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Tagebuch Doc12
2010-11-09 06:33
Der weinende Clown - 109
„Vermutlich nicht, du hast Recht. Es spielen sicherlich auch die Lebensumstände eine große Rolle. Dennoch hat die Medizin in den letzten vierzig Jahren drastische Fortschritte gemacht – doch sollte man auch bedenken, dass jeder Fortschritt zugleich ein Schuss nach hinten sein kann. Zweitens haben sich die Bedingungen gewaltig verändert. 1957 kamen auf einen Rentner etwa acht oder neun Beitragszahler, doch dann gab es zwei einschneidende Faktoren: Da war zum einen der Pillenknick in den siebziger Jahren und die Geburtenrate sank enorm. Familien mit mehr als drei Kindern galten schon fast als ,asozial’. Gleichzeitig veränderte sich das Selbstbild der Frau – das einst traditionelle Rollenspiel, dass der Mann das Geld nach Hause bringt und die Frau die Kinder und den Haushalt versorgt, galt in vielen Fällen plötzlich nicht mehr. Wie auch immer, Fakt ist: Heute ernähren zwei Erwerbstätige einen Rentner und somit funktioniert das System nicht mehr. Dazu kommt, dass die Rentenkasse keine Reserven hat – Geld, das eingezahlt wird, muss ergo sofort umgelegt und an die Rentner ausbezahlt werden. Und was glaubst du nun, würde passieren, wenn es da ein Problem mit dem Geldzufluss gäbe? Es gäbe Mord und Totschlag, die Auswirkungen wären ziemlich heftig und so bleibt dem Staat nichts anderes übrig, als die Renten aus Steuereinnahmen abzusichern – und die liegen in Milliardenhöhe. Genau genommen ist es eine tickende Zeitbombe. Wann sie hochgeht, weiß niemand – und ich will nicht unken, doch eines Tages wird es soweit sein.“

„Da ist ja verdammt viel schiefgelaufen“, bemerkte Sarah.
„Na klar doch. Weißt du, in den frühen sechziger Jahren hatten wir das sogenannte Wirtschaftswunder, noch dazu Vollbeschäftigung – man war sorglos und glaubte vermutlich, das ginge für alle Zeiten so weiter. Doch heute sieht es ganz anders aus: Arbeitslosigkeit ist das leidige tägliche Thema und man muss dabei bedenken, dass ein Arbeitsloser nicht nur kostet, sondern dem Staat auch keine Einnahmen bringt – also ein doppelter Verlust und diejenigen, die brav arbeiten, zahlen die Rechnung und haben Belastungen und Abzüge, dass es kracht – und ich bin mir fast sicher, dass dieser Umstand kaum die Arbeitsfreude hebt und zur Motivation anregt – im Gegenteil. Es ist ein Unding, wenn ein Arbeitnehmer heute gut ein halbes Jahr lediglich dafür arbeitet, um seine steigenden Kosten einigermaßen in den Griff zu bekommen und das andere halbe Jahr dafür, um dem Staat Genüge zu tun, dessen Schulden kaum mehr zu verkraften sind – denn auch das sollte man sich einmal klar machen: An unserem Schuldenberg zahlen noch unsere Kinder, Kindeskinder und deren Kinder – wir haben deren Zukunft bereits völlig verantwortungslos verpfändet – und was glaubst du, würde passieren, wenn die eines Tages aus ihrem schönen Konsumtraum aufwachen und nicht mehr wollen?“

„Hör auf! Das klingt ja grauenhaft! Und wie kann man das ändern?“
„Ich bin kein Wirtschaftsexperte und kann dir diese Frage nicht beantworten. Was das Rentensystem betrifft, bin ich mir fast sicher, dass es vielleicht hätte funktionieren
können, wenn man die Altersruhegelder damals, als noch Reserven vorhanden waren, vernünftig angelegt hätte. Es ist doch eigenartig: Wir Deutschen haben uns in vielen Dingen an Amerika orientiert, wir kennen Coca-Cola, Wrigleys Kaugummi oder Kellogg’s Cornflakes – doch keiner unserer gescheiten Politiker hat anscheinend nach Kalifornien geschaut, denn dort werden die Altersruhegelder in der Wirtschaft angelegt, mit Renditen um die sechzehn Prozent im Jahr, sogar relativ sicher, obwohl sie – bedingt durch die momentane Finanzkrise – ebenfalls ersthafte Probleme haben und das sogar angesichts der Tatsache, dass Kalifornien der wirtschaftlich stärkste Staat der USA ist.“

„Dann verstehe ich absolut nicht, dass man bei uns nicht früher drauf gekommen ist ...“
„Die einzige Antwort, die ich dir darauf geben könnte, ist meine eigene Ansicht und ich weiß nicht, ob sie richtig ist. Aber ich behaupte, dass die Deutschen das dümmste Volk gleich nach den Zulukaffern ist – zumindest, was die Geldanlage betrifft. Als einzige Entschuldigung könnte man gelten lassen: Sie können eigentlich nichts dafür ...“
„Warum das?“
„Weil sie nichts Besseres wissen – und zudem ist es eine Sache der Mentalität.“
„Wie darf ich das verstehen?“, wollte Sarah wissen.
„Sie sitzen auf ihrem Geld – was man ihnen nicht einmal verübeln kann, denn jeder hat Angst vor der Zukunft. Sie haben ein ausgeprägtes Sicherheitsdenken. Mal eine Frage, mein Schatz: Wie viele Arten von Geldanlagen kennst du?“
„Ich habe mich nie so richtig damit beschäftigt, wenn ich ehrlich bin, wieso auch?“, antwortete sie etwas verlegen und begann, aufzuzählen: „Na ja, Sparbuch, Festgeld, Lebensversicherung, Bausparvertrag, Aktien, Immobilien ...“

„Schön, aber glaubst du, dass man mit einem Sparbuch reich wird – mit Zinsen von jährlich 1,8 Prozent, wenn die offizielle Inflationsrate bereits bei jährlich drei Prozent liegt?“ Bruno grinste und meinte nach einer kleinen Pause: „Du kennst all diese Geldanlagen deshalb, weil dir nichts anderes verkauft wurde. Für die Banken ein riesiges Geschäft, denn du darfst nicht glauben, dass die ihre Glaspaläste, ihre oft so überheblichen, arroganten Mitarbeiter und Manager von deinen Überweisungsgebühren bezahlen. Banken machen im wahrsten Sinne des Wortes Geld – und das stammt unter anderem aus Krediten, die sie vergeben – was aber nur Buchgeld ist, das heißt, sie verleihen genau genommen Geld, das sie gar nicht haben. Was passiert denn zum Beispiel, wenn du einen Kredit aufnimmt? Der Sachbearbeiter tippt lediglich eine Zahl ein, die dann auf deinem Konto erscheint. Du machst eine Überweisung und diese Zahl wird kleiner. Aber genau genommen ist niemals echtes Geld geflossen. Für dieses nette Spiel zahlst du aber echtes Geld – die Zinsen – und du must vorab noch ein irres Prozedere an Formalitäten über dich ergehen lassen, ob du dafür auch ‚würdig’ bist. Und so unglaublich das nun klingen mag, aber die Banken sind die einzigen, die in der Lage sind, aus Nichts etwas zu erschaffen – und zwar in unbegrenzter Höhe. Sie sind in der Lage, soviel Geld zu erschaffen, wie die Gesellschaft zu leihen imstande ist – und gut neunzig Prozent des vorhandenen Geldes wurde deshalb erschaffen, weil jemand eine Schuldverpflichtung gegenüber einer Bank eingegangen ist – per Unterschrift und Verpfändung seiner Sicherheiten. Übrigens bin ich mir sicher, dass so manchem kleinen Sparer die Haare zu Berge stehen würden, wenn er wüsste, wie viel Geld mit seinen mühsam ersparten Euros durch riskante Geschäfte verdient wird, während er mit Almosen, sprich minimalen Zinsen von dannen ziehen muss. Du solltest wissen: Die Banken zahlen Zinsen und erwirtschaften Renditen – nicht selten im dreistelligen Bereich. Das ist das Geheimnis, das genau genommen keines ist, denn Geld erwirtschaftet viel mehr Geld und in wesentlich kürzerer Zeit, als es mit ordentlicher Arbeit je möglich wäre. Und genau das ist auch mit ein Grund, weshalb aus Millionären Milliardäre, die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden ... Übrigens: Sagt dir der Name Rothschild etwas?“

„Klar, wir haben doch diesen sündteuren Wein von ihm getrunken.“
„Genau, aber der hatte nicht nur Wein, sondern auch unheimlich viel Geld. Der alte Rothschild sagte schon 1863: ,Die Wenigen, die das System verstehen, werden so sehr an seinen Profiten interessiert oder so abhängig sein von der Gunst des Systems, dass aus deren Reihen nie eine Opposition hervorgehen wird. Die große Masse der Leute aber, mental unfähig zu begreifen, wird ihre Last ohne Murren tragen, vielleicht sogar ohne zu mutmaßen, dass das System ihren Interessen feindlich ist.’ Er hat das System wohl hervorragend verstanden, wie man heute weiß ...“

Sarah sah nachdenklich zu Boden und meinte dann zögernd: „Ich glaube, die Leute machen sich viel zu wenig Gedanken über diese Dinge.“
„Stimmt, ja. Und das ist ein Fehler, denn es ist genau genommen unser kapitalistisches Zinseszins-System, das uns eines Tages umbringt und den Staat in den Bankrott treibt – oder sollte ich besser sagen: Die sogenannten Wirtschaftsmächte – und das betrifft nicht nur Deutschland, sondern fängt in Amerika an und verbreitet sich über die ganze Welt – wie Kaugummi, Coca Cola und Kreditkarten. Glaub mir, nicht alles, was von dort kommt, ist das Nonplusultra.“

Kommentare


unbekannt
13:43 09.11.2010
bla

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06:34 09.11.2010
Normalerweise müssten die beiden gemeinsam Selbstmord begehen bei den Gesprächen. Ich überleg auch schon mich umzubringen...
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2010-11-09 06:33