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Tagebuch Doc12
2010-08-05 08:24
Der weinende Clown - 16

Nachdenklich legte Bruno das Handy beiseite. Sein linkes Ohr war knallrot und glühte. Was er heute erfahren hatte, war neu für ihn – und doch fühlte er, dass ihm all das, was er gehört hatte, bereits bekannt war – tief in seinem Innern. Auf eine gewisse Art war er glücklich, obwohl sich an seiner äußeren Situation nicht das Geringste verändert hatte – dennoch empfand er sich jetzt als mutig, stark, bemerkte, wie seine Lebensgeister erwachten und ihn innerlich aufrichteten. All seine Zweifel waren verflogen, der letzte Beweis erbracht: So konnte nur Gott sprechen! Gott war auf seiner Seite! Und wenn der Chef persönlich für ihn war, wer oder was konnte dann noch gegen ihn sein?
Bruno jubelte innerlich. Plötzlich überfiel ihn das Bedürfnis, andere an seinem Glück teilhaben zu lassen. Er musste jetzt unbedingt mit jemandem über alles reden, sonst würde er wie eine Seifenblase zerplatzen.

Er ging zum Telefon und wählte. Seine Mutter meldete sich.
„Hallo Mama, ich bin’s!“, schrie Bruno laut ins Telefon.
„Ach Bruno! Du bist das! Wie geht’s dir denn, mein Junge? Aber sag mal, warum brüllst du denn so?“
„Mama, ich muss dir was erzählen!“
„Ist was passiert??“, fragte seine Mutter. Ihre Stimme klang sorgenvoll.
„Ja! Etwas Unglaubliches! Weißt du, mit wem ich eben telefoniert habe?
„Mit Barbara?“
„Nein!“
„Mit Martina?“
„Auch nicht!“
„Dann war’s bestimmt mit Marianne!“
„Nein!“
„Meine Güte, Junge! Ich bin doch keine Hellseherin! Lass mich nicht raten! Jetzt red’ schon!“
„Mama, du wirst es nicht glauben, aber ich hatte eben ein längeres Gespräch mit G ..., äh – mit G ...“ So sehr sich Bruno auch bemühte, seine Zunge wollte ihm nicht gehorchen.
„Was??“
Er atmete tief durch und versuchte krampfhaft einen neuen Anlauf. „Gerade eben habe ich mit G ..., G ..., G ... äh – telefoniert.“ Dabei schlug er bei jedem G kräftig mit der Faust auf den Tisch.
„Junge – jetzt beruhige dich doch erst mal! Seit wann stotterst du denn? Und was poltert denn so bei dir im Hintergrund? Ist was mit dir?“
„Eben habe ich mit G ..., mit G ...“ Wiederum es gelang ihm trotz aller Anstrengungen nicht, weiterzusprechen. Seine Stimme versagte, seine Zunge lag wie ein zentnerschwerer Bleiklotz in seinem Mund. Sein trockener Hals kratzte als hätte er Stroh gegessen.
„Also, Junge – du hast mit jemandem telefoniert. Gut. Jetzt sag schon, mit wem und weshalb hat dich das so aufgeregt?“
„Ich hatte ein längeres Gespräch mit G ..., mit G ...“ Bruno versuchte, eine Umschreibung zu finden. „Ich hatte ein längeres Gespräch mit dem Herrn!“, platzte es schließlich aus ihm heraus.

Eine Pause entstand. „Mit welchem Herrn?“
„Mit dem hö ... hö... mit dem obersten.“
„Was? Mit welchem obersten?“
„Mit dem Schöpf ...!!“, schrie Bruno ins Telefon.
„Ich kenne keinen Herrn Schöpf, Junge. Den hast du mir noch nicht vorgestellt. Ist das ein Freund von dir?
„Nein!“ schrie Bruno. „Das heißt: ja! Mit dem Allm ...“
„Wie? Er lebt auf einer Alm?“
„Nein!“
„Nun, was jetzt?“
„Ein Freund, ja. Aber ein besonderer.“
„Ist doch schön für dich, Junge, Freunde braucht man im Leben. Wenn er nicht auf einer Alm lebt, was macht er dann beruflich?“
„Er hat die Welt erschaf...! Brunos Zunge verweigerte abermals ihren Dienst, sein Hals wurde gefährlich eng.
Wie?“
„Ich meine, er schafft weltweit“, hörte er sich sagen.
„Bruno, du sprichst in Rätseln! Erzähl es mir einfach ein andermal, wenn du dich etwas beruhigt hast. Du bist ja ganz durcheinander! Geht es dir wirklich gut?
„Hervorragend Mama! So gut wie selten!“
„Hast du heute schon was gegessen? Du bist so mager, du musst unbedingt mehr essen. Hast du etwas im Kühlschrank?“
„Klar Mama.“
„Und wenn du ins Freie gehst, dann zieh dich warm an. Du weißt, gerade im Frühjahr holt man sich leicht eine Erkältung.“
„Ja Mama.“
„Tante Marie-Luise sagt auch, dass du so mager bist.“
„Ich weiß, Mama.“
„Hast du wirklich genug Lebensmittel im Haus?“
„Ja Mama.“
„Na, Gott sei Dank!“

Bruno witterte seine zweite Chance. „Mama! Mit dem habe ich vorhin telefoniert!“, schrie er verzweifelt ins Telefon.
„Was?“
„Genau mit dem!“
„Mit wem? Ach so, ja. Ich weiß. Mit diesem Herrn Schöpf. Wenn du das nächste Mal vorbei kommst, dann kannst du mir das ja persönlich erzählen. Du kannst ihn aber auch gerne auf eine Tasse Kaffee mitbringen.“
„Ja Mama. Danke Mama.“
„Gut mein Junge. Willst du noch mit Papa sprechen?“
„Nein – sag ihm einen Gruß von mir.“
„Mach ich – und pass auf dich auf. Tschüss!“
„Tschüss Mama.“

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2010-08-05 08:24