ Er grinste sie schräg an.
„Glück.“
„Was?“
„Ich meine, du hast Glück gehabt.“

„Heute bezweifle ich ernsthaft, ob das ein Glück war.“„Wieso?“„Es hat mir auch Neid und Ärger eingebracht – ich bekam eine Narrenkappe und war abgestempelt, wurde in eine Schublade gesteckt, ungeachtet dessen, dass ich vielleicht auch noch etwas anderes könnte. Und dort bleibe ich vermutlich bis an mein Lebensende. Außerdem war es der Anfang vom Ende meiner Ehe – ichbin damals abgehoben, habe geglaubt, ich sei der Größte und die  anderen nur Flaschenpfand. Eine völlig fatale Einstellung.“

„Fachidiot in Sachen Humor“, sagte sie und lachte.
„So ähnlich, ja – und seitdem schreibe ich Bücher, nebenbei noch Theaterstücke für den Amateurbereich, weil ich seit fünfundzwanzig Jahren Mitglied eines Theatervereins bin und zufällig mitbekommen habe, wie so etwas geht. Du siehst also, ich bin in alles ganz unschuldig reingerutscht. Manchmal läuft das Leben recht eigenartig, stellt dich an einen Platz und du weißt nicht, wie dir geschieht.“

Eine kurze Pause entstand, dann meinte Sarah: „Ging mir fast genauso. Ich wurde zuerst Bürokauffrau. Mama wollte das so und bestand darauf, dass ich etwas Ordentliches lernen müsse. Erst Jahre später während meiner Ehe habe ich gemerkt, dass meine Talente ganz woanders liegen. So habe ich schließlich ein Volontariat gemacht und wurde Redakteurin. Ich schreibe sehr gerne.“
„Geht mir auch so.“
„Vielleicht sollten wir zusammen ein Buch schreiben“, schlug sie vor.
„Zusammen ein Buch schreiben? Nein. Ich habe das einmal mit einem Freund versucht. Das ging voll in die Hosen. Ich schreibe meine Bücher zukünftig allein.“
„Und warum?“
„Was warum?“
„Warum ging das in die Hosen?“, wollte sie wissen.
„Na ja, ganz einfach: Ich hatte eine Buchidee – das heißt, es war genau genommen gar nicht die meine, sondern die meines Karikaturisten.“
„Du hast sogar einen eigenen Karikaturisten?“
„Ja. Das heißt: Ich hatte ihn.“
„Was heißt: Du hattest ihn? Hast du ihn nicht mehr?“
„Nein. Er ist vor nicht allzu langer Zeit gestorben – viel zu jung.“ Bruno senkte traurig den Kopf und sah zu Boden.

Kommentare


unbekannt
12:28 09.09.2010
hochmut kommt vor dem fall...ob er wieder aufgestanden ist?

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2010-09-09 08:54