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Tagebuch Doc12
2010-07-22 08:24
Der weinende Clown - 2

Wenn er über sein Leben nachdachte, dann musste er sich eingestehen, dass er im Grunde seines Herzens ewig schon ein Rebell gewesen war – ein stiller zwar, doch bockig wie ein Maulesel, stur wie ein Ochse und zäh wie eine alte Eiche.

Schon in jungen Jahren hatte er die Welt und ihre Gepflogenheiten selten ernst genommen, die Menschen, ihr Treiben und ihre oftmals in seinen Augen lächerlichen Probleme kaum verstanden. Für ihn war das Leben ein Spiel gewesen, das es zu spielen galt – doch allzu oft nur hatte er auf Verlust gespielt.Ärgerlich streckte er die Zunge heraus und betrachtete sie eingehend vor dem Spiegel. Sie war belegt wie immer.

Ich bin krank, dachte er, habe es schon lange geahnt – wie sollte es auch anders sein? Und wenn ich es nicht bin, dann werde ich es sicherlich bald werden – ich fühle es ...

Mit diesen Gedanken ging er ins Schlafzimmer, zog den Bademantel aus, ließ sich aufs Bett fallen und schlief ein.

Gegen elf Uhr Vormittag wachte er auf, schleppte sich ins Bad, duschte und rasierte sich und zog sich anschließend an. Dann ging er müde die Treppe hinab zum Briefkasten, öffnete ihn und entnahm ihm die Post, sah sie flüchtig durch, doch es waren nur Rechnungen und Mahnungen – so wie jeden Tag. Wieder in der Wohnung, nahm er die Briefe und warf sie achtlos auf den Küchentisch, ohne sie zu öffnen.
Er wankte ins Wohnzimmer, setzte sich auf die Couch und stützte seinen Kopf in die Hände.
Die Verzweiflung kroch langsam in ihm hoch, er fühlte sich von allen im Stich gelassen, keine rettende Hand, die sich ihm darreichen wollte – die Welt hatte ihn vergessen. Lieber Gott, hilf mir! Lass wenigstens du mich nicht im Stich, was soll ich nur tun? Bruno Steiger betete – und das, obwohl er schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten war.

Was war nur aus ihm geworden?

Er war ein erfolgreicher Buchautor gewesen, hatte zwei Bestseller geschrieben, die Leute mit seinem Humor zum Lachen gebracht – doch diese Zeit war längst vorbei. Einige Leute kannten noch die Titel seiner Bücher, sein Name jedoch war längst verblichen. Er hatte zwar danach noch allerlei geschrieben, aber niemand wollte es lesen und eines Tages teilte ihm sein Verlag lapidar mit, dass er sämtliche Bücher aus dem Programm nehmen würde. Es war ein schwarzer Tag für Bruno Steiger, der ihm und seinem Selbstbewusstsein den letzten Todesstoß versetzte. Er fühlte sich als Versager.


Nein. Er war ein Versager.


Er betete. Betete inbrünstig wie noch nie in seinem Leben, fast fordernd, ja – er schrie förmlich zu Gott, er möge ihn endlich aus diesem Dilemma befreien, ansonsten würde er seinem Leben jäh ein Ende setzen.

Kommentare

22:11 22.07.2010
hm ...
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unbekannt
12:28 22.07.2010
bin gespannt, wie es weitergeht...gott anschreien gefällt mir

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2010-07-22 08:24