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Tagebuch Doc12
2010-08-06 08:17
Der weinende Clown - 17

Mit Schweißperlen auf der Stirn legte er den Hörer auf. Er war völlig fertig und konfus. Was war das denn gewesen? Er, der noch nie im Leben rhetorische Schwierigkeiten gehabt hatte – ausgerechnet ihm versagte plötzlich die Stimme, er stotterte wie ein Schuljunge, den man bei einem dummen Streich ertappt hatte. Waren das die ersten Anzeichen seines geistigen Verfalls? Ihn schauderte.

„Mein Gott!!“, sagte er entsetzt zu sich selbst, „Wenn dieser Prozess fortschreitet, werde ich nie mehr schreiben können!“ Gerade er, der immer sehr stolz auf seinen Wortschatz gewesen war – und nun wollten ihm die einfachsten Begriffe nicht mehr einfallen!
Er stutzte. Moment! Was hatte er eben gesagt?? „Mein Gott“ hatte er eben gesagt! „Gott“ wiederholte er laut. „Gott, der Allmächtige, der Schöpfer.“ Und die Worte kamen mühelos über seine Lippen, leicht und ohne jede Schwierigkeit.

Der Tag verging – langweilig wie alle anderen vorher und langsam, schleichend, fast unmerklich wurde es Abend. Eine innere Unruhe erfasste ihn, er fühle das vertraute Kribbeln in seinen Fingern und verspürte das dringende Bedürfnis, zu schreiben. Aber was?
Bruno schaltete den Computer ein, wartete, bis die Maschine betriebsbereit war und setzte sich an die Tastatur, öffnete das Textverarbeitungsprogramm, stützte den Kopf in die Hände und starrte gedankenversunken auf die weiße Fläche des Monitors. Vorsichtig tippte er mit dem Zeigefinger auf eine Taste. Auf dem Bildschirm erschien links oben ein großes „B“ und lachte ihn  höhnisch an. „Du siehst aus wie eine missgestaltete Brezel, verschwinde!“, maulte Bruno und drückte energisch auf die Rücktaste, um fortan wieder auf den leeren Monitor zu starren.
Es sollte etwas Humorvolles sein, dachte er, etwas, worüber die Leser schallend lachen konnten, sich vor Lachen auf die Schenkel klatschten, eine Lektüre, die derart zwerchfellerschütternd war, dass ihnen die Luft wegblieb – doch in seinem Gehirn existiere nur gähnende Leere und ein unendlich weites Vakuum. Spontan fiel ihm ein Zitat des Münchner Komikers Karl Valentin ein, der einmal gesagt hatte, dass Humor „eines der schwierigsten Geschäfte sei.“ Er nickte bestätigend und seufzte leise. Flehend glitt sein Blick hinauf zur Deckenlampe, als er halblaut sagte: „Komm, alter Knabe, wenn du schon willst, dass ich wieder schreibe, so gibt mir wenigstens die passende Idee dazu ...“ Dann lehnte er sich langsam zurück und schloss die Augen.

Kurz darauf war er eingeschlafen.

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2010-08-06 08:17