Zwischenzeitlich waren sie beim Auto angekommen und Bruno war froh, als sich der Junge zu Wort meldete und dieses Gesprächsthema damit beendet war.

„Mama, darf ich vorne sitzen? Bitte!“
„Nein, Karsten, das darfst du nicht. Da sitzt Bruno. Außerdem dürfen Kinder nicht auf den Beifahrersitz, das weißt du.“
„Schade.“
„Mama, wohin fahren wir eigentlich?“, wollte Karsten wissen.
„Wir fahren einfach immer der Nase nach, raus aus der Stadt, dann gehen wir spazieren und danach suchen wir uns ein Cafe. Ist das was?“
„Gibt es da auch ein Eis?“
„Schauen wir mal – vermutlich schon“, antwortete seine Mutter.
Zufrieden lehnte sich der Junge auf dem Rücksitz zurück, schnappte sich sein Comic-Heft und betrachtete aufmerksam die bunten Bildchen.

"Warst du eigentlich schon mal verheiratet?“, fragte Sarah unvermittelt.
„Ja.“
„Wie lange?“
„Vermutlich viel zu kurz – oder viel zu lange. Ich weiß es nicht.“
„Und warum ging es auseinander?“
Weit schärfer als beabsichtigt antwortete er: „Ich will nicht darüber sprechen.“ Erst jetzt bemerkte er, dass er sich etwas im Ton vergriffen hatte und fügte leise hinzu: „Es schmerzt.“
„Entschuldige – das wusste ich nicht“, entgegnete Sarah leise.
„Verzeih mir meinen barschen Ton – du konntest es ja nicht wissen.“
„Schon gut. Du musst nicht drüber reden, wenn du nicht willst.“
Er schwieg eine Weile und sah aus dem Fenster, dann fragte er: „Wohin fahren wir eigentlich?“
„Ich kenne da einen netten Landgasthof, ein Ausflugslokal. Viele Wiesen und Wald drum herum. Wir sind gleich da.“

Als sie durch ein Waldstück fuhren, setzte Sarah den Blinker und bog rechts in einen schmalen Waldweg ein. Dann stoppte sie das Fahrzeug.
„So, Herrschaften, alles aussteigen, wir sind da. Jetzt wird gelaufen!“
„Warst du hier schon mal?“, fragte Bruno.
„Ja. Ich fahre ab und zu mal hier raus – immer wenn ich nachdenken muss.“
„Und heute musst du nachdenken?“ Bruno sah sie lächelnd an.
„Vielleicht – wer weiß?“, beantwortete sie seine Frage mit einer Gegenfrage.

Karsten war breits aus dem Wagen gestiegen und begann, die Umgebung zu erkunden.
„Bleib auf dem Weg und in unserer Nähe, Karsten“, warnte Sarah.
„Aber Mama, ich hab doch meinen Kompass dabei – ich kann mich gar nicht verirren!“
Sarah grinste und schüttelte den Kopf. „Darauf will ich mich lieber nicht verlassen.“
Der Junge lief voraus, Bruno und Sarah blieben ein Stück zurück.
„Wo waren wir stehen geblieben?“
Bruno sah sie verständnislos an. „Stehen geblieben? Wie meinst du das?“
„Mit unserer Unterhaltung. Du wolltest ein ernsthafter Autor sein.“
Er lachte. „Wenn du dich irgendwo festbeißt ...“
„Stimmt – so bin ich. Ich bin Redakteurin und hinterfrage immer alles.“
„Na ja – vielleicht werde ich’s ja noch. Momentan schreibe ich einen Roman über einen Clown.“
„Dieser Roman, der dir suspekt vorkommt?“
„Ja.“
„Hast du schon einen Titel?“
„Ja.“
„Wie lautet der?“
„Der weinende Clown“, murmelte Bruno.
„Sagt alles und gar nichts.“
„Stimmt. Ist mir nur so eingefallen – irgendwann mal nachts im Halbschlaf.“
„Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“, entgegnete Sarah und lachte.
„Damit hast du vermutlich mehr Recht als du ahnst.“
„Und um was geht es in dem Roman? Du lässt dir alles aus der Nase ziehen, weißt du das?“
„Ein Schreiberling hat so seine Geheimnisse“, meinte er und grinste.
„Komm, lieber Bruno Steiger, nun erzähl doch mal ein bisschen von dir.“
„Ach Sarah, da gibt es nicht so viel zu erzählen – nichts Besonderes.“
„Es interessiert mich trotzdem.“
„Klingt nach Verhör. Bist du eine verdeckte Agentin?“ Beide lachten.
„Ganz sicher nicht. Nur neugierig.“
„Dann frag mich, was du wissen willst. Ich beantworte fast jede Frage wahrheitsgemäß.
Ich schwöre.“ Er hob drei Finger der rechten Hand und lächelte sie verschmitzt an.