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Tagebuch Doc12
2010-11-11 06:28
Der weinende Clown - 111
Der kleine Bach am Rande der Wiese lag in hellem Licht. Die Sonne spiegelte sich im glasklaren Wasser und zauberte Hunderte von glitzernden Sternen ins Bachbett. Lange stand er still so da und betrachtete fasziniert das Spiel des Wassers mit dem Licht.

Als er aufsah, erblickte er in einiger Entfernung eine kleine, schlanke mädchenhafte Gestalt mit langen rötlichen Haaren – fast wie ein Kind – in einem weißen, im Wind wehenden Kleid, die langsam auf ihn zukam. Schließlich stand sie vor ihm und sah ihn ernst an.
„Wie kommst du denn hier her? Du bist doch – du bist doch ...“, stotterte er.
„Ja, ich bin’s“, antwortete sie nur. Sie war etwas älter geworden und er bemerkte einige Kummerfalten in ihrem Gesicht. Gerade als er sie fragen wollte, wie es ihr ginge, redete sie weiter: „Mir geht es zur Zeit nicht gut.“
„Vielleicht bin ich daran nicht unschuldig – ich weiß. Alles ziemlich blöd gelaufen, damals.“ Er senkte den Kopf, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen.
„Tja – nicht nur du bist schuld daran“, erwiderte sie mit einem traurigen Unterton in der Stimme. „So richtig bin ich nie damit fertig geworden, weißt du. Ich denke, das wird so bleiben, bis ich das Zeitliche segne.“
„Damit musst du leben.“
„Ich habe mir oft überlegt, wie es wohl gewesen wäre, wenn ...“ Er unterbrach den Satz und schaute gedankenversunken hinauf an den wolkenlosen blauen Himmel.
Dann meinte er leise: „Ich habe vielleicht mehr darunter gelitten als du ahnst. Wie auch immer, heute weiß ich: Du warst schwer in Ordnung.“
„Auch ich habe sehr gelitten – dir genügend Hinweise gegeben und dich gewarnt“, meinte sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
„Stimmt. Und erst jetzt weiß ich auch, dass du in vielen Dingen Recht hattest, obwohl du dreizehn Jahre jünger bist als ich. Ich war einfach in vielen Dingen zu überheblich, doch der Altersunterschied ist absolut kein Garant dafür, keine Dummheiten zu begehen – und ich gebe zu, es waren eine Menge.“
Spontan machte er einen Schritt auf sie zu und wollte sie in den Arm nehmen, ihr sagen, wie Leid es ihm täte, als ihre Gestalt plötzlich transparent wurde. Eine Sekunde später war sie verschwunden.

Schweißgebadet wachte Bruno auf. Er war schockiert und schmerzlich berührt zugleich. Erst jetzt stellte er fest, dass seine Wangen feucht waren. Der Traum stand nach wie vor fest vor seinem geistigen Auge und schlagartig kam ihm die Erinnerung, dass er in den letzten beiden Nächten genau das Gleiche geträumt, doch anscheinend völlig vergessen hatte. Es beunruhigte ihn und er fragte sich verwundert, weshalb ihm dieser Traum so gehäuft gekommen war. War es die alte Schuld, die noch zu begleichen war und seine Seele seit Jahren belastete? Früher oder später würde er ihr beweisen, dass er zwischenzeitlich ein ganz anderer Mensch geworden war. Mit einem heftigen Kopfschütteln verbannte er alle Gedanken daran aus seinem Gehirn und stand auf.
Etwas später telefonierte er mit Sarah; sie machte ihm den Vorschlag, den Abend gemeinsam zu verbringen, doch behutsam lehnte er ihr Ansinnen mit der Begründung ab, dass er sehr müde sei und außerdem endlich seine Wohnung aufräumen müsse. Sie schmollte zunächst zwar etwas, schließlich akzeptierte sie seine Entscheidung aber und so verabredeten sie sich für den nächsten Abend.

Der darauf folgende Tag war sonnig und warm. Er hatte bis neun Uhr geschlafen, anschließend ausgiebig gefrühstückt, nun saß er vor dem Computer und versuchte angestrengt, den roten Faden in seinem Roman zu finden – doch so recht wollte es ihm nicht gelingen. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab und kreisten um die Aussage „Zwei Seelen, die eine sind.“ Was hatte das zu bedeuten? Er war bereits sehr gespannt darauf, was er am Nachmittag erfahren würde. Vor allem aber tat er sich schon deshalb sehr schwer, seinen Roman weiterzuschreiben, weil ihm völlig unklar war, wie die Fortsetzung aussehen sollte – jetzt, wo er wusste, dass es diesen Clown wirklich gab. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, über eine fiktive Person zu schreiben – doch über eine lebende? Sollte es vielleicht so etwas werden wie eine Biografie? Und dann ausgerechnet über einen unbekannten, alternden Clown? Warum?
Als er auf die Uhr sah, war es bereits kurz nach Mittag und er beschloss, in die Stadt zu gehen, ein paar Besorgungen zu machen, anschließend einen Biergarten aufzusuchen und der Dinge zu harren, die auf ihn zukommen würden ...

Kommentare


unbekannt
14:59 11.11.2010
Ich harre mal mit.

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2010-11-11 06:28